Kapitel 9 oder Ashs Verrat

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Der nasse Asphalt knirschte unter Ashs Füßen als er aus dem Jeep sprang. Das Einfamilienhaus am Ende der Straße lag in fast trügerischer Stille vor ihm im morgendlichen Nebel, sodass er seine Schritte intuitiv beschleunigte.

Irgendetwas stimmte hier nicht, etwas hing in der Luft was ihm gar nicht gefiel. Jordan! Es war eindeutig der Geruch nach Jordans Rudel. Jetzt raste er in Windeseile zur andern Straßenseite. Er stieß die Tür aus der Angel, achtete nicht auf den Schlüssel in seiner Hosentasche und stürzte ins Innere. Die Angst vor der Ungewissheit nagte an ihm und kroch ihm durch die Adern.

Eigentlich hatte er nach dem Streit mit Jayden einfach nur kurz zu Gina fahren wollen, ein wenig Zeit mit ihr verbringen wollen um von Jayden und seiner miesen Laune wegzukommen. Gina lebte noch bei ihrem herzkranken Vater und pflegte diesen.

Als er ins Haus stürzte brannte keine Lampe. Das ganze Haus lag still vor ihm und er hätte es für leer gehalten, hätte sein Gefühl ihm nicht etwas anderes gesagt. "Bitte geh es dir gut", dachte er während er den Flur entlang schritt.
Was auch immer passiert war, es konnte nichts gutes sein, wenn Jordan im Spiel war.

"Mein lieber Freund Ash. Endlich bist du auch mal da! Du weißt doch, dass man seine Gäste nicht lange warten lässt", ertönte es in dem Moment aus einer Ecke. Aus seiner Kehle drang ein tiefes, hasserfülltes Knurren. "Jordan. Was willst du?"

Und tatsächlich- Jaydens Ebenbild trat vor ihm, gebadet im Geruch des feindlichen Ashton Rudels. "Mein lieber Freund, lange nicht mehr gesehen", rief Jordan mit einer Stimme voll triefenden Sarkasmus. "Ich hatte gerade die Chance dein Mate kennenzulernen. Gina, echt ein reizendes Mädchen". Sein Blick ging hinter ihm, wo ein Werwolf wie ein Schrank Gina festhielt und ihr den Mund zuhielt.

Alles in ihm wollte jetzt zu ihr und sie vor Jordans Rudel beschützen. Er hatte sie nie in Gefahr bringen wollen.

"Vielleicht denkst du dir, warum wir hier sind. Es geht um dieses Mädchen May. Das Mate meines Bruders."

Ash kratzte sich nervös an der Stirn. "Was ist mit ihr?", fragte er dann scheinheilig.

"Ich möchte wissen wo sie ist. Mein Bruder vertraut dir doch. May ist jetzt wahrscheinlich ein Wolf und das ist die beste Zeit sie zu beseitigen und mein Versprechen einzulösen", sagte Jordan mit seiner Stimme, die Jaydens so sehr glich.

"Ich werde meinen Alpha nicht verraten", sagte er mit fester Stimme und zwang sich stark auszusehen. Mit zwei Wölfen konnte er es noch aufnehmen. Leider traten in dem Moment drei andere Wölfe in sein Sichtfeld und ließen diese Hoffnung zunichte werden.

"Ach Ash. Du weißt doch was passiert, wenn ich nicht bekomme, was ich will. Dann sehe ich mich gezwungen der kleinen Gina etwas anzutun und das wollen wir ja beide nicht. Ich glaube du brauchst einfach ein bisschen Ansporn".

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin hielt der Werwolf Gina auch noch die Nase zu, sodass sie keine Luft bekam und mit den Armen ruderte. Ashs Herz zog sich zusammen. Er hatte keine Wahl.

"Stopp, stopp, stopp!", schrie er und fügte dann, "ich sag euch alles was ihr wissen wollt", hinzu. Der Werwolf ließ seine Gina los, welche erleichtert nach Luft schnappte. Sein Herz beruhigte sich langsam.
"May ist im Reservat. Heute ist sie angereist. Sie schläft im Rudelhaus", erklärte er und trat zu Gina um ihr einen Arm um die Schultern zu legen.

"Braves Hündchen", kommentierte Jordan mit einem selbstzufriedenen Grinsen. "Tja da wird Jayden nicht erfreut sein, dass du ihn verraten hast. Du hast jetzt die Chance deinen Fehler von früher nochmal zu überdenken und mich als deinen Alpha zu wählen. Du hättest nie bei meinem Bruder bleiben dürfen."

Doch Ash starrte ihn nur wütend an. "Niemals werde ich mich dir unterwerfen! Lieber sterbe ich", spuckte er ihn förmlich an.

Jordan zuckte die Achseln. "Tja schade, dass du dein Leben so wegwirfst. Kann man aber nichts machen. Mein Bruder wird dich sicher hart bestrafen. Ich hoffe auch mal das die Informationen, die du mir gegeben hast richtig sind. Meine Jungs hier", er zeigte auf die übrigen Werwölfe, "werden auf dich aufpassen, während ich checke ob du uns auch die Wahrheit erzählt hast. Dieses Mädchen wird nicht mehr lange leben", sagte er und ließ das Haus in gespenstiger Stille zurück.

White Wolf HalbmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt