Chapter 54

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Chapter 54

Ich will, dass du hier bleibst – Und egal, was du hörst. Egal, was du denkst, dass du siehst ... Ich brauche dich hier. Genau hier in diesem Sitz, egal, was passiert.

Die Worte waren wie ein Alptraum, das schwöre ich; Sie waren wie Fesseln, die mich gegen meinen Willen an Ort und Stelle festhielten. Ich wollte dort reinplatzen, wie am Spieß schreien, um ihrem gottlosem Chor beizutreten. Ich wollte den Aufruhr ergänzen. Ich wollte Harry helfen – aber ich konnte nicht. Mein Herz hämmerte fast aus meiner Brust heraus, es klopte so hat, dass ich dachte, ich würde einen Herzinfarkt oder so etwas bekommen. Ich konnte die Galle spüren, wie sie in meine Kehle steigt – aber zugleich war ich festgefroren. Ich konnte meine Hände nicht bewegen – mein Kopf drehte sich nicht einmal, um in die Richtung der Tür zu sehen, wie ich es nur Momente zuvor getan hatte. Ich konnte nur auf meinen Schoß starren. Hilflos war ich – Hilflos.

In diesem Augenblick liefen mir so viele Dinge auf einmal durch den Kopf: Ist Harry okay? Ist Harry verletzt? Ist sein Vater verletzt? Hat sein Vater eine Waffe? Ist Harry bewaffnet? Sollte ich die Polizei rufen?

Die Polizei.

Es war die einzige logische Erklärung in meinem Kopf. Meine linke Hand wand sich von ihrer Untätigkeit ab, glitt in den Inhalt meiner Tasche. Ich holte schnell mein Handy heraus und entriegelte es innerhalb von Sekunden – und dann kam mir ein Gedanke in den Sinn.

Sawyer.

Sawyer könnte helfen.

Ich beschloss, ihn stattdessen anzurufen, dennoch dauerte es einen Moment. Er war immerhin Harrys Zwillingsbruder. Er sollte in der Lage sein, zu helfen. Meine Finger schwebten über seinen Namen für ein paar Sekunden und betrachteten ihn. Aber als ich einen weiteren Schrei hörte, drückte ich ihn schnell. Es läutete nur ein paar Mal, ehe Sawyer abnahm.

„Hallo?", sagte er. Ich konnte die leichte Besorgnis in seiner Stimme hören. Es passierte nicht jeden Tag, dass ich Sawyer anrief – oder ihm überhaupt eine Nachricht schrieb was das betrifft. Jedoch als er laut ausatmete, hob ich eine Augenbraue. War es Erleichterung, die ich am Ende gehört hatte?

„Ich weiß nicht, was zu tun ist", sagte ich. „Harry, er ist ... Er hat mir gesagt, da zu bleiben, wo ich bin, aber -"

„Harley?" Ich schwöre, dass ich seine Verwirrung hören konnte. „Was ist los? Ist alles in Ordnung? Nun zur Hölle, natürlich ist es nicht. Wo bist du?"

„Bei eurem Haus", sagte ich und zuckte dann zusammen bei meinem unmittelbaren Fehler. Vielleicht war dieser ganze Anruf ein Fehler. „Bei dem Haus eures Vaters."

Er ist zu Hause?", fragte Sawyer. „Du sagst mir, dass dieses idiotische Ding aus seinem Käfig ist?"

„Offensichtlich ..."

„Was ist los? Kannst du es sagen? Mein – Unser Vater, er ...", Sawyers Worte brachen ab. Ich hörte, wie er einen tiefen Atemzug nahm und dann fortfuhr. „Er hat eine Tendenz, passiv-aggressiv zu sein, oder, du weißt schon, einfach aggressiv. Ich glaube, dass er mit einer zwecklosen Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde als er jünger war ...oder zumindest etwas, was dem ziemlich nahe ist. Sie diagnostizierten ihm dies, um Geisteskrankheit oder so etwas als er-"

„Ich mache mir nichts aus der Vorgeschichte eures Vaters, Sawyer. Ich brauche einfach deine Hilfe."

„Meine Hilfe?", fragte er.

„Ja", sagte ich. „Wann, denkst du, wirst du hier sein? Kannst du schnell machen?"

„Harley, ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist ..."

„Warum zum Teufel nicht?", fragte ich eilig. „Harry ist in Schwierigkeiten. Ich dachte, da ihr zwei Brüder seid, möchtest du -"

„Ich kann nicht", sagte er. „Harley, ich kann nicht. Tut mir leid."

Warum? Warum kannst du nicht? Ich verlange, dass du mir deine Gründe gibst."

„Auf Wiedersehen, Harley", sagte Sawyer. „Ich muss jetzt gehen."

„Nein", sagte ich unfreundlich. Der Griff um mein Handy verfestigte sich und die Finger meiner anderen Hand formten sich zu einer Faust. „Sawyer, ich schwöre bei Gott -" Und die Leitung war tot.

Ich fuhr mit mit der Hand durch die Haare. „Na vielen Danke", murmelte ich.

~

Ich wartete anschließend im Auto für nicht mehr als fünf Minuten. Harry schlug die Tür hinter sich zu, eine Reisetasche in der Hand. Er sah nie zurück. Als er in den Wagen stieg wagte er es nicht einmal, heimlich einen Blick in meine Richtung zu werfen.

Da war ein Schnitt knapp unter seiner Lippe. Ich wollte ihm keine Fragen stellen aus Angst, dass ich ihn verärgern würde, aber die Stille war ohrenbetäubend. Harry fuhr schnell aus der Auffahrt und als wir auf dem High Way waren, schien dort ein erneuertes Gefühl des Friedens zu sein. Er nahm einen tiefen Atemzug, der leise Klang füllte das gesamte Auto.„Alles ist in Ordnung", sagte er mir. Ich konnte die Art wie sich seine Lippen bewegten sehen, als ob er versuchen würde, den nächsten Satz perfekt zu bilden. „Da ist nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Alles ist gut."

„Ich mache mir keine Sorgen", murmelte ich. „Ich bin überhaupt nicht besorgt."

„Gut", sagte er und dann war das Auto wieder mit einer bedingungslosen Stille erfüllt.

Ich beschloss, die Frage zu stellen, die schon seit seiner Rückkehr an mir genagt hatte. „Bist du okay?", sagte ich. „Ich meine ... Ich weiß, alles wird gut und so, aber ist alles in Ordnung ... mit dir?"

Das Auto blieb stumm, bis wir ein rotes Licht erreichten. Harry hielt seine Augen auf die Straße gerichtet, grün und glasig mit einer Art beschützenden Schleier. Wieder einmal trommelten seine Finger leicht gegen das Lenkrad, obwohl er nicht mehr irgendwelche Musik spielte. Er summte nicht mehr. Er lächelte nicht mehr. „Ich weiß es nicht", sagte er nur.

Es gab eine weitere Pause. Ich konnte in der Ferne einen Krankenwagen hören, seine Sirene heulend. „Das musst du nicht", sagte ich.

„Ich sollte", sagte Harry. „Ich sollte es sein ... Ich muss es sein. Für dich. Ich muss es für dich sein."

„Was sein?", frage ich, fast amüsiert. „Harry, du musst nicht -"

„Habe ich dir je von meiner Mom erzählt?", fragte er und wechselte abrupt das Thema. Die Veränderung erschreckte mich fast. „Meine Mom, sie starb als ich jünger war. Das habe ich dir gesagt, nicht wahr? Das habe ich dir gesagt?"

„Ich glaube schon, ja", sagte ich.

Ein halbes Lächeln fand den Weg auf sein Gesicht. „Ich vergaß, was ich dir über sie erzählt habe, war es der 'sie starb bei einem Autounfall' – Vorfall oder das 'unheilbare Krankheit' – Programm?"

„Ich kann nicht ganz -"

„Nun, was auch immer ich dir gesagt habe", sprach er schnell. „Es ist alles Bullshit, Harley. Kompletter Bullshit."

„Harry, das Licht, es ist grün -"

„Mein Dad hat meine Mom getötet", sagte er. Und ich würde wahrscheinlich ein etwas überdramatisches Keuchen von mir geben, wenn das Auto hinter uns nicht hupen würde. „Aber verstehe mich nicht falsch, er kam ungestraft davon. Bei Gott, er kam ungestraft davon. Willst du wissen, warum er im Gefängnis war? Willst du? Einbruch. Er versuchte, einen Schnapsladen auszurauben, während er unter dem Einfluss stand. Irgendwie ironisch, meinst du nicht auch?"

Und ich wusste nicht, was ich daraufhin sagen sollte.

Keeper - German TranslationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt