Luukas P.o.V
An diesem Abend wollte ich nur noch ins Bett. Einfach schlafen und alles vergessen. Plötzlich war mein Vater so väterlich zu mir. Ich war das nicht gewohnt. Konnte er mir vielleicht mal etwas Luft zum Atmen lassen? Ich fühlte mich eingeengt und überfordert mit der Situation. Doch was den Tag danach geschah, ließ mich einmal mehr die Härte des Lebens spüren.
Als ich am Morgen aufwachte, war das Haus menschenleer. Ich zog mich an, frühstückte, machte mich fertig und überlegte was ich nun machen würde. Da ich ja suspendiert war, musste ich warten bis mir jemand die Materialien brachte. Doch es klingelte erstaunlich früh, vielleicht gegen elf oder zwölf Uhr.
Verwundert schüttelte ich den Kopf und öffnete. Vor der Tür stand Julius. Er war tränenüberströmt und hatte auch keine Schulsachen dabei. "Kann ich reinkommen?" schluchzte er. Obwohl ich ihn nicht besonders mochte, tat er mir leid, also nickte ich. Wir setzten uns ins Wohnzimmer auf die Couch und ich sah Julius erwartungsvoll an. "Amanda ist tot." brachte er nur zwischen seinen Schluchzern hervor. Ich erstarrte. Amanda war bitte was? Das mit uns war noch so frisch gewesen. So neu. Aber gut. Es hatte sich immer so gut angefühlt und jetzt, wo sie tot war fühlte es sich an, als hätte jemand auf brutalste Weise mein Herz herausgerissen. Julius stand auf und kurz darauf hörte ich, wie die Haustür zufiel. Niemand sollte mich weinen sehen, also begann ich nun, da Julius weg war, zu schluchzen.
Um mich abzulenken schaltete ich den Fernseher ein. Auf Joiz lief gerade ein Interview mit meinem Vater. "Bist du also für dich selbst verantwortlich? Wartet da niemand in Helsinki?" fragte die Interviewerin. "Da sind vier Kleine Jungs Backstage. Für die bin ich verantwortlich." lachte mein Vater. "Aber keine Babies in Helsinki?" wollte die Interviewerin wissen. "Hoffentlich nicht. Der Vatertag war vor ein paar Tagen und ich habe keine Postkarten oder so etwas bekommen." Die Interviewerin lachte. "Außerdem wäre es wirklich ein Wunder, wenn ich so etwas zu Stande bringen könnte. Ich bin etwas tollpatschig mit meinem...Sie wissen schon." Das reichte mir. Ich schaltete den Fernseher sofort aus und schmiss die Fernbedienung auf den Boden. Erst Amandas Tod und dann leugnete mich mein Vater. Ich schaltete das Interview wieder ein und rief meinen Vater an. Das Interview war live, also klingelte sein Handy. Er zog es aus seiner Tasche, entschuldigte sich kurz und ging ran ohne aus dem Bild zu gehen. "Wieso leugnest du mich?" fauchte ich. "Ich..Ich." stammelte er und schaute genau in die Kamera. "Ja, ich gucke gerade zu und du starrst genau in die Kamera. Wenn du nichts von mir sagen willst, dann leugne mich doch nicht!" schrie ich ihn an. "Luukas-" Ich unterbrach ihn. "Erst kommt Julius verheult zu mir und sagt mir, dass Amanda tot ist, dann leugnet mich mein eigener Vater. Und ich dachte seit gestern würdest du wenigstens versuchen mein Vater zu sein. Lass mich einfach!" schrie ich und legte auf. Das Fernsehen ließ ich an, gespannt was er nun tun würde. Er fragte noch einmal meinen Namen in das Handy und steckte es dann weg. "Luukas?" fragte die Interviewerin. Mein Vater blickte mit vielsagendem Blick in die Kamera. Dieser Blick war zu 100% an mich gerichtet. "Ein Teenager." antwortete Samu. Ich sah ihm an, dass er nicht mehr viele Ausreden wusste, also schickte ich ihm schnell ein Video, dass ich gemeinsam mit Osmo einmal aufgenommen hatte und schrieb das er sagen solle, dass ich ein Youtuber sei, den er unter seine Fittiche genommen hatte. Er las die Nachricht und sagte daraufhin: "Ein talentierter Youtuber, den ich unter meine Fittiche genommen habe. Wollen sie in Video sehen?" Die Frau nickte und schon wurde das Video eingeblendet. Ich hatte What I like about you gecovert (Lyrics Video an der Seite). "Hübscher Junge." bemerkte die Interviewerin und stellte noch ein paar Fragen zum neuen Album, bis das Interview zuende ging und ich den Fernseher ausschaltete.
Keine Zehn Minuten später klingelte mein Handy. "Was willst du, Papa?!" fauchte ich. "Oh tut mir leid. Mein Name ist Julie. Samu hat mir sein Handy zum telefonieren gegeben. Ich wollte dich einladen zu einem Interview. Hast du mal auf Youtube geschaut? Du hast unfassbar viele Klicks. Sogar Simon Cowell hat dein Video gesehen. Er sagte, du könntest der neue Newcomer werden." ratterte sie ohne Punkt und Komma herunter. Ich verarbeitete kurz alles und antwortete dann: "Gerne, wo soll ich wann hinkommen?" "Ein Fahrer müsste jetzt bei dir sein. Bis später." verabschiedete sie sich und legte auf. Schon klingelte es an der Tür und der Fahrer fuhr mich zu dem Treffpunkt. Höchstens eine halbe Stunde dauerte die Fahrt, bis wir ankamen.
Ich stieg aus und betrat das große Gebäude. Am Empfang meldete ich mich an und dann sah ich bereits Julie. Das ging alles so schnell. Ich fühlte mich wie in eine Luftblase. Ihre Worte drangen kaum zu mir durch. Irgendwann kam dann endlich Samu herein. "Bitte Julie, lassen sie dem Jungen Luft zum Atmen." bat er und nahm mich mit vor die Tür. Er gab mir eine Colaflasche und erklärte: "Was du auch tust, bau auf keinen Fall eine große Lüge auf. Wenn du nicht antworten willst, lenk ab. Du bist ein kluger Junge, du schaffst das. Wenn dir ein Thema unangenehm wird, mach Witze. Frag die Interviewerin dasselbe, frag ob du denn wirklich so interessant wärst, grinse dabei oder frag einfach ob sie denn auch noch wissen möchte, wie du auf Toilette gehst. Dann bekommst du Lacher und es fällt nicht so auf, dass sie einen wunden Punkt berührt. Außer lachen, lächeln und grinsen zeige keine Gefühle. Viel Glück." Ich bedankte mich und lief mit den Wust an Informationen und der Colaflasche zurück zu Julie.
"Gut Luukas, erzähl uns mal was über dich. Voller Name, Geburtstag, Wohnort und sowas eben." begann sie. Ich trank zunächst einen Schluck Cola und antwortete dann: "Mein Name ist Luukas Tapio Haber, ich hatte gestern Geburtstag und bin sechzehn geworden. Leben und zur Schule gehen tu ich in Helsinki." antwortete ich wahrheitsgemäß. "Und wie sieht es mit den Mädels aus? Du bist ja auch nicht hässlich." zwinkerte Julie und notierte die angegebenen Informationen meinerseits. Sofort musste ich an Amanda denken. Nicht heulen, bloß nicht heulen. Ausrede, schnell. Ich spürte bereits Tränen in den Augen. "Was ist los?" fragte Julie plötzlich und jagte mir damit einen Heidenschreck ein. "Was soll mit den Mädels sein? Ach ja, danke für das Kompliment." ich versuchte zu grinsen doch es war gequält. Die Tränen ließen sich nicht mehr aufhalten. "Cut!" rief Julie und sagte kurz darauf: "Die Kameras sind aus. Keine Sorge." Sofort kam Samu herein. Er setzte sich neben mich auf die Couch, nahm mich in den Arm und strich beruhigend über meinen Kopf. Das hatte er seit Jahren nicht mehr getan. Seit sicher zehn Jahren nicht mehr so intensiv. "Shh, ist ja gut." flüsterte er. "Sie ist tot." schluchzte ich und drückte mein Gesicht in das T-Shirt meines Vaters. "Papa, es tut so weh." "Ich weiß, Luukas, ich weiß." murmelte mein Vater. Er hatte es ja auch schon mal erlebt. "Ich lasse euch mal allein." flüsterte Julie und ging. "Bleib am besten bei mir. Ich möchte nicht, dass du dir was antust." bat er mich. Ich nickte und schniefte. Es herrschte eine monströse Leere in meinem Innern. Ich fühlte mich wie in einer großen Menschenmenge, in der mir die Luft abgedrückt wurde. Diese Einsamkeit schnürte meine Lungen zu. Ich fühlte mich als würde ich in der Luft schweben und zur gleichen Zeit fallen und steigen. Es war einfach unerträglich. Es schien als hätte ich erst jetzt alles realisiert. Es schmerzte einfach nur schrecklich. Unfassbarer Schmerz. So etwas durfte mir nicht noch einmal passieren. Ich musste mich irgendwie unverwundbar machen, indem ich mein Herz in einen Stein verwandelte und mich unnahbar machte. Einfach kalt, eiskalt...
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Hurtsville || A Sunrise Avenue FanFic
Fanfiction"Verpiss dich! Kein Bock auf dich, du bist nicht mein Vater!" _____ Copyright reserved 2015-2017 by nothingbuttheworst