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Die Tage vergingen und schließlich war Gwyneth wirklich schon einen ganzen Monat im Waldlandreich. Mit dem König hatte sie bisher nur zwei Mal gesprochen, wenn man von der Begrüßung einmal absah. Es schien ihn wirklich herzlich wenig zu interessieren, dass sie hier war und ehrlich gesagt war Gwyneth auch ein wenig froh darüber. Denn sie konnte den König nicht wirklich leiden. Er war kalt und arrogant und interessierte sich nicht für die Dinge außerhalb seines Reiches. Sein Sohn Legolas war auch nicht viel besser. Aber immerhin hatte Gwyneth in Tauriel eine gute Freundin gefunden. Gerade stand sie auf einem großen Balkon und sah über den Wald hinweg bis zum Langen See. Sie vermisste die Seestadt, auch wenn sie dort für den Bürgermeister arbeiten musste. Am allermeisten vermisste sie aber Thilda. Und Bain. ,,Du vermisst Esgaroth, nicht wahr?", hörte sie Tauriel hinter sich. ,,Ja, irgendwie schon", antwortete sie, ,,Auch wenn ich dort für den Bürgermeister arbeiten muss, ist dort doch meine Heimat. Und meine Freunde leben dort. Ich vermisse die kleine Thilda. Und Bain." ,,Bain?", fragte Tauriel neugierig und trat neben sie. ,,Er ist der Sohn des Kahnführers Bard, der mich hergebracht hat", erklärte Gwyneth, ,,Und er ist mein bester Freund." Sie hob ihren rechten Arm und betrachtete das Armband kurz. ,,Das hat er mir zusammen mit seiner kleinen Schwester Thilda zum Abschied geschenkt", erzählte sie lächelnd. Plötzlich stand Prinz Legolas hinter den beiden Freundinnen. ,,Gwyneth, mein Vater wartet im Thronsaal auf dich", sagte er, ,,Und wir müssen zur Patrouille, Tauriel." Gwyneth nickte, verbeugte sich kurz vor dem Prinzen und ging dann zum Thronsaal.
Nach ungefähr einer Stunde befand sie sich noch immer im Thronsaal und sprach mit König Thranduil, allerdings nur sehr wenig über den Handel zwischen der Seestadt und dem Waldlandreich, sondern mehr über andere, eigentlich unnötige Dinge, wie beispielsweise Wein. Der König liebte den Wein aus den Gärten Dorwinions und erzählte ihr eine Menge darüber. Doch es schien mehr ein Zeitvertreib zu sein. Denn eins wusste Gwyneth bereits: Der König hatte überhaupt keine Lust auf die Besprechung wegen dem Handel und fand diese eigentlich auch total unnötig. ,,Ich denke wir sollten auf das eigentliche Gesprächsthema zurückkommen", meinte Gwyneth und der König sah sie kurz schweigend an. ,,Du solltest wissen, dass diese jährliche Besprechung unnötig ist", sagte er schließlich, ,,Es ändert sich sowieso nichts und wenn doch, hat es weder Auswirkungen auf die Wirtschaft in meinem Reich noch auf die Wirtschaft Esgaroths. Für euch Menschen ist dies reine Zeitverschwendung." ,,Aber vielleicht könnte man die Handelsbedingungen so ändern, dass der Bürgermeister nicht das gesamte Geld, welches durch den Handel mit Eurem Reich verdient wird, an sich nimmt und dem Volk nichts bleibt", entgegnete Gwyneth. Thranduil musterte sie kurz. ,,Du bist klug, das muss man dir lassen, doch wird deine Idee an der Habgier des Bürgermeisters scheitern", sagte er, ,,Er wird dem Volk niemals etwas davon erzählen, den Brief mit den neuen Bedingungen verbrennen. Und dagegen tun kann ich dann auch nichts mehr, denn Esgaroth liegt nicht in meinen Landen." Langsam wurde Gwyneth wirklich wütend. Sie konnte das Handeln des Königs einfach nicht verstehen und schon gar nicht leiden. Bevor sie allerdings etwas sagen konnte, kam Legolas die Treppe zum Thronsaal hinauf und sagte etwas in Sindarin zu seinem Vater. Die einzigen Worte, die Gwyneth verstand, waren Zwerge und Wald, denn ihre Sindarinkenntnisse waren weder vollständig noch perfekt. ,,Ich muss dich bitten, vor dem Thronsaal zu warten, Gwyneth", sagte der König daraufhin zu Gwyneth, ,,Diese Angelegenheit ist von höchster Wichtigkeit." Gwyneth verbeugte sich und ging die Treppe hinunter. Zur selben Zeit wurden 13 Zwerge von ein paar Elbenkriegern die Treppe hochgebracht. Die meisten sahen sie teils mürrisch, teils erstaunt an. Einen Menschen hatten sie hier nicht erwartet. Die Kleidung der Zwerge war schmutzig und Spinnweben hingen daran, ebenso wie in ihren Haaren und Bärten. Offenbar wurden sie von den Riesenspinnen im Wald, von denen Tauriel erzählt hatte, angegriffen. Kurz herrschte Stille im Thronsaal, dann ergriff Thranduil das Wort. ,,Es ist lange her, dass Thorin Eichenschild so weit im Osten reiste", sagte er und seine Stimme triefte nur so von Arroganz, ,,Wo wird Eure Reise wohl enden?" Keiner der Zwerge sagte ein Wort. Hatte der Elbenkönig wirklich Thorin Eichenschild gesagt? ,,Bringt sie in die Kerker", befahl Thranduil, ,,Nur Eichenschild bleibt hier." Kurz darauf wurden zwölf wütende Zwerge die Treppe regelrecht hinuntergezogen. Viele wehrten sich, nur einige ältere Zwerge nicht. Nachdem die Zwölf weggebracht wurden herrschte wieder Stille im Thronsaal, bis Thranduil wieder das Wort ergriff. ,,Eure Reise mag den Anschein eines Ehrenziels haben", begann der Elbenkönig, ,,Ihr wollt Eure Heimat zurückerobern und einen Drachen töten. Ich selbst vermute hinter Eurem Handeln eher weniger edle Beweggründe. Ihr plant einen Diebstahl oder etwas dergleichen. Ihr habt einen Weg hinein gefunden. Ihr sucht, was Euch das Recht verleiht zu herrschen: Das Königsjuwel. Den Arkenstein. Er ist für Euch über alle Maßen wertvoll. Das verstehe ich." Gwyneth konnte das süffisante Lächeln auf den Lippen des Elbenkönigs beinahe vor sich sehen, als dieser die letzten Sätze sagte. ,,In diesem Berg gibt es auch Edelsteine die ich begehre. Weiße Steine aus reinem Sternenlicht", sagte Thranduil und die Begierde in seiner Stimme war nicht zu überhören, ,,Ich biete Euch meine Hilfe an." ,,Ich bin ganz Ohr", sagte eine tiefere Stimme. Das musste Thorin gewesen sein. ,,Ich werde Euch gehen lassen", fuhr Thranduil fort, ,,Wenn Ihr mir zurückgebt was mein ist." ,,Einen Gefallen für einen Gefallen", sagte Thorin und ging zum Rand der Treppe. Kurz musterte er Gwyneth, die nach wie vor am Fuß der Treppe stand. ,,Ich gebe Euch mein Wort", sagte Thranduil, ,,Von einem König zum anderen." ,,Ich glaube nicht, dass Thranduil, der große König, sein Wort hält, auch wenn uns das Ende aller Tage bevorstünde", entgegnete Thorin mit lauter Stimme und drehte sich wieder um, ,,Euch fehlt jegliche Ehre! Ich habe gesehen, wie Ihr Eure Freunde behandelt. Einst kamen wir zu Euch. Hunhernd. Heimatlos. Und baten um Eure Hilfe. Aber Ihr habt Euch abgewandt. Ihr habt keinerlei Anteil genommen am Leid meines Volkes und dem Inferno das uns vernichtet hat." Dann brüllte Thorin etwas auf zwergisch, was für Gwyneth verdächtig nach einer Beleidigung klang. Offenbar hatte Thranduil die Worte Thorins verstanden, denn nun war auch er ziemlich wütend. ,,Erzählt mir nichts vom Drachenfeuer. Ich weiß, wie wütend und tödlich es ist", fuhr der Elbenkönig Thorin an, ,,Ich kämpfte schon gegen die großen Feuerschlangen des Nordens." Kurz schwieg er. ,,Ich warnte Euren Großvater, was seine Gier hervorrufen würde", sprach Thranduil schließlich wieder ruhig weiter, ,,Doch er wollte nicht hören. Ihr seid genau wie er. Bleibt hier, wenn Ihr wollt und verfault. 