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Luukas P.o.V

"Aufgrund der labilen psychischen Verfassung, in der sich Herr Luukas Tapio Haber zum Tatzeitpunkt befand verurteilt das Gericht ihn im Namen des Volkes dazu sich in professionelle Obhut zu begeben, um seine Probleme in den Griff zu bekommen und nicht länger eine Gefahr für Leib und Leben seiner Selbst, sowie anderer Menschen darzustellen."

Von da an lief alles ab wie in einem schlechten Hollywoodfilm, bei dem ich bloß Zuschauer war. Zugegeben, ein ziemlich unterkühlter. Ich war nicht länger Teilnehmer meines Lebens. Die Welt rauschte bloß an mir vorbei. Ich konnte nicht eingreifen. Meinem Psychiater beantwortete ich lediglich knapp und unterkühlt die wichtigsten Fragen. Reden? Nein danke. Ich war gefangen in einer unsichtbaren Falle. Doch wollte ich dort überhaupt heraus? Den Blick starr aus dem Fenster gerichtet saß ich zum ersten Mal nach vier Monaten wieder in der Klasse. Die Psychiatrie war trotzdem noch mein Zuhause und das würde sich auch so schnell nicht ändern. Ich sah die Bäume, wie sie sich im Wind leicht hin und her bewegten, als würden sie wippen. Wie Kinder. Kleine Kinder. Glückliche Kinder.
"Luukas. Könntest du mir meine Frage beantworten?" Die wütende Stimme des Lehrers holte mich aus meinen Gedanken. Hat der sie noch alle?! Diese Selbstironie. Ich zuckte nur mit den Schultern. Mir war so ziemlich alles egal geworden. Die ersten zwei Tage hatten sie mich in eine Zwangsjacke gesteckt und isoliert, da meine Wut unkontrollierbar geworden war. Sogar für mich. Ich war wie ferngesteuert gewesen. Damit hatte ich also so ziemlich alles geschafft, was man in der Richtung schaffen konnte. Was sollte ich also noch mit Schule? Ich war doch ohnehin hoffnungslos. "Ich wiederhole die Frage für dich: Wie dividiert man einen Bruch?" Okay Luukas, das weißt du noch. Wann hatte ich das? Vor vier oder fünf Jahren. Ich war wohl mitten in einer Wiederholungsstunde gelandet. Für die frischgebackenen Achtklässler um mich herum war das noch nicht ganz so lange her. "Indem man ihn mit dem Kehrwert multipliziert." antwortete ich nur gelangweilt und sah wieder den Bäumen vor dem Fenster zu. Wir waren umgezogen. Von Helsinki in irgendein Kaff bei Köln oder so. Wieso auch immer. Wenigstens wurde ich hier keine Klasse mehr zurückgestuft. Meine Schullaufbahn war bis jetzt sehr interessant gewesen. Ich hatte nach der Grundschule auf einem Gymnasium in Deutschland begonnen. Hierhin war ich bis zum Ende der 8. Klasse gegangen. Dann waren wir nach Finnland gezogen. Mit dem Stoff waren sie hier viel weiter, weshalb ich in eine siebte Klasse kam. Dort hatte ich mich bis zum Ende der neunten Klasse gehalten. Dann war ich sitzen geblieben und wurde bereits nach ein paar Wochen erneut in die achte Klasse zurückgestuft. Grund war mein ständiges Schwänzen gewesen. Und nun hatte ich es wieder in die achte Klasse einer Gesamtschule geschafft. Stabile Leistung. Eigentlich wäre ich bereits in die Zwölfte gekommen. Egal. Ich würde bestimmt ohnehin noch vor meinem Schulabschluss abdanken.
Als der erlösende Gong ertönte, packte ich meine Sachen und ging hinaus auf den Schulhof. Offenbar hatten die Mädchen meine Zeit als berühmter Youtuber noch nicht vergessen. Sie scharrten sich um mich und wollten Fotos und Autogramme. Ich jedoch ging mit ausdrucklosem Blick durch die Masse hindurch. Eine Mitarbeiterin der Psychatrie holte mich ab. "Wie war die Schule?" fragte sie freundlich. Sie meinte es ernst, das wusste ich. Sie war nett, beinahe mütterlich zu mir. Oder eher Oma-mäßig, da sie bereits kurz vor ihrer Rente stand. Ich nickte nur als Bestätigung, dass es hätte widerlicher sein können. Meine Betreuerin kommentierte nichts und wir fuhren zurück in die Psychatrie.
Die kahlweißen Wände waren mir irgendwann ziemlich egal geworden. Sie waren steril, wie die Klinik. Pünktlich zum Mittagessen saß ich mit den anderen der Gruppe am Tisch und aß die Käsemaccaroni mit Salat. Man konnte über diesen Laden sagen was man wollte, aber das Essen war pure Liebe, Perfektion. Und es war nicht einmal eine Klinik für Menschen mit mehr Asche in der Tasche. Es war eine ganz normale Psychatrie mit sehr gutem Essen.

"Du hast Besuch." Mitten in der Zimmerzeit riss mich die Stimme eines Betreuers aus meinen Gedanken. Ich schreckte hoch und nahm die Kopfhörer von meinen Ohren. "Ja?" Meine Antwort kam etwas verzögert. Ich war verwirrt. Die Stimme des Betreuers hörte sich nicht gut an. Als hätte ich etwas verbrochen. Hatte ich nur ausnahmsweise mal nicht. "Du hast Besuch." wiederholte er trocken und drehte sich um. Er war in Begriff mein Zimmer zu verlassen. "Besuch?! Wer?" Der Betreuer zuckte lediglich mit den Schultern und öffnete die Tür etwas weiter, sodass ein Junge in schwarzem Kapuzenpulli zu sehen war. Der Betreuer verschloss die Tür von außen, als der Junge in mein Zimmer getreten war. "Hallo Luukas." Er nahm seine Kapuze ab. "Julius?!" Er hatte sich total verändert. Zahlreiche Piercings zierten sein Gesicht. Er war kein Emo mehr und sah mehr nach einem ganz normalen Jungen aus. Abgesehen von den Piercings natürlich. "Ja. Ich hab gehört wo du gelandet bist und dachte mir ich komm mal vorbei." "Und wozu?" "Um dir deine hässliche Visage zu polieren!" Seine Stimme klang ernst und so hasserfüllt wie sein Blick. Dann ging er auf mich los. Brutalität war gar kein Ausdruck mehr für seine Taten. Er hatte ein Messer und ich hatte Mühe mich zu verteidigen. Dann wurde plötzlich alles schwarz.

Hurtsville || A Sunrise Avenue FanFicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt