PrologZwölf. Jedes Mal beim Aufwachen. Zwölf nach sechs. Zweimal am Tag hatte Nelly mindestens mit dieser Zeit zu tun. Einmal, wenn sie aufwachte und ein weiteres Mal, wenn sie das Haus um zwölf nach sieben verließ. Zwölf. Zweimal zwölf Stunden sind ein Tag. Wenn man das zwölfte Lebensjahr vollendet hat, beginnt eine "neue Zeit" - Teenagerzeit. Zwölf Monate hat ein Jahr. Ein Jahr hat es gedauert. Ein Jahr lang hat Nelly um ihr Hörvermögen gekämpft. Sie hat verloren. Es war ein harter, ungerechter Kampf gewesen. Es war ein hoffnungsloser Kampf gewesen. Es war ein vergeblicher Kampf gewesen.
Nelly hatte sich damit arrangiert, abgefunden hatte sie sich damit nicht. Sie las den Leuten von den Lippen, lernte die Gebärdensprache, bekam eine Betreuerin - Paula - an die Seite, die sie auf Schritt und Tritt begleitete. Nach einem Jahr privaten Hausunterrichts fasste Nelly erstmals den Mut, auf eine Schule für taube Kinder zu gehen. Sie kämpfte sich zurück ins Leben.
Paula unterstütze sie, erklärte ihr die Aufgaben, wenn Nelly die Lehrerin nicht verstanden hatte, erneut in Gebärden. Zweimal die Woche musste Nelly zu einem Sprachtraining gehen, schließlich sollte sie das Sprechen nicht verlernen. Und alle zwei Wochen ging sie zu einer Psychologin, die ihr helfen sollte, sich in ihrer Situation zurechtzufinden. Persönliche Seelenklempnerin, die alles tun würde um an das Geld meiner Eltern zu kommen, dachte Nelly sich manchmal. Ab und an fand sie Frau Hefufa-Seruser schrecklich.
Allein ihr Name war schon wunderlich genug, aber ihr Aussehen übertraf diesen noch bei Weitem. Sie war meist dick geschminkt und trug diese altmodischen Kleider, ihre Haare sahen jedes Mal anders aus, braun, schwarz, blond, gelockt, gewellt, glatt, es gab nichts, was Fräulein Etepetete nicht schon ausprobiert hatte und Nelly war sich sicher, dass Frau Hefufa-Seruser selbst mit ein paar Problemem zu kämpfen zu hatte und sich vielleicht lieber erstmal um ihr eigenes Wohlbefinden kümmern sollte, bevor sie auf den Rest der Menschheit losgelassen werden konnte.
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MeShg
Teen Fiction"Ich denke, es wird dir guttun.", sagte die sanftmütige Frau mit rotbraunen Haaren gleichsam gutmütig und auch mit einer gewissen Strenge zu ihr. Na sicher wird es mir guttun, dachte sich Nelly. Wem tut es nicht gut in einem Haufen Problemkindern zu...