Mutige Helfer

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Mark schlug die Augen auf, das hätte er lassen sollen, sein Schädel drohte zu bersten. Er wollte die Hand heben um nach dem Schmerz zu tasten, doch sie waren gefesselt. Ebenso seine Beine. Dann viel es ihm ein. Er erinnerte sich an die Geräusche im Gebüsch und die Schatten, einen heftigen Schmerz, dann Dunkelheit. Fieberhaft über­legte er wie er aus dieser Situation wieder rauskommen könnte. Konzentriert sah er sich um. Er saß an einen Pfahl gefesselt, in einer dunklen Hütte, auf den blanken Boden. Die Hütte war spärlich eingerichtet, in einer Ecke lag ein Stapel alter Rei­fen, auf der anderen Seite stand eine Pritsche. Geschlossene Fensterläden. Mehr konnte er nicht erkennen.

Plötzlich hörte er eine Tür knarren. Schnell schloss er die Augen wieder. Wenn er bewusstlos wäre, würden sie ihn vermutlich in Ruhe lassen. Er hörte wie sich eine Person näherte. Leise Worte, die er nicht verstand, wurden ge­flüstert. Dann hörte er Wasser plätschern, so als würde etwas ausgewrungen. Dann ein wunderbares Gefühl. Je­mand legte ihm einen kalten Lappen auf den Kopf. Wieder hörte er eine Stimme. Sie klang weiblich, fast noch kindlich. Zögernd öffnete er die Augen. Er musste blinzeln, über ihm war eine kleine Petroleumlampe angezündet worden, die einiges an Licht spendete. Als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten sah er sich um. Vor ihm stand ein junges, dunkelhäutiges Mädchen. Unsicher schaute sie ihn aus ihren dunkelbraunen Augen an. Doch scheinbar schien er ihr keine Angst zu machen, denn kurz drauf erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Mark lä­chelte zurück, was die Kleine noch mehr strahlen lies. Sie nahm den Lappen wieder von seinem Kopf, tauchte ihn erneut in das klare, frische Wasser. Es färbte sich rosa. Sie wand ihn wieder aus und legte ihn zurück auf seinen Kopf.

„Du böse Wunde", sagte sie im gebrochenen Englisch.

Mark nickte nur.

„Mãe, ele está acordado", sagte das Mädchen.

Mark war mit dem Portugiesischen nicht so vertraut, doch er wusste dass Mãe, Mama hieß. Also musste noch eine 2 Person im Raum sein.

Augenblicke später sah er sie. Eine Frau, schlank und groß, das Gesicht noch im Schatten, kam auf ihn zu. Sie beugte sich zu ihm herunter. Mark zog die Luft ein, er hatte noch nie so eine schöne Frau gesehen. Ihre Augen wa­ren ebenso dunkelbraun wie die ihrer Tochter und sie strahlten Wärme aus. Ihre Züge waren ebenmäßig und der leichte Schweißfilm auf ihrer Haut, ließ sie wie Ebenholz glänzen.

„Danke Ana, du kannst jetzt gehen", sagte sie auf Portugiesisch.

Ana schien das nicht zu gefallen, sie zog eine Schnute, fügte sich dennoch den Anweisungen ihrer Mutter.

Mariana sah sich den Mann an, den die Männer vor ein paar Stunden ins Camp gebracht hatten. Er sah kräftig aus, sein Bizeps spannte sich immer wieder unter den Ärmeln seines T-Shirts. Er trug Tarnkleider, also war er vermut­lich vom Militär. Wenn das so wäre, dann wäre es sein Todesurteil. Die Männer machten aus ihrem Hass auf das Militär keinen Hehl.

„Können Sie mich verstehen", fragte Mark.

Oh, er ist Amerikaner, kein Pluspunkt, dachte Mariana.

„Mein Name ist Mark", sagte der Mann jetzt im wackligen Portugiesisch.

Mariana musste über seine falsche Betonung lächeln. Ihr Englisch war definitiv besser als sein Portugiesisch.

„Ihr Portugiesisch ist lausig."

Mark machte große Augen als ihm die Frau in fast perfektem Englisch antwortete.

„Sie sprechen meine Sprache sehr gut."

„Meine Mutter war Englischlehrerin. Doch wenn Ihnen ihr Leben lieb ist, dann reden Sie lieber nicht. Die Männer die Sie hier brachten, mögen weder Soldaten noch Amerikaner."

„Ich bin kein Soldat."

„Sie sehen aber aus wie einer und das reicht meistens schon."

Mariana nahm einen alten Blechbecher und füllte ihn mit Wasser. Dann setzte sie ihn an Marks Lippen. Gierig trank er alles aus.

„Ich werde mir kurz Ihre Verletzung ansehen und sie auswaschen. Mehr medizinische Hilfe werden Sie nicht be­kommen. Ich kann die Wunde auch nicht verbinden, das würden die Männer merken und wissen dass ich ihnen geholfen habe. Dann wäre ich tot."

Mark nickte. Mariana schaute auf seinen Hinterkopf. Sie hatten ihn ganz gut erwischt. Sie nahm wieder den Blechbecher, tauchte ihn abermals ins Wasser und ließ es langsam über die Wunde laufen.

Dann nahm Mariana ein Blatt aus ihrer Schürze, knüllte es in ihrer Hand zusammen und rieb dann die Hände an­einander. Den dadurch entstandenen Brei legte sie auf die Wunde.

„Das ist ein Blatt der Bittermelone, es wirkt entzündungshemmend. Wenn es getrocknet ist wird es einfach aus Ih­ren Haaren fallen."

„Vielen Dank. Verraten Sie mir ihrem Namen?"

„Mariana, aber Sie kennen mich nicht, haben mich nie gesehen, verstanden?"

Mark nickte.

„Wenn ich kann bringe ich Ihnen Wasser. Aber ich weiß nicht wann ich wiederkommen kann. Die Männer sind böse, gewalttätig und zu allem fähig, also erwarten Sie kein Mitleid."

Wieder nickte Mark.

„Ist Ana Ihre Tochter?"

Misstrauisch sah Mariana Mark an, dann wurde ihr Blick traurig.

„Sie dürfen Sie nicht mehr erwähnen. Ich verstecke sie. Wenn die Männer sie finden, dann passiert ihr weiß Gott was."

„Warum ist sie hier, wenn es nicht sicher ist."

„Ich habe sonst niemanden. Niemand weiß von ihr, nicht hier im Camp, nirgends. Und ich hoffe das bleibt auch so."

„Und ihr Vater."

Marianas Blick verdüsterte sich.

„Warum wollen Sie das alles so genau wissen?"

„Weil es mich interessiert."

Ein schriller Pfiff durchdrang die Stille. Alarmiert erhob sich Mariana.

„Ich muss gehen, die Männer sind gleich wieder im Camp. Wenn Sie können stellen Sie sich ohnmächtig. Und sa­gen Sie ja nichts auf Englisch."

„Danke Mariana. Passen Sie auf sich auf."

Mariana nickt und ging schnell aus der Hütte. Wenig später hörte er ungefähr ein Dutzend Männer die lärmend ins Lager kamen.

Nun ging es um sein Leben und Kleinigkeiten konnten darüber entscheiden, ob es weitergehen würde, oder ob es hier endete.


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