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Er.

Als ich schließlich die Stadt Mannheim erreichte, war die Dunkelheit bereits hereingebrochen, und die Straßenlaternen warfen lange Schatten über die stillen Straßen. Die Fahrt war lang gewesen, doch sie hatte mir die Möglichkeit gegeben, nachzudenken – über alles, was heute passiert war, und über Asia. Aber jetzt war ich hier, in einem Ort, der sich fast wie eine zweite Heimat anfühlte. Der Gedanke, meinen kleinen Neffen Ali wiederzusehen, brachte ein Lächeln auf mein Gesicht, auch wenn die Wut in mir immer noch loderte.

Ich parkte mein Auto vor der Garage und schnappte mir schnell das Geschenk – ein elektronisches Auto, das ich für Ali gekauft hatte. „Er wird ausflippen", dachte ich und schüttelte den Kopf, als ich an sein strahlendes Gesicht dachte. Ich klingelte an der Haustür, und fast sofort öffnete sich die Tür.

„Baran!" Cem, mein Schwager, stand da mit einem breiten Lächeln. Er zog mich sofort in eine herzliche Umarmung, die die Schwere des Tages für einen Moment von mir nahm.

Slav, Cem," murmelte ich, als ich mich von ihm löste und mich neugierig umsah. „Wo ist der kleine Şêr (Löwe)?" fragte ich, und Cem bemerkte mein suchendes Blicken.

„Deine Schwester holt ihn gerade aus dem Kindergarten ab," erklärte er mit einem Grinsen. „Keine Sorge, sie sind bald da. Setz dich doch, du siehst aus, als könntest du eine Pause gebrauchen."

Ich nickte nur dankbar und ließ mich schwer auf die Couch fallen. Meine Schultern fühlten sich wie Blei an, und die Müdigkeit drückte plötzlich auf mich nieder. Während Cem in die Küche verschwand, ließ ich meinen Blick durch das gemütliche Wohnzimmer gleiten. Die vertrauten Bilder an den Wänden, die warmen Farben – es war ein Ort der Ruhe, ein Kontrast zu dem Chaos, das in mir tobte. Meine Schwester wusste, dass ich direkt nach der Uni kommen würde, und das bedeutete normalerweise, dass das Essen bereits fertig war. Ich vertraute darauf, dass sie wie immer perfekt vorbereitet war.

Plötzlich hörte ich das Klicken der Tür und das Poltern kleiner Schritte. „Mamiiii, ku ye Baran Mamiii!" (Wo ist Baran, Mama!). Die Stimme meines kleinen Neffen war deutlich zu hören, und ich konnte mir sein aufgeregtes Gesicht schon vorstellen. Einen Moment später flog die Tür auf, und da war er – Ali, mein dreieinhalbjähriger Neffe, der sich hektisch versuchte, von seiner Jacke und den kleinen Turnschuhen zu befreien.

Apî!" (Onkel) rief er laut und rannte auf mich zu, kaum dass er seine Schuhe losgeworden war. Ich öffnete meine Arme und fing ihn auf, als er sich lachend auf meinen Schoß warf. Sein fröhliches Gesicht und die reine Freude in seinen Augen lösten ein warmes, ehrliches Lächeln in mir aus.

„Na, mein kleiner Şêr, wie geht's dir?" fragte ich und wuschelte ihm durch das weiche Haar, obwohl ich wusste, dass es ihm nichts ausmachte, wenn es dabei zerzaust wurde. Er lachte laut, sein kleines Gesicht strahlte vor Glück.

„Gut, Apî! Wo ist mein Auto?"

Ich lachte. Natürlich. Er wusste genau, warum ich da war. „Geduld, lawikê min (mein Junge)," sagte ich und setzte ihn vorsichtig ab. „Ich hab's dabei, aber erst nach dem Essen."

Ali kicherte und schmiegte sich noch einmal an meine Brust, bevor er aufsprang und durch das Zimmer rannte, als hätte er nie einen langen Tag im Kindergarten gehabt. Es gab nichts, was ihn davon abhalten konnte, sich voll und ganz ins Leben zu stürzen.

Meine Schwester tauchte schließlich in der Tür auf, lächelte mich an und sagte: „Lass ihn nicht so viel toben, Baran. Er wird sonst noch wilder, und dann wirst du ihn nicht mehr los." Sie schüttelte den Kopf, während sie Cem einen Kuss auf die Wange gab und dann zu mir sprach. „Dein Zimmer ist fertig, du kannst dich jederzeit hinlegen, wenn du willst."

Über Grenzen hinaus [eine türkisch-kurdische Liebesgeschichte]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt