Chapter 52

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Chapter 52

Dieser Nachmittag war einer jener Nachmittage, an denen man nichts anderes wollte, als im Freien zu sein. Um die Vögel zwitschern zu hören, den Wind summen zu hören und die heiße Frühlingsluft zu spüren, wie sie deine Haut erwärmt. Die Sonne stand in der Mitte des Himmels zu dieser Tageszeit, nicht eine einzige Wohle blockierte sie. Da war sie, rund und blendend, in all ihrer Pracht. An diesem Nachmittag waren all diese Dinge vorhanden, sowie eine Schwarzweiß-Kamera und ohne zwei Paar Schuhe.

Wie Kinder rannten wir um den Park herum über den Weg zu der High School – mit Füßen,  die voller Schlamm bedeckt waren und unseren Ohren, die gar nicht bemerkten, dass dort Menschen waren, die uns verwirrt  anstarren könnten. Und ich erinnere mich, wie Harry zu den schlechtesten Zeiten Bilder von mir machte, als ich prustete anstatt zu lachen  oder jedes Mal, wenn ich mit einer Hand durch meine ungekämmte Entschuldigung eines Haarschopfes fuhr. Es gab einen kleinen See in der Mitte des Parks, eine bloße Strecke von vielleicht fünfzig Fuß lang und dreißig breit. Auf dem See schwammen jedoch Enten und Seerosen und um den See herum standen Reihen von Schilfpflanzen und hohem Gras. Gelegentlich konnte man einen Frosch quaken hören und unaufhörlich hörte man das feierliche Brummen und Klappern der Abenzikaden, zusammen mit dem rhythmischen Zwitschern der Heuschrecken.

Am Rande des Teichs stand ich, meine Füße nachlässig auf den sandigen Dreck gepflanzt, der Schlamm glitschig zwischen meinen Zehen. Als ich aufblickte stand Harry etwa zehn Meter von mir entfernt, seine Kamera zu seinem Auge gehoben. Ein Lächeln breitete sich auf seinen dünnen Lippen aus und er lache. „Ich möchte, dass du über das Wasser schaust", sagte er und rollte die Worte von seiner Zunge, ohne seine Stimme stark zu heben. Sein ganzer Körper war entspannt während er sprach, seine Schultern waren ausgeglichen.

Ich tat, wie er sagte – weil er der Künstler war – und warf einen Blick auf den See hinaus. Als ich das tat, schnalzte Harry mit seiner Zunge. „Kannst du ein bisschen weiter heraussehen? Auf die andere Seite des Sees, vielleicht?" Ich nickte und hob mein Kinn ein paar Zentimeter, meine Augen wanderten weiter über den See. Inmitten des hohen Grases blühte eine Tulpe auf der gegenüberliegenden Küste. Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, aber das Lächeln, welches sich auf mein Gesicht schlich, brachte Harry zum Stoppen und zum Seufzen. Ich biss mir auf die Lippe, aber das ließ mich nur breiterlächeln.

„Tut mir leid",  sagte ich und schüttelte meine Hände an meinen Seiten. „Okay, okay, ich habe diese -" Ich wollte mich umdrehen und mich bei ihm entschuldigen. Ihm sagen, dass es mir vollkommen und zutiefst leid tat für meine Unkooperativität, aber ehe ich es konnte fühlte ich, wie sich Arme um meine Taille wickelten und ein Kinn sanft gegen meiner Schulter ruhte. Ein Brummen kam aus seiner Kehle; ein kleines Lachen.

„Du musst mit mir zusammenarbeiten, Babe", sagte Harry und ich grinste.

„Nur, wenn du aufhörst, mich Babe zu nennen, Babe", sagte ich.

„Es sieht aus, als würden wir dann ein Problem haben, Babe."

Ich drehte meinen Kopf ein klein wenig und funkelte ihn von meinem äußersten Augenwinkel an. Er lachte nur.

„Du hast überhaupt nicht erklärt, wofür der Wettbewerb überhaupt steht. Wenn du gewinnst, was ist es genau, dass du als Preis bekommen würdest?"

„Wow", sagte Harry, sein Wort durch ein übertriebenes Schnaufen in die Länge gezogen. Es war offensichtlich, dass er sarkastisch war. „Ein Typ nimmt an einem Wettbewerb teil und nimmt sein Mädchen als Hauptthema und alles, woran sie denken kann, ist der Preis, wenn sie gewinnen würden? Bloß der Gedanke daran."
„So meinte ich das nicht", sagte ich. Aus Impuls fummelte ich mit meinen Fingern herum. Meine Augen wanderten über den See zu einem Kind, welches um das Wasser sprang und ein Netz zwischen seinen Händen hielt. Er schien glücklich als er kicherte, obwohl das Netz leer war. „Ich dachte nur, weil du so interessiert und hingebungsvoll daran bist, es muss etwas schönes sein. Oder großes. Oder groß und schön."

„Du hast recht", sagte er und küsste meine Schulter. Und dann stand er vollkommen gerade, ließ mich gehen. „Es ist beides."

„Also, was ist es?", fragte ich.

Harry unterdrückte ein Lachen, als er mit einer Hand durch seine Haare fuhr. Sein Lächeln war jedoch breit. Sehr breit. „Eine Kreuzfahrt, die von New York abfährt", sagte er. Aber er war noch nicht fertig. „Es würde an der Dominikanischen Republik stoppen. Man könnte eine Menge an Dingen tun, auf der Kreuzfahrt und von ihr runter, natürlich. Schnorcheln, eine ATV-Tour – Es sind fünfzehn Tage. Sie startet auch 20 Tage nach der Abschlussfeier." Er faltete dann seine Arme, sein Gesichtsausdruck selbstgefällig. „Klingt nicht nach einem allzu schlechten Gig, nicht wahr?"

„Wow", war alles, woran  ich denken konnte, zu sagen. Es stieg etwas in meiner Brust auf, dann leckte ich mir über die Lippen und fügte hinzu: „Nur für einen verdammten Fotografie-Wettbewerb?"

Harry nickte mit dem Kopf, seine Augen geweitet. Und dann wackelte er seine Augenbrauen und runzelte die Stirn. „Für einen verdammten Fotografie-Wettbewerb", wiederholte er. „Du und ich", sagte er. „Wir könnten das schaffen."

Er lehnte sich nach vorne, um meine Hand zu ergattern, aber gerade als er es hatte, begann sein Handy zu klingeln zu der Melodie von Yellow Submarine. Er runzelte die Stirn, seine Augenbrauen zusammengezogen. „Warte einen Moment, da muss ich rangehen", sagte er und trat beiseite. Sein Rücken war zu mir gerichtet.

Als er stand sah ich herunter auf meine Zehen und als ich es tat, konnte ich den rosafarbenen Nagellack unter der Schlammschicht kaum sehen.

Als Harry zu sprechen begann, drehte er sich auf dem Absatz um und instinktiv schaute ich auf, um seinem Blick zu begegnen. Er sah mich mit beunruhigten Augen an.

„Ja, Sir", sagte er. Seine Stimme war leise und fließend.

Der andere Mann sprach und Harry hörte zu – vorläufig hörte er zu.

Und dann räusperte sich Harry.„Ich weiß, Sir", sagte er. Und dann gab es eine schreckliche Pause und dazwischen konnte ich ein Kind vom Spielplatz schreien hören. „Das werde ich, Sir."

Ungeduldig wiegte er sich von einem Fuß auf den anderen. Seine Lippe steckte zwischen seiner Zunge, während er die traumhafte Farbe seiner Lippen wegsaugte und sie in ein farbloses weiß verwandelte.

„Bis bald, Sir."

Als er auflegte, zitterten seine Hände. Er versuchte, das Zittern zu verschleiern, indem er seine Hände in seine Jeanstaschen steckte, aber sein Kiefer war immer noch verkrampft und seine Halsader stach hervor als er den Kopf drehte. Sein Gesicht war von allen Farben verlassen. Es war fast, als hätte er einen Geist gesehen – oder den Tod. Ich versuchte mein Bestes, meine Stimme ruhig und gleichmäßig zu halten, während ich sprach: „Wer war das?"

Harry drehte sich zu mir, sein Blick ausdruckslos. Er sah genau an mir vorbei. Auf was, weiß ich nicht. Das Grüne seiner Iris war dunkel und das Weiß in seinen Augen war trüb. Aber er lächelte dieses berühmte Lächeln von ihm.

„Es war mein Vater", sagte er. Und dann gab es eine nachklingende Pause.

„Er ist auf Bewährung freigelassen worden, sagte er. Er wird bald zu Hause sein und er sagte, er will mich sehen."

Keeper - German TranslationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt