Kapitel 12

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"Ja, ich weiß. Wir können uns nicht ewig verstecken" sagte ich zum Drachenkönig Rajaion. Leaena war mit dabei, aber bis jetzt hatte sie nichts gesagt. Sie schien jedoch zu grübeln. Seitdem sie als Königin von den Ältesten akzeptiert worden war, waren zwei Tage vergangen.
"Und wenn wir noch andere Völker auf unsere Seite ziehen?" fragte sie plötzlich und hatte meine und Rajaions Aufmerksamkeit.
"Das haben wir schon in Betracht gezogen, doch wir glauben, dass es keinen Erfolg haben wird" sagte er.
"Habt ihr es versucht?" fragte sie dann.
"Nein" antwortete ich ihr. Sie schwieg wieder und ich sah sie erwartungsvoll an.
"Wen hast du denn im Sinn mein Vögelchen?" fragte ich nach einem Moment der Ruhe.
"Gerade die, die den Trollen geholfen haben. Während meiner Zeit in der Bibliothek ist mir oft zu Ohren gekommen, dass die Elfen das ganze nicht freiwillig so mit gemacht haben. Ich bin mir fast sicher, dass ich sie vielleicht mit ins Boot holen könnte" meinte sie und sah dabei Rajaion aufmerksam an, aus dessen Nase eine Rauchwolke kam. "Sie haben uns hintergangen" brummte er missmutig. "Sehr früh haben sie sich gegen uns gestellt."
Ich sah meiner Gefährtin an der Nasenspitze an, dass sie auch ohne meine Zustimmung handeln würde. "Leaena..." murmelte ich. "Was muss ich tun, damit ich dir die Idee austreiben kann?"
"Eine Entführung reicht mir eigentlich, ich will da nicht nochmal durch" meinte sie nüchtern.
"Entführung?" fragte Rajaion verwirrt, weshalb ich ihm kurz und knapp erklärte, was passiert war. "Verstehe. Die Idee mit weiteren auf unsere Seite ziehen ist ja ganz gut, nur müssen wir uns überlegen, wen wir auf unsere Seite ziehen wollen" meinte er dann.
"Nur nicht zu lange warten" meinte meine Gefährtin. "Ich habe das Gefühl der große Knall kommt noch und dass da mehr involviert sein werden. Vielleicht könnten wir ja einige Werwesen auf unsere Seite ziehen. Ich weiß, dass jede Rasse einen König hat und die einzelnen als Stämme Leben, die von Alphas geführt werden. Die Werwölfe folgen dem stärkeren, die Werkatzen entscheiden sich für die Seite die aus ihrer Sicht gewinnen kann. Wie es die Wervögel handhaben habe ich keine Ahnung."
Rajaion nickte anerkennend. "Du hast wirklich eine vortreffliche Wahl getroffen Ravyn" lobte er. "Dein Wissen wird uns noch sehr nützlich sein. Ich denke wir fangen mit den Werwölfen an. Meinst du du kannst etwas zu den Vögeln heraus bekommen, Leaena?"
Sie schien kurz perplex zu sein. "Ich kann es versuchen" meinte sie dann.

"Es kommt selten vor, dass man Rajaion beeindrucken kann" bemerkte ich, als wir das Anwesen der Drachen verließen. "Ich versuche nur zu helfen" meinte Lea verlegen. "Und das machst du wundervoll" sagte ich und gab ihr einen flüchtigen Kuss. "Komm gehen wir, bevor die Sonne aufgeht" meinte ich dann und wir teleportierten uns zurück zum Schloss. Vor dem Schloss angekommen stand dort die komplette Königsgarde. Inzwischen wussten alle, dass der Vater meiner Gefährtin Kayrim Caradhras war und anscheinend nahmen sie das nun zum Anlass ihr auf eine besondere Weise die Treue zu schwören. Der Hauptmann der Garde war Marc, ein hochgewachsener Vampir mit orangeroten Augen und dunkelblonden Haaren. Allein schon von seiner Erscheinung her war er furchteinflößend. Das fand wohl auch Lea, die wohl jeden Moment wie ein verschrecktes Vögelchen flüchten würde.
"Königin Leaena. In Gedenken an Euren Vater möchten wir Euch sein Schwert überreichen" sagte Marc. Er und die anderen knieten sich zeitgleich hin, senkten die Köpfe und Marc bot ihr Kayrims Schwert dar. Ich wusste nicht einmal, dass sie es aufbewahrt hatten. Ich hatte immer gedacht, dieses Schwert war eingeschmolzen worden. Und es war seins. Ich erkannte die feine Gravur auf der Schwertscheide. Sowohl die Schwertscheide als auch der Anderthalbhänder waren aus Mitternachtsblauem Drachenstahl, wobei ich nicht wusste wo man den her bekam. Kayrim hatte das Schwert als Dank dafür erhalten die damalige Drachenprinzessin beschützt zu haben. Demnach waren auch Drachenornamente an der Schwertscheide angebracht.
Zögernd nahm Leaena das Schwert an und ließ es beinahe fallen, da sie wohl nicht mit dem Gewicht gerechnet hatte. "Danke" war das einzige, was meine Gefährtin gerade zu stande brachte. Die Garde erhob sich und verbeugte sich noch einmal, bevor sie uns hinein begleiteten. Ich ließ das Schwert erstmal in mein Zimmer bringen und Lea und ich aßen noch etwas, bevor wir uns in meinem Zimmer schlafen legten. Ich fand allerdings keinen Schlaf. Mein Blick ruhte auf dem Schwert meines ehemals besten Freundes, während ich seine Tochter im Arm hielt.

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