Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht was passierte wenn man tot war. Irgendwas musste da ja sein, irgendeine Art von Leben. Vielleicht gab es ja so etwas wie das Paradies, einen Ort wo man mit den Toten vereinet wurde und keinen Schmerz spürte.
Wenn ja war ich anscheinend nicht dorthin gekommen, denn der Schmerz saß immer noch in jeder Zelle meines Körpers. Wer Schmerzen hat der lebt, fiel mir eine Lebensweisheit ein die meine Mutter zu sagen pflegte ein. Lebte ich also? Oder kamen Werwölfe in die Hölle?
Jetzt spürte ich zwei starke Hände unter mir die mich trugen. "Sie ist tot!", schrie Jayden mit einer dermaßen gebrochenen Stimme, dass es mir das Herz zuschnürte. Ich wollte die Augen öffnen, ihm sagen dass ich lebte, doch mein Körper gehorchte mir nicht.
Jetzt wurde ich anscheinend an Jessica weitergegeben, denn kühle Hände betatschten meine Wange. So wurde man also behandelt wenn man tot war, schoss es mir durch den Kopf. Doch Jayden schien sich bereits von mir abgewandt zu haben.
"Wo bist du Ash?", drang seine grollende Stimme an mein Ohr. Da war einerseits eine entsetzliche Lehre und Trauer in seinen Worten, jetzt aber auch etwas anderes. Grenzenlose Wut.
Ich wurde auf dem harten Steinboden abgelegt. Dann hörte ich ein hysterisches Schluchzen was von Jessica stammte. "Bitte töte ihn nicht Jayden", flehte sie unter Tränen. Ich horchte auf. Wen den bitte töten?
Mit einem Mal verschwand der Schmerz aus meiner Brust und die Wunde die der Dolch hinterlassen hatte schloss sich. Auch das Gefühl war in meinen Körper zurückgekehrt und ich schaffte es blinzelnd die Augen zu öffnen.
Wieso lebte ich? Ich musste doch mausetot sein? Hatte mit dem Dolch etwas nicht gestimmt oder hatte er mein Herz verfehlt? Das konnte eigentlich nicht sein, selbst wenn er nicht mein Herz getroffen hatte, musste ich tot sein, denn Wunden mit Silber verheilten nun mal nur langsam.
Das musste alles ein großes Missverständnis sein. Als ich die Augen öffnete fand ich mich selbst auf dem Platz vor dem Rudelhaus wieder. Um mich herum standen viele Werwölfe, einige hatten oberflächliche Verletzungen, doch die meisten schienen wohlauf zu sein, registrierte ich erleichtert.
Keiner schien zu bemerken, dass ich aufgewacht war, stattdessen starrten sie alle auf Jayden, der sich auf Ash gestürzt hatte und ihn im Schwitzkasten hielt.
"Warum hast du mich verraten? Es ist deine Schuld, dass sie jetzt tot ist!", hörte ich seine Stimme, die zu einem tiefen Knurren geworden war. Er schien richtig sauer zu sein, in seinen grünen Augen funkelte es nur so.
"Sie haben Gina bedroht, wenn ich ihnen Mays Aufenthaltsort nicht verraten hätte, hätten sie sie getötet!", versuchte Ash sich zu erklären, was Jayden aber ignorierte, denn er versetzte ihm bereits einen festen Tritt in die Rippen und stieß ihn von sich, sodass sein Beta in hohem Bogen auf den Boden fiel und dort mit einem hässlichen Geräusch aufkam.
"Du hast das Rudel verraten, du verdienst die Höchststrafe. Den Tod", sagte Jayden jetzt, doch seine Stimme war nurmehr ein Flüstern. Er beugte sich über seinen besten Freund, welcher jedoch keine Anstalten machte sich wegzubewegen. Dann hob er den Dolch den er zuvor aus meiner Brust gezogen hatte und zielte auf Ashs Brust. Jessica ließ einen kleinen Schrei aus und fuchtelte wild mit den Armen, doch niemand schien einzugreifen. Alle beobachteten nur betreten das Geschehen.
Ich wusste, wenn ich jetzt nichts tat, würde er Ash töten. Wegen mir. Das konnte ich Jessica nicht antun. Vielleicht kannte Jayden mich noch nicht lange, aber auf mich würde er noch am ehesten hören. Also rappelte ich mich auf und drängte mich nach vorne.
Einige der Wölfe schauten mich nur an als hätten sie einen Geist gesehen, was gar nicht so abwegig war. Andere stießen vor Entsetzen einen kleinen Schrei aus, doch ich kämpfte mich unerbittert durch die Menge.
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White Wolf Halbmond
Hombres LoboLiebe, Hass, Verrat, Angst. So unterschiedliche Gefühle, doch so nah beisammen. Mit dem Moment, als Jayden plötzlich in Mays unscheinbares Leben taucht, scheint das Glück nicht mehr von ihrer Seite weichen zu wollen. Endlich jemand der sie versteh...