100 Jahre sind nur ein Wimpernschlag im Leben eines Elben. Ich habe Geduld, ich kann warten." Kurz darauf wurde Thorin von zwei Wachen die Treppe hinunter gezerrt. Kurz sah er zu Gwyneth und in seinem Blick war deutlich ein Fragezeichen zu sehen. Er konnte sich noch immer nicht erklären, was eine junge Menschenfrau hier zu suchen hatte. Gwyneth sah ihm noch kurz hinterher. Irgendwie mochte sie diesen Zwerg, denn er war der erste, der dem König mal richtig die Meinung sagte. Zwar wusste sie, dass man das nicht unbedingt tun sollte, wenn man sein Untertan war, doch das war Thorin nicht und sie ebenfalls nicht. Allerdings zog sie es momentan vor, sich den König nicht zum Feind zu machen. ,,Gwyneth", ertönte Thranduils laute Stimme vom Thronsaal. Sie zuckte erschrocken zusammen und ging wieder die Treppe hoch zum Thronsaal hinauf. Thranduil saß immer noch, oder schon wieder, auf seinem Thron. ,,Also, wo waren wir stehengeblieben?", fragte der Elb, als sei nichts geschehen. Gwyneth hatte Mühe, sich daran zu hindern, die Augen zu verdrehen. ,,Bei der Besprechung wegen dem Handel", antwortete sie. Nach mehreren Stunden befand sie sich noch immer im Thronsaal und war einfach nur wütend auf den König. Er ignorierte das eigentliche Gesprächsthema vollkommen und sprach diesmal über das Fest der Sterne, welches an diesem Abend stattfand, wobei er sich gefühlt 1000 mal wiederholte. Zudem war das 'Gespräch' öfter von Legolas oder einer Wache unterbrochen worden. ,,Könnten wir bitte wieder über das eigentliche Thema sprechen?", fragte Gwyneth sichtlich genervt. ,,Langweilen dich meine Erzählungen?", fragte Thranduil unschuldig. Jetzt war Gwyneth' Geduldsfaden endgültig gerissen. ,,Tut doch nicht so, als ob Ihr es nicht wüsstet", fuhr sie den König wütend an, ,,Ihr sprecht über alles. Wirklich über alles. Nur nicht über das Thema, über das wir eigentlich sprechen sollten. Sagt mir doch einfach, dass es Euch überhaupt nicht interessiert. Euch interessiert doch sowieso nichts, was außerhalb Eures Reiches geschieht, doch ein paar unschuldige Zwerge einzusperren, nur weil sie den Wald durchqueren, ohne jemandem zu schaden, ist 'von höchster Wichtigkeit'. Und ich muss ehrlich sagen: Thorin Eichenschild hat vollkommen recht, wenn er sagt, dass Euch jegliche Ehre fehlt. Denn jemand mit Ehre würde nicht den halben Tag tatenlos auf seinem Thron sitzen und sich nur darum scheren, ob jedes einzelne Haar perfekt sitzt. Nein, jemand mit Ehre würde sich auch um die Welt außerhalb des Königreiches interessieren und dieser auch helfen, wenn es sein muss!" Der König starrte sie an. Jetzt war sie zu weit gegangen, das wurde ihr gerade bewusst. ,,Hüte deine Zunge, Menschenweib", sagte er drohend und kam bedrohlich langsam auf sie zu, ,,Oder du kannst auch in meinen Kerkern verfaulen. Allerdings bist du noch jung und unerfahren, weshalb ich dir lediglich eine Bedenkzeit als Strafe gebe. Geh und denke über dein Verhalten nach. Doch sei gewarnt: Noch einmal ein solches Verhalten in meiner Gegenwart und es wird schwerwiegende Konsequenzen haben." Gwyneth nickte und ging erhobenen Hauptes aus dem Thronsaal. Sie wollte nicht, dass Thranduil dachte, er hätte sie eingeschüchtert. Was er auch eigentlich gar nicht hatte.

Die Diebin von EsgarothWo Geschichten leben. Entdecke jetzt