Der Hobbit ◇ Sowas von deine Schuld!

Ich glaub' ich Spinne!

Als ich aufwachte hing ich in einem Popel von klebrigen, weißen Zeugs. Und ja, ich realisiere, wie zweideutig das klingt. Das war Absicht.

Dann wurde mir klar, dass das weiße Zeug Spinnenfäden waren und ich wurde leicht panisch. Noch dazu, weil um mich herum die riesigsten Spinnen waren, die ich je gesehen hatte und ich die Viecher generell hasste.

Als dann auch noch jemand hinter mir "Psst, Shania!" murmelte, fing ich an zu schreien - zumindest versuchte ich es, bis ich nach einer Sekunde ein paar Spinnenfäden einatmete und einen Hustenanfall bekam.

"Schhht, nein, Shania, sei leise, bitte hör auf zu husten, ich bin es nur, Bilbo."
Das war gut zu wissen, aber leider war es nicht so einfach, den Husten ohne etwas zu Trinken zu stoppen.

Nach einigen Sekunden machte ich einfach meinen Mund zu, was mir zwar das Gefühl verschaffte, zu ersticken, aber es half.

Bilbo - den ich übrigens nicht sehen konnte - atmete erleichtert aus. "Danke."
Einen Augenblick später hörte ich ein leises metallisches sirren und dann fiel ich nach unten.

Einen überraschten Schrei konnte ich mir nicht verkneifen. Zum Glück landete ich relativ weich (wenn man von ein paar schmerzhaften Kontakten mit verschiedenen Ästen absah).
Die zweite gute Nachricht war, dass ich nicht mehr husten musste.

Kurz darauf landeten auch die anderen um mir. Außer Alex, die landete auf mir. Schon wieder.

Als wir uns halbwegs von den Spinnenweben befreit hatten, fragte Alex: "Wo ist eigentlich Jack?"

"Hier!" Es raschelte in einem Busch und Jack flog heraus.
"Ah, gut.", lächelte Alex und wollte ihn in die Hand nehmen.
"Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.", warnte Jack, als er ihr auswich.
"Was? Wieso?", fragte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen.

"Habe ich das noch nicht erzählt? Naja, es ist so: Die Menge an Energie, die ich für verschiedene Sachen wie Kämpfen brauche, wenn du mich nicht hältst, wird dir abgezogen, sobald du mich wieder anfasst.
Und was denkst du, wie müde du gewesen wärst, wenn du fünf von diesen ekelhaften Spinnen erledigt hättest?"

"Okay, das ist ein Argument. Aber warum habe ich das bis jetzt noch nie bemerkt?"
"Nun ja", überlegte ich. "Das könnte daran liegen, dass du ihn A) seit er schwebt nicht mehr sehr oft getragen hast und B) dass er nicht viele bemerkenswerte Dinge gemacht hat."

"Ah."
"Ist das das einzige, was du zu meiner brillianten Erklärung zu sagen hast? 'Ah'?", grummelte ich.

Bevor sie etwas erwiedern konnte, raschelte es wieder im Gebüsch - nur diesmal kam kein redendes Schwert heraus, sondern mehrere verdammte Riesenspinnen.

Nach zwei Sekunden des panischen Starrens drehte ich mich um und rannte.
Alex rief mir nach: "Shania! Was ist mit 'Einer für alle...'?"

"JEDER FÜR SICH SELBST! Lasst mich in Ruhe, ich habe keine Waffe!"

'Außer meine Intelligenz und mein unglaublich gutes Aussehen.
DAS IST NICHT DER RICHTIGE ZEITPUNKT FÜR DUMME WITZE! LAUF EINFACH!
...Sorry.'

Mein innerer Monolog und meine Geschwindigkeit wurden aprupt gestoppt, als ich gegen einen Baum lief - wieder mal. Nur diesmal fiel ich nicht um.
Ich schaute nach oben. Keine Spinnen zu sehen.

Als ich dann auch noch einen niedrig gelegenen Ast sah, der mein Gewicht durchaus halten sollte, war meine Entscheidung getroffen und ich fing sofort an, auf den Baum zu klettern.

Als ich etwa zehn Meter über dem Boden einen Ast sah, auf dem ich bequem sitzen konnte, ruhte ich mich erst einmal aus.

Aber leider nicht für lange. Ich hörte ein leises Trippeln hinter mir und fuhr herum. Wie nicht anders zu erwarten krabbelte eine Spinne am Stamm hoch.

'Vielleicht hätte ich meine Haare nicht so auffällig blau färben sollen. Mit meinem natürlichen braun hätte sie mich vielleicht übersehen.
Aber neeeiiiin, Shania muss ja mal wieder rebellisch sein. Schlechte Lebensentscheidung...eine von vielen. Ich sollte eine Liste machen.'

Mir war zwar vollkommen bewusst, dass ich mich in einer misslichen Lage befand - nach vorne konnte ich nicht, wegen der Spinne, links, rechts und hinter mir der Abgrund - aber ich bewegte mich trotzdem schnell auf das Ende des Astes zu.
Rückwärts.
Im Krebsgang.
Ich. Bin. So. Dumm.

Vielleicht denkt ihr jetzt 'Aber Shania, dir hätte klar sein müssen, dass das schief geht!'
Ja. Sicher. Aber wie ich vorhin schon mal erklärt habe, war vor mir eine große Spinne und ich würde mich sicherlich nicht freiwillig in diese Richtung begeben.
Außerdem gab es wenigstens eine winzige Chance, dass ich den Fall überleben würde. Wie Sherlock.

Ich kroch also wie gesagt schnellstmöglich rückwärts - bis da eine unerwartete Astgabel war und ich mit meiner rechten Hand abrutschte. Mein restlicher Körper folgte ihr natürlich zwischen die zwei Äste.
Glücklicherweise blieb ich mit meinem Fuß hängen - aber fragt mich nicht wie, denn ich habe keine Ahnung.

Die Spinne kam immer näher und ich kniff meine Augen zusammen. Ich hörte, wie sie ihre Kiefer mit einem Klicken immer wieder schloss.

Dann hörte ich ein Sirren, gefolgt von einem "Tschak", schrillem Kreischen aus der Richtung des Monsters und einem dumpfen Aufprall unter mir.

Langsam öffnete ich ein Auge. Keine Spinne in Sicht. Ich schlug das zweite Auge auf und sah mich um.

Auf dem Waldboden lag die tote Spinne mit einem Pfeil inmitten ihrer acht Augen. Daneben stand... Legolas.
Mit meinen Lippen formte ich ein "Wow..."

"Hey! Seid ihr in Ordnung?", rief Legolas zu mit herauf.
Erst jetzt realisierte ich, dass ich schon wieder (Zum wievielten, dritten Mal?) kopfüber dahing. "Shit.", murmelte ich und bewegte ruckartig meinen Fuß um loszukommen.

Da es nicht funktionierte wandte ich mich wieder an Legolas. "Äh... Ja. Ja. Alles gut."
Er sah mich, soweit ich das erkennen konnte, zweifelnd an, nickte aber.

"Sagt mal, könnt ihr mir sagen, wo es hier zur Seestadt geht?" Ich hatte keine Lust, der Gemeinschaft im Kerker Gesellschaft zu leisten und so könnte ich gleich dort auf sie warten.

Legolas sah sich kurz um und zeigte dann in eine Richtung - links von sich, glaube ich? "Da lang."
"Da lang.", wiederholte ich. "Alles klar. Danke."

Legolas rührte sich nicht vom Fleck. "Danke.", sagte ich nochmal.
"Gern geschehen.", meinte er.

Ich entschied mich dafür, ihn zu ignorieren und versuchte wieder, meinen Fuß loszubekommen. Mit zusammengepressten Lippen beugte ich mich nach oben, fasste meine Wade mit beiden Händen an und zog daran. Kein Erfolg.

"Braucht ihr Hilfe?", fragte Legolas von unten. Täuschte ich mich, oder grinste dieser Scheißkerl etwa?

Ich verengte meine Augen. "Nein. Nein, ich komme klar. Ich... " (Wieder ein erfolgloses Rütteln) "...komme klar. Danke. Also, auf Wiedersehen."

Ich versuchte ein letztes Mal freizukommen. Dabei drehte ich meinen Körper ein wenig - und war frei. Leider konnte ich mich nirgendwo festhalten.

Also fiel ich herunter, prallte auf dem harten Boden auf und starb.
Ende.