KAPITEL 5.2

31 2 0
                                    

Als die Sonne auch noch um 8 Uhr am Horizont steht, beschließe ich nach draußen in den Garten zu gehen. Dort setze ich mich auf die rustikale Hollywoodschaukel, deren weiße Lackierung schon langsam abblättert. Die Polsterauflagen sind hellblau und lassen alles märchenhaft wirken. Die Rosensträucher daneben vollenden das Bild.

Ich lasse den Blick über die verschiedensten Blumenarten schweifen. Jo liebt Gartenarbeit genauso sehr wie ich. Als ich noch in meinem alten Haus gewohnt habe, war mein Garten auch voller Blumen, Sträucher und Zierbäumen. Gärtnern hat mich immer beruhigt. Dabei habe ich immer ausgesehn, wie in den 60er Jaren. Mit Latzhose und Strohhut. Hale hat mich deswegen immer mehr oder weniger aufgezogen aber daran will ich jetzt nicht denken.

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sich auf die kleine Akazie, die vor dem hellbraunen Holzzaun steht, ein Kardinal gesetzt hat, der nun fröhlich vor sich hinzwitschert. Vollkommen eins mit der Natur lehne ich mich zurück und genieße das laue Lüftchen das nun aufzieht. Ich schließe meine Augen und schaukle vor und zurück.

Kurze Zeit später Pepper kommt um die Ecke gestürmt und bleibt zu meinen Füßen liegen. Ich schlüpfe aus meinen Hausschuhen und streichle ihm zur Begrüßung mit meinen Zehen über das Fell. Er dreht seinen Kopf zu mir und lächelt mich mit ausgestreckter Zunge an.
>>Na, mein Großer?<<, spreche ich mit ihm. Anders, als viele andere, rede ich nicht mit ihm, als wäre er ein Kleinkind.
Daraufhin bellt er bloß und wedelt mit seinem Schwanz. >>Ich wünschte wirklich, dass ich dich verstehen könnte. Du hättest bestimmt viel zu erzählen.<<
Wenn ich wieder selbst auf meinen Beinen stehe, werde ich mir auch einen Hund zulegen. Als ich noch bei meinen Eltern gelebt habe, hatten wir bloß 10 Hühner und einen Hahn, den ich Ludwig getauft hatte. Hunde waren da nicht so gerne gesehen.

Ich höre, wie die Schiebetür ächzend aufgeschoben wird. Jo schlendert zu mir rüber und setzt sich neben mich auf die Schaukel. >>Das war vielleicht ein Tag<<, seufzt sie.
>>Das kannst du laut sagen.<<
Sie blickt mich mit müdem Gesichtsausdruck an und sagt: >>Wegen dem, was ich getan habe, habe ich immer noch ein schlechtes Gewissen. Ich dachte wirklich, das ich das Richtige tue. Aber ich hätte dich nicht im Stich lassen dürfen. Schon gar nicht heute, wo du doch nicht mitkommen wolltest.<<
>>Ich habe dir doch schon vergeben. Und wie mir scheint, hast du ja das Richtige getan. Ohne diese höchst bescheuerte Aktion hätte ich Ciaran nie so kennengelernt geschweige denn ihn überhaupt getroffen.<<
>>Ich kann es trotzdem nicht verstehen, dass du mir so einfach verzeihst. Du hast nicht zufällig eine perfide Racheaktion geplant?<<
Ich lache. >>Nein, überhaupt nicht. Ich wollte noch einmal neu beginnen und damit hast du mir prima geholfen. Du hast mein Gejammere einen knappe Monat ertragen und hast mir dann wieder auf die Beine geholfen. So etwas hat noch nie jemand für mich getan. Und das meine ich ernst. Danke, Jo.<<
>>Ooh, ich werde ja noch ganz rot<<, scherzt sie, >>ich will eben immer nur dein Bestes.<<
>>Das weiß ich doch. Nur zeigst du das manchmal auf eine echt bizarre und verquere Art und Weise<<, sage ich und beuge mich zu ihr rüber um sie zu umarmen. Sie erwidert meine Umarmung und lacht dabei.
>>Ich bin eben was Besonderes<<, kichert sie.
>>Ja, das bist du tatsächlich.<<

Später, als ich in mein Zimmer trete, benutze ich noch meinen Laptop. Ich setze mich auf die bepolsterte Bank, die vor das Fenster in die Wand eingelassen ist und checke meine Mails. Ich gehe nicht davon aus, dass Ciaran mir schon geschrieben hätte und so ist das auch. Ich sehe unten in der Leiste, dass ich W-LAN empfange, schwach, aber immerhin.
Ich nehme den Zettel, auf dem Ciarans Nummer steht und schnappe mir mein Handy. Ich erstelle für ihn einen neuen Kontakt und setze hinter seinen Namen ein Sternchen. Warum weiß ich selber nicht so genau. Vielleicht, weil ich nicht wie ein Teenager Herzchen tippen will? Aber sind Sterne erwachsener?
Egal, ich belasse es bei dem Sternchen.

Ich öffne ChatApp und sehe, dass er dort ebenfalls angemeldet ist. Sein Profilbild sieht verdammt heiß aus. Ich zögere und tippe dann auf das Bild um es zu vergrößern. Ciaran ist darauf mit einer schwarzen Yamaha zu sehen. Im Hintergrund kann man noch einen blau-grünen See und mit Bäumen bewachsene Hügel erkennen. Die Kulisse sieht so traumhaft schön aus. Bei Gelegenheit muss ich ihn darauf ansprechen. Aber würde das dann spannerhaft rüberkommen? Ich verwerfe den Gedanken, denn er hat mir ja seine Nummer persönlich gegeben. Dann ist das also beschlossene Sache.
Als ich von dem Foto genug bekommen habe, lese ich mir seinen Status durch: On the Road. Ich weiß nicht warum, aber mein Herz geht schneller und ich muss grinsen.
Ich schnappe mir ein Kissen stütze mich darauf ab.

Mein Grinsen weicht schnell einer Grimasse, als ich an mein Profilbild denke. Behutsam lasse ich mein Handy auf die Matratze fallen und fische nach meinem Laptop.
Ich ziehe ihn zu mir heran und klicke auf Profil bearbeiten. Mein derzeitiges Bild, das bei den Mails angezeigt wird, ist nicht gerade ein Hingucker. Zu sehen bin ich mit zwei geflochtenen Zöpfen, Strohhut und einem hellblauen Kleid, auf dem lauter kleine Blumen zu sehen sind. Das wäre nicht schlimm gewesen, aber die Pose, die ich da gerade gemacht habe, ist einfach nur peinlich. Ich strecke einen Fuß und beide Arme von mir, halte in der einen Hand eine Gießkanne und grinse so breit wie nur irgendwie möglich in die Kamera. Vor acht Wochen hat mir das Bild noch gefallen, jetzt eigentlich auch noch, aber ich will nicht, dass Ciaran mich so sieht. Er soll mich nachher noch ernst nehmen können und das Bild trägt nicht gerade viel dazu bei. Mich so vor meinen Freunden zu zeigen ist kein Problem, aber Ciaran soll nocht gleich am Anfang unserer Freundschaft mit dem konfrontiert werden.

Gerade als ich auf Löschen klicken will, bekomme ich eine Nachricht.
Bitte nicht von ihm. Bitte nicht von ihm.
Ich schließe kurz die Augen und bewege dann den Mauszeiger zu dem Posteingang.

High AboveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt