Kapitel 1

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Ich öffnete blinzelnd die Augen und sah auf die Uhr. Ruckartig setzte ich mich auf, bis ich mir wieder ins Gedächtnis rief, dass ich ja heute frei hatte. Ich entspannte mich und ließ den Morgen ruhig angehen. Ich stand auf, zog mir frische Klamotten an und machte mir dann Frühstück. Ich machte mir Croissants, welche ich in die Erdbeermarmelade tunkte. Dazu gab es Milch. Ich überlegte, was ich heute anstellen sollte und ließ den Blick wandern. Ich lebte allein in meiner kleinen Wohnung, aber das machte mir nichts aus. Ich entschied mich erstmal dazu etwas aufzuräumen und Klamotten zu waschen. Damit ging schon mal der komplette Vormittag drauf. Nachdem ich damit fertig war, entschloss ich mich, dass ich eigentlich mal wieder Feiern gehen könnte. Sonst kam ich nie dazu und ich war echt lange auf keiner mehr gewesen. Ich sah in meinen Kleiderschrank. Naja, viel hatte ich nicht, aber es reichte. Ich entschloss mich für ein Outfit und betrachtete mich dann im Spiegel. Ich fand, ich sah anders aus, aber ich konnte nichts entdecken. Die braunen schulterlangen Haare fielen wie immer, die blaugrauen Augen sahen nicht anders aus, meine Lippen waren so schmal wie immer und auch an meiner schlanken weiblichen Statur hatte sich nichts geändert. Ich schüttelte den Kopf und überdeckte mit etwas Schminke die leichten Augenringe - ich hatte letzte Nacht nicht viel geschlafen, denn ich bin immer wieder wach geworden. Schließlich war ich mit meinem Äußeren zufrieden.

Ich ging dann ins Nightmare, denn das war von mir aus am leichtesten zu erreichen. Ich ging erstmal zur Bar, bestellte mir ein Getränk und ließ den Blick wandern. Dieser Ort hier war in der Hinsicht besonders, dass hier neutraler Boden war. Egal welche Spannungen zwischen den Völkern herrschten, hier galten diese nicht. Die Bibliothek war ebenso ein solcher Ort. Entsprechend der Neutralität traf man hier immer auf Vertreter verschiedener Völker. Der Barkeeper zum Beispiel war ein Elf. Wenn ich richtig lag, dann gehörte ihm auch das Lokal hier. Nach einem Drink entschloss ich mich zu tanzen. Passend zum wummernden Beat tanzte ich und gab mich der Musik hin. Die Blicke der Männer merkte ich nicht. Zwischendurch kamen dann auch mal Schmusesongs und bei solchen ging ich zur Bar. "Du tanzt gut" komplimentierte mich der Barkeeper. Er hatte mich wohl beobachtet. "Danke, aber so gut war das gar nicht" meinte ich abwinkend. Ich trank von meinem Cocktail, als sich ein Mann rechts neben mich setzte. "Ah, Lord Ravyn, wieder das übliche?" fragte der Barkeeper den Mann und ich sah nach rechts. Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte das nicht getan. Neben mir saß ein Vampir, das erkannte ich an der hellen Haut und dass gerade in diesem Moment seine Fangzähne sichtbar wurden, als er dem Barkeeper antwortete, dass er heute etwas stärkeres als das übliche brauche. In mir breitete sich verschiedene Gefühle aus. Zum einen war es Angst, reine menschliche Angst, aber zum anderen fühlte ich mich zu dem Mann hingezogen. Ich musterte ihn. Groß, trainiert, dunkle Haare, eisblaue Augen und ein männliches kantiges Gesicht. Verdammt, der iss ja heißer als die Sonne, dachte ich und in diesem Moment sah er mich an. Ich sah schnell weg. Nein, es war besser wenn ich Abstand von anderen Rassen hielt. Ich war nicht rassistisch oder der gleichen, aber das war nicht meine Welt. Ich war nur ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger. Ich wollte gerne meine kleine sichere Welt behalten. Es war bekannt, dass die ganzen Rassen untereinander teilweise große Differenzen hatten.
"Ganz allein hier?" fragte er mich mit einer dunklen und rauchigen Stimme, die mir durch und durch ging. "Ja, ausnahmsweise mal" antwortete ich und versuchte ruhig zu bleiben. Ich kämpfte mit mir selbst, ob ich vor ihm flüchten sollte, oder mich ihm an den Hals werfen sollte. Sein Geruch hüllte mich ein. Männlich herb und nach... Tannenzweigen? Oh man Lea reiß dich zusammen. Er redet nur mit dir!, dachte ich und trank einen weiteren Schluck des Cocktails. "Mein Name ist Ravyn, verrätst du mir auch deinen?" fragte er. Ich brauchte einen Moment, bis ich die Worte aus meinem Mund bekam. "Ich bin Leaena" sagte ich und sah ihn dabei an. Ich erwartete schon, dass er sagte, was für ein seltsamer Name das doch war, aber er lächelte mich an. "Ein schöner Name" sagte er stattdessen. "Meine Eltern konnten sich wohl nicht entscheiden ob Lea oder Ena und haben einfach beides genommen" sagte ich und sah weg. Er schien etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber bleiben. Das war besser so, bevor ich anfing einen Wasserfall zu sabbern.

Ich entschloss mich dann noch etwas zu tanzen. Ich fühlte mich beobachtet und wusste auch woher, als ich die Augen öffnete und mich um sah. Es war Ravyns Blick, der intensiv auf mir lag. Er war nicht der einzige, der mich beobachtete, aber er war der, der es am offensichtlichsten tat. Langsam wird es aber unheimlich! Vielleicht gehe ich besser, dachte ich und ging zum Barkeeper und bezahlte meine Getränke. Ich verließ das Nightmare und ging in Richtung meiner Wohnung. Es war schon dunkel draußen. "Leaena" hörte ich hinter mir eine dunkle rauchige Stimme. Mich überkam ein Schauer, als ich seine Stimme hörte. Ravyn, dachte ich und blieb stehen. Ich drehte mich zu ihm um. Seine ganze Statur war im Stand noch imposanter. Wenn ich meinem Vergangenheits-Ich etwas zurufen könnte, würde ich mich anschreien endlich zu gehen und diesen Mann zu ignorieren, egal wie heiß er auch aussehen mochte.
"Du gehst schon?" fragte er mich. Ich sah zum Glockenturm der Kirche, die nicht weit war. "Ja, genug gefeiert für den Moment" antwortete ich ihm. Ich drehte mich um doch er packte mich am Arm, als wollte er mich aufhalten. Ich spannte mich an und war bereit das einzusetzen, was ich im Selbstverteidigungskurs gelernt hatte. Er schien das auch zu merken, denn er ließ mich los. "Es ist gefährlich für schöne Frauen allein im Dunkeln durch die Stadt zu laufen" meinte er. "Ich kann schon auf mich aufpassen. Ich brauche keinen der das für mich übernimmt" fiel ich ihm ins Wort und drehte mich um, um nach Hause zu gehen. Er sagte noch was, aber ich hörte ihm nicht weiter zu. Ich ging einfach nach Hause.

Am Montag ging ich wieder normal arbeiten. Ich half Sonja heute neue Bücher einzubinden. Wir quatschten mit einander und so verging schnell der Vormittag. Nach der Mittagspause war ich dann wieder in meiner Abteilung. Ich fühlte mich wohl und sicher. Hier war ein neutraler Ort. Es war allgemein bekannt, dass es schon immer Spannungen zwischen den verschiedenen Völkern gab. Hier, in einigen Bars und verschiedenen anderen Orten waren neutrale Punkte, an denen keine Kämpfe stattfinden durften.

Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, was auf mich zu kommt, hätte ich mir nie gewünscht, dass etwas spannenderes in meinem Leben passieren könnte.

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