Kapitel 16

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Sie musste im Schoß ihrer Großmutter eingeschlafen sein, bemerkte sie, als sie, umhüllt von einer kaum spürbaren Seidendecke in dem alten Mahagonischaukelstuhl aufwachte. Die Sonne strahlte schon in ihrer vollsten Pracht und es schien mächtig Trubel im Haus zu sein. Über ihr hörte sie Getrampel und in der Einfahrt stand ein Auto.

,,Shit!", rutschte es ihr heraus und sie sprang auf um direkt zur Tür zu hechten. Sie riss sie sperrangelweit auf und vernahm einen dumpfen Schlag. ,,Oh nein!", schrie sie. Auf dem Boden lag Emile. Aus einer Wunde an seiner rechten Schläfe tropfte Blut auf den Steinboden. Sofort kniete sie sich hin und wollte ihn versorgen.

Mit Schrecken bemerkte sie, dass er gepackt hatte. Ein Koffer stand schon in der Eingangstür und eine Tasche lag mitten in der Halle. Die hatte sie ihm wohl gerade aus der Hand geschlagen. Benommen öffnete er die Augen. ,,Du Bastard!", schimpfte er, ,,Musst du mich auch noch umbringen? Reicht es nicht das du mich betrügst?" Einerseits musste Jule lachen, weil er sie 'Bastard' genannt hatte. Andererseits könnte sie auf der Stelle wieder beginnen zu heulen, weil er anscheinend immer noch nicht verstanden hatte, dass in jener Nacht nichts passiert ist außer einem einzigen bedeutungslosen Kuss.

Wenn er doch nur verstehen könnte, dass es ihr leid tat. ,,Emile wann kapiert du es endlich! ICH LIEBE DICH! Seit dem ersten Tag ohne dich konnte ich an niemand anderen denken als an dich! Ich brauche dich!" Er drehte seine Kopf zur Seite. Charles kam gerade aus dem Nachbarzimmer und gab ihr ein Pflaster, das sie sogleich auf die Wunde legte. ,,Ich denke trotzdem, dass es besser ist wenn wir uns erst mal eine Zeit lang nicht mehr sehen. Ich muss das erst noch verarbeiten weißt du?"

Er richtete sich auf und gab Jule einen Kuss. Es war aber nicht so ein 'ich-liebe-dich-über-alles-mein-Stern-kuss' wie er sonst zelebrierte. Nein. Es war einfach nur ein Kuss. Jule blickte auf den Boden. Sie half ihm mit seiner Tasche und wollte ihn gerade noch einmal küssen, dich er drückte sie unsanft beiseite.

Sie wusste nicht was sie sagen sollte. Sie nicht ob sie überhaupt etwas sagen sollte. Was würde er nächste Woche machen? Ausziehen? Das konnte er nicht bringen. Sie würde nicht ohne ihn Leben können. Es wäre wie eine Insel ohne Palmen. Oder ein Haus ohne Tür. Oder eben einfach wie Jule ohne Emile. Der Gedanke machte sie ganz krank.

Da sie nichts anderes mit sich anzufangen wusste, ließ sie sich wieder einmal ein Bad ein. Ein wenig Entspannung konnte nun auf keinen Fall schaden. Sie schlüpfte aus ihren Klamotten, setzte sich in das schaumige, nach Pfirsich riechende Wasser und tauchte ihren Kopf unter.

Sommer im Lavendel | #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt