Kapitel 5

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Ich wachte auf und merkte schon, dass das nicht mein Bett war, in dem ich lag. Erstens war dieses Bett hier wesentlich weicher als meins und zweitens roch das Bett nicht nach mir. Ich sog den Geruch ein. Ravyn, dachte ich. Dann merkte ich ein Gewicht auf meiner Hüfte und eine wohlige Wärme um mich herum. Fast genau so wie das Gefühl, was mir gezeigt hatte, dass Ravyn und sein Vater dort in der Spalte gewesen waren. Ich schlug die Augen auf und gab einen erschreckten Schrei von mir als eine junge Frau vor mir stand. Sie war komplett in schwarz gekleidet und hatte eine weiße Schürze um. Die rotbraunen Haare fielen ihr elegant auf die Schultern und rahmten ihr schmales Gesicht ein. Die grünen Augen sahen mich entschuldigend an. Hinter mir hatte etwas gezuckt und das Gewicht auf meiner Hüfte stellte sich als Arm heraus, der mich an das Etwas hinter mir zog, in genau dem Moment, als ich erschrocken aufgeschrien hatte. "Was ist denn los?" fragte eine dunkle Stimme hinter mir. Jetzt klang sie nicht rauchige, sondern rau. "Entschuldigt, ich wollte euch nicht erschrecken" sagte die Frau mit freundlicher und ruhiger Stimme. "Emmy, geh jemand anders auf den Geist" sagte Ravyn hinter mir verschlafen. "Aber euer Vater schickt mich..." murmelte sie. "Er weiß doch, dass ich es nicht haben kann, wenn ich geweckt werde" erwiderte Ravyn, der mich wieder bis zur Schulter zudeckte. So fürsorglich, dachte ich. "Dann warten wir noch mit dem Frühstück" "Nein, sie können ruhig schon essen. Und jetzt raus." Emmy verbeugte sich und ging beinahe lautlos aus dem Raum. Ich ließ den Blick wandern. Das war also Ravyns Zimmer. Ziemlich spärlich eingerichtet, zumindest was ich so sah und das war nur ein einfacher Kleiderschrank, ohne mich zu bewegen. Ich war mir gerade die Nähe zu ihm nur all zu bewusst. "Du musst dich nicht verkrampfen, ich mach gar nichts" sagte er dann. "Für mich fühlt sich das eher wie kuscheln an, was du da machst, mein Lieber" antwortete ich und sah zu ihm über meine Schulter. Sein eisblauer Blick traf meinen blaugrauen. Ich fand seine Augen so faszinierend und wunderschön. Trotzdem zog ich den Kopf weg, als er mich küssen wollte. Nein, das ist nicht richtig. Er ist nichts für mich, versuchte ich mir einzureden, doch es klappte nicht wirklich. Jedoch entspannte ich mich etwas und so auch er. Es war schön so neben ihn. Er riecht so gut, schoss es mir durch den Kopf. Er roch an mir, zumindest nahm ich das an, als ich seinen Atem an meinem Hals spürte. Eigentlich sollte ich aus diesem Moment fliehen, versuchen zu entkommen. Doch wohin denn und außerdem fand ich es schön so bei ihm beschützt zu sein. "Meinst du nicht, wir sollten was essen? Ich bin so hungrig, ich könnte einen ganzen Berg verspeisen!" Ich hörte ihn leise lachen. "Das will ich sehen. Aber in Ordnung, gehen wir essen."

Das Frühstück war einfach, aber sehr lecker. Es gab Semmeln, von herzhaft bis süß waren dem Geschmack keine Grenzen gesetzt. Dazu konnte man sich zwischen Kaffee, Saft und Milch zum trinken entscheiden. Jeder hatte in einem niedlichem Eierbecher ein Frühstücksei. Das hier war eindeutig der Himmel auf Erden, was das Frühstück anging.

"Schmeckt's, Leaena?" fragte mich Ravyn. Ich nickte und mir lief etwas Eigelb aus dem Mundwinkel. Das Frühstücksei war genau so, wie ich es am liebsten hatte. Das innere noch fast flüssig, das Eiweiß schön fest. Ich wischte mir das Eigelb weg. "Esst ihr immer so?" fragte ich. Ravyn schüttelte lachend den Kopf und auch seine Eltern schmunzelten.
"Erst rettest du meinen Sohn, nun noch meinen Mann und Gefährten. Wir sind dir unglaublich dankbar und stehen tief in deiner Schuld" sagte Ravyns Mutter. Sie lächelte mich dankbar an. Ich wusste damit nur nichts anzufangen. "Bleib doch einfach eine Weile bei uns. Ich denke Ravyn hat da sicherlich nichts gegen" meinte sie dann mit einem schmunzelnden Blick zu ihrem Sohn. Etwas verwirrt stimmte ich zu.

Die folgenden Tage lernte ich viel über mein Volk kennen. Die Freundschaft zwischen mir und Ravyn wurde stärker. Ebenso waren seine Eltern anders, als man sich eine königliche Familie vorstellte. Man dachte da eher an strenge Ordnung, dass kaum gelacht wurde. Genau das war es aber nicht. Ich lachte viel, auch in Anwesenheit der Eltern. Nur wenn jemand mit schlechten Nachrichten rein kam, verschwand die gute Laune. In solchen Momenten ließ ich die Familie unter sich und erkundete erst den Palast. In der Bibliothek musste ich momentan nicht arbeiten, wegen den letzten Vorkommnissen. Ich machte mir sorgen, wie sollte es weiter gehen mit mir?

Es kam da der Moment, dass ich noch draußen war, als die Sonne aufging. Ich war nicht lichtempfindlich, ich wurde nur sehr müde im Sonnenlicht. Und ich wurde immer hungriger, normales Essen war zwar magenfüllend, doch ich wurde nicht wirklich satt. Dazu spannten meine Brüste. Von meinen wilden Träumen wollte ich erst gar nicht sprechen. Ich sah zur Sonne. Schon bald würde sie für mich giftig sein. Naja nicht giftig, aber ich würde verbrennen. Ich wollte die letzten Male genießen, denn ein Sonnenaufgang war etwas wirklich schönes. "Lea! Komm bitte rein!" hörte ich Ravyn aus der Ferne rufen. Ich wollte nicht, aber ich stand auf und wollte rein gehen, als ich ein Stechen im Rücken spürte. Ich schrie selbst auf und fiel zu Boden. Dumpf hörte ich noch etwas, dann wurde alles schwarz um mich.

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