Fluch oder Segen?

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Ich lag in meinem Bett und ließ mich von den Geräuschen der Außenwelt beschallen, welche durch das geöffnete Fenster zu mir hochdrangen. Autos rasten durch die Straßen; ihre Lärmwellen schallten gedämmt zu mir hinauf. Auf meiner Zunge lag ein schaler Geschmack und mein Herz wog schwer.

Heute war mein erstes Shooting.

Ein forciertes Lächeln trat auf meine Züge, versuchte mich davon zu überzeugen, mit der Zusage alles richtig gemacht zu haben. Ich atmete tief ein, sodass sich mein kompletter Brustkorb wölbte, schwang ein Bein nach dem anderen aus dem Bett und verschwand im angrenzenden Badezimmer, welches zwar die Größe des Hauptbadezimmers nicht überbot, aber genug Platz bot, um sich einer allmorgendlichen Dusche zu unterziehen.

Ich begleitete die Musik aus den Radiolautsprechern, schüttelte meine Haare aus, sah zu, wie die Wassertropfen spritzten und schlang ein Handtuch um meinen Körper.

Wie in Trance zog meine morgendliche Routine an mir vorbei. Meine Hände erinnerten sich an ihre Aufgabe, während mein Gehirn den einen Gedanken sofort vergaß, wenn sich ein nächster bildete. Ich föhnte meine Haare und überlegte zögernd mich zu schminken. Ich wusste, ich würde bei dem Shooting geschminkt werden, jedoch fühlte ich mich wohler, wenn Außenstehende meine Augenringe nicht sahen.

Ich biss mir nervös auf die Lippe. Ich fühlte mich berufen, mich zu schminken; meine Hand zuckte bereits in Richtung Schminktasche. Meine Zungenspitze befeuchtete meine trockenen Lippen. Ich haderte einen weiteren Moment mit mir, riss mich dann aber zusammen und verließ das Badezimmer. Stattdessen stürzte ich einen Kaffee hinunter und aß zögernd einen Apfel. Mein Magen knurrte, doch sofort legte sich ein bleierner Schleier Übelkeit über ihn und ich verließ fluchtartig meine Wohnung. Mein Herz schlug mir bis zu den Ohren.

Ein Taxi wartete auf mich. Ich begrüßte den Fahrer kurzangebunden, legte meine Hand beruhigend auf meinen Bauch und ließ meinen Kopf gegen die kühle Kopfstütze sinken. Meine Augen fielen zu und flatterten Sekunden später wieder auf. Nervös malträtierte ich mit meinen Zähnen meine Unterlippe.

Es kostete mich Einigens an Überwindung mich zur Raison zu rufen und mit dem Fahrer ein zwangloses Gespräch zu führen, während das schnelllebige London an uns vorbeizog.

Ich wünschte mir, nie wieder auszustiegen und mit der Stadt zu meinem Fenster zu verschwimmen und nie wieder aufzutauchen.

Die Fahrt verging im Flug und ehe ich mich versah, wurde ich in einen brechend vollen Raum gelotst. An einer langen Spiegelfront saßen drei weitere Mädchen, welche geschminkt und frisiert wurden. Ich reihte mich neben sie, schenkte ihnen jedoch keine Beachtung.

Ihre Gesichter kannte ich, ebenso ihre Namen. Jedoch gehörten wir nicht mehr zu dem Stand, in welchem wir uns über prominente Models freuten; denn nun waren wir diese Persönlichkeiten und wir alle hatten gelernt, die wenigen ruhigen Momente zu genießen, bevor wir vor die Kamera traten um uns dem kritischen Blick des Firmenchefs zu stellen.

Tief seufzte ich.

„Miss Copeland", zwitscherte eine der Visagistinnen und beugte sich mit einem erfreuten Lächeln zu mir herunter. „Wie schön, Ihr hübsches Gesicht in unseren Räumlichkeiten willkommen heißen zu dürfen."

Ich hörte ihr nicht zu, lächelte deswegen schlicht und senkte meinen Blick; spürte die Augen meiner Nachbarin für einen kurzen Moment auf mir ruhen und biss mir auf meine Unterlippe. Es war besser zu Schweigen; das war es in dieser Branche immer.

Ich schloss meine Augen und versuchte mich auf die Pinselführung zu konzentrieren. Die zarten Borsten strichen über mein gesamtes Gesicht; immer und immer wieder.

Simultan fuhren Hände durch meine Haare. Glätten oder lockten sie – ich wusste es nicht.

Ich spürte nur, wie ich immer mehr zu Copeland wurde. Und ich merkte, dass es genau das war, dass ich nach nach all den letzten Strapazen, in welchen mich Hermine gefangen nahm, brauchte. Ich brauchte meine Auszeit meiner selbst.

Langsam begann ich mich zu entspannen und mein Herzschlag regulierte sich. Ein seliges Seufzen verließ meine Lippen und sank weiter in den Stuhl. Ich ließ die unterschiedlichsten Geräusche auf mich wirken; die Anweisungen eines Fotografen, welcher aus einem Nebenraum zu mir herüber wehten, die Stimmen der Visagistin und Frisörin, welche in einem leisen Flüsterton miteinandersprachen und anderweitiges Personal, dessen Stimmen aus allen Ecken zu dringen schienen. Der Geruch nach Kosmetik stieg mir in die Nase. Ein Gefühl der Zufriedenheit durchströmte mich.

„Miss Copeland", riss mich die Stimme der Visagistin aus meinen Gedanken. Müde öffnete ich meine Augen und blinzelte. Nachdenklich betrachtete ich mich im Spiegel und legte meinen Kopf schief. Und langsam zogen sich meine Mundwinkel nach oben und offenbarten ein Lächeln.
Meine Lippen waren in ein leuchtendes Rot getaucht, während meine Augen durch einen breiten und nachtschwarzen Lidstrich optisch vergrößert wurden. Meine Haare entsprachen dem Stil der Zwanzigerjahre. Große definierte Wellen ließen mein Gesicht verführerisch wirken.
Vorsichtig spähte ich zu meiner Sitznachbarin herüber und sah, dass sie ähnlich geschminkt war, nur das ihre Haare zu einzelnen Locken eingedreht waren, welche wirr von ihrem Kopf abstanden.

„Das ist ein interessantes Make Up, nicht wahr?"

Überrascht sah ich sie an und fragte mich, weshalb sie mich angesprochen hatte. Mit einem Lächeln drehte sie sich um und legte ihren Kopf schief.

„Ich habe gehört, was bei Toujours Pur passiert ist; ich hoffe, es geht dir wieder besser." Nervös rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her.
„Ich fühle mich fast wie neu."

Das Lächeln der brünetten Frau weitete sich. „Das freut mich zu hören."

Ich zögerte kurz, sagte dann jedoch leise: „Danke, Amber."

Sie strahlte mich an. „Dafür musst du mir nicht danken, Copeland."

Überraschenderweise hätte ich das Gespräch gerne weitergeführt, doch wurde Momente später aus dem Raum geführt, weiter in ein Ankleidezimmer gelotst und in ein schickes Kleid gesteckt, welches mich an den Großen Gatsby erinnerte.

Eine Assistentin half mir beim Ankleiden und schickte mich danach in einen weiteren angrenzenden Raum, in welcher mich der Fotograf und Firmenchef begrüßten.

Dies alles passierte so schnell, dass die Räume an mir vorbeizufliegen schienen.

„Miss Copeland", rief der Fotograf entzückt und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Vorsichtig, aber sicher erwiderte ich es.

„Wie soll ich mich platzieren?", fragte ich und besah mir den grünen Hintergrund. Ich fragte mich unwillkürlich, welchen Hintergrund sie wohl in der Nacharbeit einfügen würden.

„Stellen Sie sich erst einmal mittig. Den Rest regeln wir später, meine Schöne."

Mit Herz machte einen Sprung. Auch wenn Ginny meinte Copeland wäre ein Fluch – für mich war sie ein Segen.

Denn ich vergaß alles, während meine Augen auf die Kamera gerichtet waren.

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Bitte, entschuldigt die lange Wartezeit. Ich werde mich bemühen, regelmäßig zu updaten, werde aber nichts versprechen, noch einen Updatetag festlegen. Trotzdem vielen Dank für eure Rückmeldungen zu dem letzten Kapitel! (:

Und noch einmal vielen Dank an _mxgdeburger_gxrl für das Bild, dass sie zu dieser Geschichte gemalt hat!!

Habt alle einen schönen Abend (:

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