Kapitel 4

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Die nächsten Tage waren seltsam. Ich fühlte mich beobachtet und bekam das Gefühl verfolgt zu werden, aber immer wenn ich mich um sah war da niemand. Ich fand es extrem komisch. Litt ich nun unter Verfolgungswahn? Wenn ich mir abends die Nachrichten ansah, wurde mir völlig anders. Anschläge auf Sehenswürdigkeiten, Tempel oder auch öffentliche Gebäude. Ich bekam Angst weiter zu Hause zu bleiben. Vielleicht durfte ich in der Bibliothek bleiben und dort Schutz suchen. Wo sollte ich sonst hin? Logan? Nein, er war nur zu einem Freund geworden, denn er hatte seine Gefährtin und ich wollte ihm nicht zur Last fallen. Ich könnte die Königsfamilie fragen, aber das war auch nichts. Ich hatte Ravyn gesagt, dass ich selbst auf mich aufpassen konnte. Okay, das war eine andere Situation gewesen, aber trotzdem wollte ich ihn nicht fragen.

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Sicht von Ravyn
Ich stand auf dem Balkon meines Zimmers und sah hinaus in die Nacht. Der Anschlag auf mich hatte das Fass bei meinem Vater zum überlaufen gebracht. Es war nicht einmal klar, wer für den Anschlag verantwortlich war. Trotzdem, ich hielt es hier nicht mehr aus. Vater wollte, dass ich im Palast blieb, aber ich musste hier raus. Da draußen gab es Anschläge und ich saß hier untätig rum. So konnte das nicht weiter gehen. Ich atmete tief durch und wollte mich gerade auflösen. "Wo willst du hin, mein Sohn?" fragte Mutter. "Ich kann nicht untätig hier herum sitzen und nichts tun, während da draußen Attentäter herum laufen!" Ich drehte mich zu ihr um. "Hört auf euch so viel um mich zu sorgen. Ich bin 288 Jahre alt. Ich bin kein Kind mehr. Als ich angegriffen worden war, war ich unachtsam, das stimmt. Trotzdem kann ich mich verteidigen. Ich will sehen, wie es unserem Volk geht. Ich will zeigen, dass wir uns nicht verstecken und uns nicht unterkriegen lassen" sagte ich und ging auf sie zu. Mutter legte mir die Hände auf die Wangen. "Deinem Vater wird dies nicht gefallen, aber lass das meine Sorge sein. Geh hinaus. Hilf unserem Volk und komm heil wieder nach Hause, mein Sohn." Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und löste sich. Ich drehte mich um und teleportierte mich in die Stadt.

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Sicht von Leaena
Ich wachte wieder auf. Diesmal wurde ich nicht von meinen Träumen geweckt. Es war etwas anderes. Ich wusste nicht, warum. Ich stand auf, zog mir was an und sah aus dem Fenster. Ich fühlte mich wieder beobachtet. Verdammt was war denn nur los? Ich sah mich um aber hier in meiner Wohnung war niemand. Ich drehte langsam durch, verlor doch noch den Verstand.
Du bist ja wach, ertönte eine dunkle rauchige Stimme in meinem Kopf. Ravyn. Was machte er denn hier?
"Raus aus meinem Kopf" sagte ich. Mir gefiel der Gedanke nicht, dass er vielleicht davon erfuhr was ich träumte.
Dann mach mir doch die Tür auf und wir reden von Angesicht zu Angesicht miteinander, meinte er dann. Ich ging zur Tür, machte sie auf und da stand er. Imposant ragte seine Gestalt vor mir auf. "Danke, darf ich eintreten?"
Ich trat einen Schritt beiseite. Lea reiß dich zusammen, er ist heiß, aber sicherlich nichts für dich, dachte ich. Er trat ein und ich machte die Tür zu. Ich hörte ihn tief Luft holen. Was sollte das denn?
"Wie geht es dir?" fragte er dann und drehte sich zu mir um. "Wollen wir uns nicht ins Wohnzimmer setzen oder so?" fragte ich und ging an ihm vorbei. Ich merkte ihn sich anspannen, als ich vorbei ging. Ich beachtete es nicht und setzte mich in meinen Sessel. In dem saß ich immer, wenn ich ein gutes Buch las. Er setzte sich nicht. Er ging einmal alles ab, als wollte er böse Monster verjagen. "Mir geht es gut" antwortete ich ihm dann.
"Du hast dich also schon mal damit abgefunden, dass du ein Vampir bist?"
Ich nickte. "Zumindest zum großen Teil."
"Du hast Angst." Das war eine Feststellung, keine Frage.
"Ja, das stimmt."
"Wovor?"
Ich seufzte. Sollte ich mich ihm anvertrauen? Ich tat es einfach. "Ich habe niemand, der mir durch diese Wandlung hilft. Ich glaube außerdem, dass ich verrückt werde." Ich sah ihn nicht an. Stattdessen stand ich auf und ging in die Küche. Ich hörte ihn mir folgen. Warum tat er das? Ich holte mir Milch aus dem Kühlschrank. "Auch was... Prinz..." Ich wollte ihn dann doch lieber mit seinem Titel ansprechen, aber er fiel mir ins Wort. "Ravyn reicht vollkommen. Du brauchst mich nicht auch noch daran erinnern, dass ich der sogenannte Erbe der Nacht bin." Ui, klang das gereizt. Ich zuckte unwillkürlich zusammen bei seinen harschen Worten. Ich stellte den Milchkarton wieder in den Kühlschrank und wich ihm aus, als er versuchte mir näher zu kommen. Ich ließ ihn nicht aus den Augen und trank einen Schluck Milch. "Entschuldige. Egal wo ich bin, weiß jeder wer ich bin. Dass du es nicht wusstest, war eine willkomme Abwechslung. Ich wollte dich nicht anfahren." Seine Worte klangen aufrichtig. Ich lehnte mich an den Küchenschrank. Hinter mir war das Fenster. Der Mond schenkte in dieser finsteren Nacht etwas Licht und erhellte somit meine Küche. Ich sah Ravyn an. Seine Augen schienen von innen heraus zu leuchten oder wie eine Katze das Licht des Mondes zu reflektieren. "In Ordnung" sagte ich dann. "Was führt dich eigentlich zu mir? Ich kann mir vorstellen, dass du besseres zu tun hast." Er schmunzelte. "Ich wollte dich wiedersehen." Ich verschluckte mich bei diesen Worten an meinem nächsten Schluck Milch. Hustend stellte ich das Glas weg und musste mich erstmal wieder einkriegen. Er wollte mich wiedersehen? Das konnte doch nicht wahr sein. Also war dieser Blick beim Essen zusammen mit seinen Eltern doch mehr gewesen als nur ein einfaches ansehen. Ich war mir dabei nicht so ganz sicher gewesen.

Vampirchroniken - Erbe der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt