Fassade.

688 52 3
                                    

Kraftlos stützte ich mich vom Boden auf. Begab mich ins Badezimmer und fühlte mich fremd. Fremd aufgrund des Spiegelbildes, welches nicht mich zeigte.
Es zeigte die Hülle eines toten. So kalt, leblos und müde. Ein wunder das die Hülle noch nicht verwesen war, immerhin war das innere seit Jahren tot.
So unentschlossen setzte ich mich vor meinem Computer. Machte ihn jedoch nicht an. Betrachtete bloß die Spiegelung auf dem Schwarzen Bildschirm. Reflektiere stumm in Gedanken, das was sich auf diesem Bildschirm ereignete. YouTube.
Ein Versuch ein Leben auf zu bauen. Ich weiß nicht mehr wie ich darauf kam. Nachdem ich hier eingezogen war, beschloss ich diesen Schritt. Ich begann mich in meinem Neuen Leben einzufinden. Baute mir meine Fassade auf. Stein auf Stein, eine Feste Wand, die undurchdringlich schien. Doch was heißt das schon? Die Titanic sollte schließlich auch unsinkbar sein.
Vielleicht war mein Leben selbst die Titanic. Vielleicht hatte ich zu große Erwartungen an mein Leben. Unsinkbar. Zu große Erwartungen. Zu hohe Ansprüche. Ich war zu unvorsichtig und sank. Sank obwohl unsinkbar schien. Nein, ich sank da ich unsinkbar sein wollte.
Ich reflektierte meine ersten Freunde.
Rewi, Dner, Izzi, Petrit und all die anderen YouTuber. Freunde oder Kollegen, so erfahren war ich auf diesem Gebiet nicht.
Mit dem Glauben das meine Fassade unzerstörbar sei, freundete ich mich mit diesen Menschen an.
Doch meine Fassade war nicht unzerstörbar. Ich will nicht sagen das ich schlecht darin war sie aufrecht zu erhalten, zunächst. Sie war eine Fassade, die meine Vergangenheit, Narben und Gedanken versteckte.
Eine Fassade die eine Mauer um meinen Kopf bildete, in dem ich letztendlich lebte. Sie schien zunächst Sicher, sie war auch Sicher, ungefähr anderthalb Jahre lang. Dann wurde die Mauer zu hoch, die Fassade zu schwer. Ich musste einen Teil zerstören um meine Narben, meine Gedanken und meinen Wunsch zu sterben weiterhin dahinter zu verstecken. Ich musste meine Vergangenheit bekannt geben. Was ein fataler Fehler war. Denn die Vergangenheit ist ein Schatten. Eine Fundament. Alles ist darauf aufgebaut. Die ersten Steine meiner Fassade versteckten meine Vergangenheit. Mir wurde zu spät bewusst, das ohne diese Steine, dieses Fundament, alles zusammenbrechen würde. Alles war auf die Verleugnung meiner Vergangenheit aufgebaut, würde diese Verleugnung fehlen, würde alles ans Licht kommen. Denn ich war nicht stark genug, meine Fassade, ohne das Fundament, aufrecht zu erhalten.
Meine größte Angst spielte sich vor meinen Augen ab. Die Angst vor Wahrheit.
Schon früh hatte ich gelernt, das Wahreit alles vernichtet. Jeden Plan. Ich wollte mir das Leben nehmen, doch das wusste mein Vater, er verhinderte es. Hätte ich damals eine Fassade gehabt, wäre ich längst tot. Doch ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Sollte der Versuch ein neues Leben zu beginnen scheitern, brauchte ich die Gewissheit es beenden zu können ohne das jemand einschreiten könnte. Und mein Leben wurde nicht normal. Ich hatte es nicht geschafft ohne Vergangenheit zu Leben. Ich brauchte eine Fassade und erschuf eine. Doch ich bin schwach. Konnte meine von Lügen überfüllte Fassade nicht halten.
Nun sehe ich zu wie sie bricht. Eine letzte Chance zu gehen, ehe es zu spät ist. Mit zitternder Hand ergriff ich den Kugelschreiber.

Rewi,
es tut mir leid. Es tut mir leid das ich es nicht geschafft habe mein Leben zu normalisieren, denn es ist schwierig ohne Vergangenheit zu leben. Ehe all die Wahrheit ans Licht kommt und ihr mich beobachtet, euch sorgen macht und mir die Chance nehmt alles beenden zu können, beende ich es. Es tut mir leid. Aber ich kann nicht mehr. Alles ist so schwer.
Ich danke euch. Für alles.
Ihr habt mir die letzten 2 Jahre erträglich gemacht. Doch nun ist die Fassade gebrochen.

Yo, yo,
Felix Hardy

Meine Hände falteten das Blattpapier vorsichtig. Ich schrieb noch 'Rewi' auf die obere Seite, dann ließ ich ihn auf dem Schreibtisch liegen.
Ich öffnete die Dose Schlaftabletten die ich per Zufall in meinem Schrank fand, als ich eine Klinge suchte. Ich setzte mich in den Flur und schüttete die Packung auf meine Hand.
Als ein Klingeln meine Tat unterbrach. Karma.

Fassade | Felix HardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt