Kapitel 13

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Ich ließ den Blick wandern. Für die Menschen hier in diesem Restaurant sah es einfach nur so aus, als würden wir gemütlich zusammen essen, doch da steckte mehr dahinter. Inzwischen waren wieder einige Wochen vergangen. Links neben mir saß Ravyn, der immer wieder mal über mein Bein strich. Rechts neben mir saß die Elfenprinzessin Rhae. Neben ihr ihre Eltern, die Königin und der König der Elfen, Ney und Overath. Ihnen gegenüber saßen der König der Wervögel und die Königin der Werkatzen. Zu guter letzt saßen mir und Ravyn die Königsfamilie der Drachen gegenüber. Da wir in einem abgetrennten Bereich waren, standen immer hinter den jeweiligen Oberhäuptern die jeweilige Leibgarde. Wenn ich den Blick wandern ließ, bemerkte ich oft, dass einer der Drachenleibgarde immer wieder zur Elfenprinzessin hin sah und sie erwiderte den Blick von vielen unbemerkt ziemlich sehnsüchtig. Des weiteren hatte der König der Wervögel immer wieder seinen Blick auf mir liegen, wobei ich nicht wusste, weshalb ich eine solche Aufmerksamkeit von ihm bekommen sollte. Die Königin der Werkatzen hatte einen neutralen Blick und tat im Grunde das gleiche wie ich, die Lage analysieren.
Die Vorspeisen wurden uns gebracht. Ich hatte einen Salat gewählt, Ravyn eine Hühnersuppe. Als dann das Besteck erhoben wurde, streckte ich meine geistigen Fühler zu Gareth aus, der hinter mir stand.
Bemerkst du den Blick von Rajaions Leibgarde zur Elfenprinzessin?, fragte ich ihn, einfach um mir sicher zu sein, ob ich mit meiner Beobachtung richtig lag.
Mehr als das. Der König der Wervögel beobachtet dich, als wärst du eine verbotene Frucht. Und der Drachenkönig beobachtet dich wachsam. Ihn als Eidbrecher zu bezeichnen war glaube ich keine gute Idee, meinte der Vampir.
Ich weiß, dass ich mit dem Feuer gespielt habe. Uns immer fragen und selbst keine Hilfe geben, wenn wir sie mal brauchen. Ich empfinde das als Ausbeutung!
Vögelchen, bitte rüttel nicht an einem Bündnis, dass beinahe so alt ist wie Rajaion selbst, mischte sich Ravyn mit ein.
Ich sage nur die Wahrheit, meinte ich und sah ihn kurz an.
Ich weiß und mir gefällt es auch nicht, aber ohne die Drachen haben wir schlechte Karten, versuchte Ravyn mir zu zeigen, dass wir die Drachen brauchten um zu gewinnen.

Ich schwieg dann, während neue Bündnisse geknüpft wurden, bis zu dem einen Moment, als die Elfenprinzessin den einen Satz sagte, den ich nach den Blicken zwischen ihr und dem Drachen schon in ähnlicher Form erwartet hatte. "Vater, bitte gib dem allen statt. Ich will nicht, dass mein Kind ohne seinen Vater aufwächst" sagte sie und beinahe jeder hier in dem Raum sah die Prinzessin der Elfen an. "Du bist schwanger? Wer ist der Vater?" fragte er. Ich hörte einen Unterton raus, der zeigte, dass ihm das gar nicht gefiel. "Es ist Rico" antwortete sie. Ich merkte, wie sich der Drache anspannte und sowohl die Elfen als auch die Drachen große Augen machten. Ravyn nahm mein Handgelenk, welches entspannt auf dem Tisch lag, während sich Drachen und Elfen gegenseitig beschuldigen einander ausspionieren zu wollen.
"Das bringt doch alles nichts" sagte Ravyn und plötzlich wurde alles ruhig. "Meint ihr nicht, es wären schon längst Köpfe gerollt, wenn euch der jeweils andere etwas antun wollte? Trotz des Kriegs geht das Leben weiter, jeder findet seinen Gefährten und jeder weiß, dass man sich dem nicht entziehen kann. Nichts und niemand kann einen davon abhalten" sagte Ravyn und erntete zustimmendes Nicken. "Gerade jetzt müssen wir zusammen halten!"
Ich ließ den Blick wandern, die Elfenprinzessin hatte ihre Hand auf dem Bauch liegen. So wie die Dinge im Moment standen, würde dieses Kind ein Außenseiter sein, es war weder vollkommen elfisch, noch vollkommen drachisch. Es war ein Mischwesen. Dieses kleine Wesen hat jetzt schon mein Mitleid, dachte ich für mich.
"Konzentrieren wir uns erstmal..." setzte Ravyn wieder an, doch er wurde diesmal von Rajaion unterbrochen. "Nein, ich will es jetzt geklärt haben. Rico ist ein Drache, meine Leibgarde" begann dieser und drehte sich zu dem Drachen um. "Was hast du bei den Elfen zu suchen?" Nicht ein bisschen Gesichtsentgleisung konnte man bei dem angesprochen Drachen erkennen. Neben mir stand die Elfenprinzessin auf und ging zum den Tisch herum zu Rico. Seine Hand nehmend, sah sie Rajaion mutig entgegen. "Eigentlich wollte er das gar nicht. Es war an einem sonnigen Tag vor einigen Monaten. Die genauen Umstände habe ich nicht erfragt. Egal worüber wir überhaupt so gesprochen haben, es ging nie darum was unsere Völker für den Krieg vor haben. Jedenfalls habe ich ihn verletzt vom Himmel stürzen sehen und bin zu ihm hin. Ist nicht aufgefallen, dass er einige Tage gefehlt hat? Während ich ihn versteckt versorgt habe, entstand erst eine Freundschaft und aus dieser Liebe" erklärte Rhae und warf Rico einen Moment lang einen liebevollen Blick zu. Dann drehte sie sich um und machte ihr blaues Kleid am Rücken auf, damit man eine dunkelblaue Markierung in Form eines Drachen erkennen konnte. "Aus freien Stücken bin ich zu seiner Gefährtin geworden" sagte sie dann und lehnte sich an Rico an. Dieser zog sie an sich und behielt seinen König im Blick, welcher angespannt da saß. Mehr konnte ich nicht erkennen und ehrlich wollte ich niemals unter den bösen Blick eines Drachen kommen. Ravyns Griff um mein Handgelenk wurde etwas fester.
Ey das lebt nicht mehr lange, wenn du so weiter machst!, mahnte ich ihn, doch er reagierte gar nicht. Ich sah hinter mich und merkte, dass Gareth näher bei mir stand. Ich wusste, dass er das Schwert meines Vaters bei sich hatte, nur für den Fall, dass wir kämpfen mussten.
Ich befreite mich aus Ravyns Griff und sah angespannt zu der Szene. "Kann denn niemand etwas tun, um das zu verhindern?" fragte ich leise.

Plötzlich begann rechts von mir jemand zu singen, es war viel mehr ein Summen. Als ich hin sah, war es der König der Wervögel, der seine hellbraunen Schwingen leicht auf gefaltet hatte und die Unterarme im rechten Winkel von sich gestreckt hatte. Die Handflächen hatte er nach oben gedreht. Ich hatte keine Ahnung, was er da tat, aber der Gesang hatte eine Wirkung auf uns alle. Ich entspannte mich und beobachtete fasziniert, wie sich auf den Flügeln ein leichter Glanz bildete.
Als er damit geendet hatte, war alles viel entspannter. Ich war vollkommen fasziniert davon, wie man nur mit Gesang eine Situation verändern konnte. Ob das nur den Wervögeln vorbehalten war, oder ob das auch jemand von anderen Völkern lernen konnte?
Hey, willst du mich eifersüchtig machen?, ertönte Ravyns Stimme in meinem Kopf. Ich sah zu ihm und zog die Nase kraus.
Ehrlich jetzt? Ich bin nur von den Kräften fasziniert! Himmel Ravyn, ich liebe dich! Ich gab ihm einen Kuss, den er ziemlich besitzergreifend erwiderte. Ich sah ihn atemlos an. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Hatte ich ihm das Gefühl gegeben, dass ich an dem Wervogel interessiert war? Zumindest nicht bewusst.

Nach der Nachspeise waren alle Dinge geklärt. Jeder unterzeichnete einen Vertrag. Als Tinte wurde Blut benutzt, damit keiner aus dem Vertrag heraus konnte, solange dieser Krieg herrschte. Draußen ging die Sonne auf und wir Vampire konnten nicht mehr raus. Ich sah Ravyn an, der finster zu dem Licht hin sah. Wir hielten uns von den Lichtkegeln fern. "Kommt über Umwege nach Hause!" befahl Ravyn und schnappte mich. Ich wusste gar nicht wie mir geschieht und schon waren wir im Schloss. Ich sah ihn verwirrt an. "Die Jungs kommen schon klar. Die können auf sich aufpassen" meinte er auf meinen Blick hin. "Okay" sagte ich und sah ihm in die Augen, welche mich gierig ansahen. Ich merkte, dass er sich Gedanken machte - und das wegen mir.
"Ravyn " sagte ich, doch er unterbrach mich indem er mich küsste und eng an sich zog. Er machte keine Anstalten mich loszulassen. Ich sah ihn an. "Ravyn bitte!" sagte ich. "Was soll das werden? Bist du etwa eifersüchtig?" fragte ich empört. Er antwortete nicht und sah mich mich feurig an. "Ey jetzt komm schon. Ravyn..." Ich sah ihn an und legte meine Hand genau über sein Herz. Dann reckte ich mich zu ihm hoch und küsste ihn liebevoll und voller Hingabe. "Ich liebe dich" murmelte ich in den Kuss hinein. "Ich will dich und keinen anderen!" Die oberen Knöpfe seines Hemds hatte ich auf geköpft und legte meine Hand über meine Markierung auf seiner Brust. "Ich liebe dich. Ich will nur dich, alle anderen sind mir vollkommen egal."
Ravyn sah mich nun wesentlich sanfter an. Vertraute er mir nicht, oder was war da los? "Ich dich auch" murmelte er leise und küsste mich liebevoll. Er nahm mich mit ins Schlafzimmer. Er wirkte müde und ich musste zugeben, dass ich auch ziemlich müde war. Am Abend sah die Welt sicherlich wieder ganz anders aus. Ich zog mich um, machte mich im Bad auch noch fertig und krabbelte dann ins Bett. Nur kurz nach mir kam Ravyn dazu und zog mich eng an sich. Ich genoss seine Nähe und schlief friedlich und entspannt ein.

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