Schlafen

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Ich hatte nicht vor aufzumachen. Keines Falls. Desto penetranter das Klingeln und Klopfen wurde, desto lieber hörte ich diesem zu. Ich hatte alles in der Hand. Dieses Klopfen war so erfüllend für mich. Sie wollen einschreiten, doch sie können nicht. Meine Mauer beschützt mich. Sie haben keine andere Wahl, sie kommen nicht rein.
Immer noch mit der Orangefarbenen Dose in der Hand, lehnte ich an der Wand. Das Klopfen wurde unregelmäßiger, bis es verstummte. Ich hatte es geschafft. Jetzt ist es vorbei.
Ich atmete tief ein.
Ist es nicht einwenig traurig?
Zu gehen, ohne sich verabschiedet zu haben?
Zu sterben, nachdem Rewi und ich streit hatten?
Sie nie wieder zu sehen?
Ich hatte keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen.
Ich hatte nur eine Chance.
Eine Chance die jetzt genutzt werden musste.
Es musste sein.
Es musste sein.
Ich öffnete die Dose.
Jetzt.
Jetzt.
Ich ging in die Küche und öffnete eine Wasserflasche.
Los.
Der Komplette Doseninhalt befand sich im nächsten Moment in meinem Mund, mit etwas Wasser schluckte ich jede einzelne Pille runter.
Schwer atmend stützte ich mich an der Theke ab.
Eine oder zwei Tränen tropften auf das Holz. Vielleicht auch Tausende.
Es gab kein zurück.
Das einzige was ich gerade wollte war ganz schnell einschlafen.
Schnell alles hinter mir haben.
Für immer schlafen.
Nie wieder die Augen öffnen.
Nie wieder Stimmen hören.
Bis in die Unendlichkeit schlafen.
Nie wieder in der Realität leben.

Ein klicken ließ mich aufschrecken. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und drehte mich um.
Dann öffnete sich meine Haustür und ich hörte Schritte.
,,Felix?",rief Rewi.
Er trat in die Küche und sah mich verwirrt an.
,,Wieso hast du nicht aufgemacht?",fragte er.
,,Ich.. Habs nicht gehört",antwortete ich.
,,Ist das dein Ernst?",fragte Rewi ungläubig und kam näher.
,,Klar",bestätigte ich meine Lüge.
,,Ist alles okay bei dir?",harkte er nach.
,,Klar",antwortete ich.
,,Felix deine Augen sind komplett rot, hast du gekifft?",Rewi zog eine Augen braue hoch.
Ich schüttelte den Kopf.
,,Sorry wegen heute morgen",entschuldigte er sich.
,,Ist okay",sagte ich und stützte mich an der Theke ab.
Meine Knochen fühlten sich weich an.
Mein Kopf brummte.
Ich hielt es nicht aus mich mit Rewi zu unterhalten, mit dem gewissen das es dass letzte Gespräch war.
Ich konnte Rewi nicht in die Augen sehen, ich fühlte mich schuldig, wie ein Verräter. Wie konnte ich so ein Freund sein.
,,Felix?",wiederholte er wohl meinen Namen. Ich blickte auf.
,,Du, ist wirklich alles okay?",fragte er sanft. Ich nickte wieder.
Die Wörter blieben mir im Hals stecken.
,,Okay, ich muss dann gehen, wir sehen uns später nh?",fragte er.
Ich nickte. Ich log.
Ich spürte wie es in mir brannte.
Mir war schlecht, ich war müde und ich wollte nicht das Rewi geht.
Ich würde am liebsten auf ihn zu rennen und ihn umarmen.
Schreien:,,Bitte rette mich, ich sterbe"
Aber ich konnte nicht.
Ich konnte nicht mehr leben.
Es war vorbei.
Ich muss jetzt sterben.
Sonst muss ich für immer kurz vorm sterben sein.
Ich kann nicht mehr.
Trotzdem konnte ich meinen einzigen Besten Freund nicht einfach mit einem
'bis später', gehen lassen.
,,Danke",sagte ich leise.
,,Wofür?",fragte er
,,Alles, danke dass du so ein guter Freund warst",lächelte ich.
,,Bist, ein guter Freund bist, Felix, ich lebe noch",korrigierte er mich.
Aber ich lebe nicht mehr.
,,Ja, stimmt",nickte ich.
,,Kein Problem",sagte Rewi und ging aus dem Raum.
,,Bis später",rief ich ihm noch hinterher, ehe die Tür ins Schloss fiel.

Meine Beine gaben nach und ich fiel auf den Boden. Die Kraft verließ mich.
Alles um mich rum wurde still.
Wie Unterwasser wurde alles dumpf.
Vor meinen Augen erschienen schwarze Punkte.
Ich bin so schwach.
So armselig.
Wie meine Mutter laufe ich weg, lasse
die anderen einfach mit einem ,wir sehen uns wieder, zurück. Ich lüge.
Bin nicht besser als meine Mutter.
Bin nicht besser als mein Vater.
Bin ein Versager, ein Feigling, schwach, aggressiv, ein Lügner.
Das einzige was mich von ihnen Unterscheidet ist dass ich tot bin.
Ich bringe mich um, denn ich komme nicht damit klar, derjenige zu sein, der ich bin. Ich bringe mich um.
Ich werde gleich einschlafen.
Für immer.
Nach 7 Jahren raus aus dem Loch.
Ich sollte lächeln,
wieso lächle ich nicht?

Fassade | Felix HardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt