Kapitel 2

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In den nächsten Tagen war alles am Tag völlig normal. Ich ging meiner Arbeit nach wie immer. Die Nächte hingegen hatten sich verändert. Ich träumte jetzt nicht mehr nur vom Blut trinken und beißen, sondern immer öfter tauchte Ravyn in meinen Träumen auf. Ich verstand dies nicht. Warum zum Henker träumte ich von diesem - unglaublich heißen - Vampir? Ich verstand das absolut nicht. Ich wollte aber auch nicht zu einem dieser Traumdeuter gehen, denn es war allgemein bekannt, dass die meisten einem einfach nur das Geld aus den Taschen zogen.
Ich verließ mit als eine der letzten die Bibliothek, da wir heute eine große Inventur gemacht hatten und die nahm immer viel Zeit in Anspruch. Ich sah auf die Uhr. 22 Uhr zeigten die Zahlen an. Ich ging nach Hause. Ich war total fertig für heute.
Ich wollte gerade die Haustür aufschließen, als ich drei Schüsse hörte. Ich sah mich erschrocken um. Mein Verstand schrie mich an, dass ich mich schleunigst in meine Wohnung verziehen sollte, der Körper reagierte aber nicht darauf. Ich ging schleichend in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren. Toll Lea, jeder normale Mensch sieht zu dass er verschwindet, wenn er Schüsse hört. Du gehst direkt hin, du bist verrückt!, dachte ich und sah mich um. Mitten in einer Sackgasse lag neben Mülltonnen, jeder Menge Papier und Sperrmüll eine Person am Boden. Erst als ich näher trat konnte ich mehr erkennen trotz des spärlichen Lichts. Ravyn! Nein das kann nicht sein!, schoss es mir durch den Kopf. "Hallo?" fragte ich und hockte mich neben die Person und drehte sie vorsichtig um. Tatsächlich, das ist Ravyn! Was macht er hier? Offensichtlich war er verletzt. Mehrere dunkle Flecken konnte ich auf dem hellen Hemd erkennen. "Hey, hörst du mich? Aufwachen!" sagte ich und versuchte ihn wach zu bekommen. Seine Augenlider flatterten und ich hoffte er wurde wach, denn ich wusste sonst nicht weiter. Ich konnte kaputte Bücher wieder heil machen, aber Lebewesen waren keine Bücher. Ravyn sagte irgendwas, aber ich verstand ihn nicht, da er sehr leise sprach und ich die Sprache auch nicht kannte. "Kannst du aufstehen? Und laufen? Hey bleib wach, nicht die Augen schließen, Verdammt noch mal!" rief ich und rüttelte ihn. "Lea... Ena" murmelte er schwach. Ich sah mich um. Von hier aus war es nicht weit bis zu mir, aber wie sollte ich ihn hier weg bekommen? Er war mit Sicherheit wesentlich schwerer als ich und ich war keine Ameise. "Verschwinde... Von... Hier" sagte er schwach. Ich sah ihn an. "Und dich hier sterben lassen? Entschuldige, aber so herzlos bin ich nicht" sagte ich. "Versuch aufzustehen. Ich kann dich schlecht bis zu mir tragen." Die dunklen Flecken wurden größer. Hatten Vampire nicht starke Selbstheilungskräfte? Was war los mit ihm? Und wer hatte geschossen? Ravyn versuchte aufzustehen, aber ich sah schon, dass er kaum noch Kraft hatte. "Lass... Mich... Zurück" befahl er mir, worauf hin ich heftig mit dem Kopf schüttelte. "Nein, du kommst mit. Ich lasse dich nicht sterben, Ravyn!" Ich half ihm mit einiger Mühe auf die Beine. Er stützte sich stark auf mir ab, aber so kamen wir wenigstens zu meiner Wohnung.
Dort angekommen verfrachtete ich ihn auf mein kleines Sofa, welches er komplett einnahm. Ich schloss schon mal jetzt vorsorglich alle Vorhänge und Rollläden, schließlich vertrugen Vampire ja kein Sonnenlicht. Der Vampir in meiner Wohnung hatte schon wieder das Bewusstsein verloren. Im Licht meiner Deckenlampe betrachtete ich mir die Verletzungen des Vampirs. Er hatte drei stark blutende Wunden. Ich versuchte verzweifelt dafür zu sorgen, dass er mir hier nicht verblutete, aber mehr als Verbände auf die Wunden drücken konnte ich nicht.
Gib mir etwas von deinem Blut, ertönte eine dunkle rauchige Stimme in meinem Kopf. Ich sah mich trotzdem verwundert um. Woher kam die denn?
Leaena gib mir etwas von deinem Blut. Wenn du mich wirklich retten willst, ist das der einzige Weg Jetzt erkannte ich diese Stimme. Das war Ravyn.
"Wie soll ich dir denn..." setzte ich an.
Ritz ganz leicht die Pulsader auf am Handgelenk und halt es mir an den Mund, den Rest mache ich von selbst
Meinte er das etwa ernst. Dann würde ich ja verbluten, oder? Zum anderen hörte man kaum etwas davon dass die Blutopfer der Vampire starben. Ich schauderte und ging mir etwas zum Pieksen holen. Tat ich das gerade wirklich? Ich glaubte es kaum. Ich gab jemand mein Blut. Ich hockte mich neben ihm hin und sah mein rechtes Handgelenk an. "Das ist doch krank" sagte ich.
Willst du mir nun helfen oder nicht? Das ist der einzige Weg.
Ich sah ihn an. "Absolut verrückt" sagte ich und stach mir leicht in die Pulsader am Handgelenk. Sofort hielt ich ihm meinen blutenden Arm an den Mund. Die ersten Sekunden tat sich nichts. Dann als hätte er in die Steckdose gegriffen, zuckte er biss mir mit seinen Fangzähnen ins Handgelenk und saugte mein Blut. Ich fühlte mich in einen meiner Träume versetzt, nur dass er es war der mein Blut saugte, und nicht ich seins - wie es in den letzten Träumen gewesen war. Er trank ganze fünf Minuten von mir. Erstaunt sah ich den Wunden zu, wie sie sich schlossen und sich auf eine eklige Weise drei Kugeln herausstülpten. Gegen Ende verschleiert sich meine Sicht. Ich fühlte noch, wie er seine Zähne aus mir zog und über die Wunde leckte, dann fiel auch schon mein Kopf an seine Schulter und alles wurde schwarz um mich.

Vampirchroniken - Erbe der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt