25. Kapitel

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Cassy ♡: Okay. Dann bis morgen! ;)
Ich liebe dich ♡
19:04

Was zur Hölle? "Ich liebe dich". Was meinte sie damit? Natürlich, die Nachricht war klar. Aber ich konnte das doch nicht so eins zu eins übernehmen. Das war doch absurd. Das war einfach nicht glaubwürdig. Das war... Lieber Himmel, nein! Warum hatte sie nur so etwas geschrieben? Wie sollte ich das bitteschön verstehen? So wie es dort steht. Nein. Das konnte ich nicht. Beruhige dich, Leila. Sie meinte das sicher nicht ernst. Nein, ganz sicher nicht. Das war nur so eine Floskel. Wie das "Ich hab dich lieb" am Ende einer SMS, die man an seine Schwester schickt. Oder seinen Vater. Oder seine Oma. Oder... Oder... Aaah! Verdammt nochmal!

"Ich liebe dich." Was war das für ein Mist? Warum hatte ich so eine Nachricht von ihr bekommen? Wie konnte sie mir das antun? Wir wollten doch einfach ungebunden zusammen sein. Klar, wir hatten uns gern, aber Liebe... Das ist so ein schrecklich großes Wort. Es bringt so viel Verantwortung mit sich. Damit müssen Erwartungen erfüllt werden. Einen Tag zuvor hatte ich Stella noch gesagt, dass ich von Verantwortung und Erwartungen nichts wissen wollte.

Grrr. Das gefiel mir gar nicht. Ich hatte schlecht geschlafen, weil ich die ganze Zeit an diese dämliche Nachricht denken musste. Folglich war ich ziemlich müde. Ich saß vor meinem Laptop und korrigierte eine Textvorlage. Mit meiner Arbeit hatte ich mich in letzter Zeit ziemlich wenig beschäftigt. Aber irgendwie musste ich meine dreißig Stunden pro Woche kriegen. Das funktionierte gerade so.

Immer wieder sah ich die Nachricht auf dem Handydisplay vor meinem inneren Auge. Cassy wusste wahrscheinlich gar nicht, was sie mir und meinem Seelenfrieden damit angetan hatte.

Es war nur eine Nachricht. Das redete ich mir ein. Nur eine Nachricht. Nichts Besonderes. Kein Grund um gleich so kirre zu werden.

Ich checkte meine Mails und erfüllte mit viel Mühe mein tägliches Arbeitspensum. Von zu Hause aus arbeiten war doch nicht so gemütlich, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eben weil es gemütlich war, konnte ich mich nur so schwer zum ernsthaften Arbeiten motivieren.

So gegen sechs war ich dann fertig und begann mit dem Kochen. Stella räumte währenddessen im Wohnzimmer und der Küche auf. Damit es für unseren Gast hübsch war, sagte sie. Cassy legte jedoch keinen Wert auf sowas.

Ich ließ mir Zeit beim Kochen, weil ich wusste, dass Cassy gern kochte und ich wollte ihr die Gelegenheit geben, mir zu helfen. Das machte sie glücklich. Stella deckte den Tisch.

"Ich glaube, du solltest mir noch ein paar Dinge erklären, bevor Cassy kommt", meinte Stella.
"Ach ja?", entgegnete ich. "Was willst du denn wissen?"

"Hm..." Sie holte Weingläser. "Hatte sie vor dir schon mal was mit einer Frau?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nö."

"Hm...", machte Stella wieder. "Und wie kam es nochmal dazu, dass sie dir dieses unseriöse Angebot gemacht hat?"
"Das war am ersten Abend in der Bar", erzählte ich. "Wir haben über Männer gelästert. Ich, weil Martin gerade mit mir Schluss gemacht hatte. Und sie, weil sie viele kurze, schreckliche Beziehungen hatte."

"Hm..." Schon wieder! "Also sie hat dir einfach angeboten, mit ihr zu knutschen?"
Ich schluckte. "Nicht direkt. Sie meinte, sie hat die Schnauze voll von Männern und will es mal mit einer Frau versuchen."

"Hm..." Langsam nervte das. "Das heißt also... Sie hatte schon vorher geplant, an diesem Abend eine Frau aufzureißen! Noch bevor sie dich traf?"
"Ääähm... Ja, kann schon sein", stammelte ich. Darüber hatte ich mir bis zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken gemacht.

Oh verdammt! Ich wusste, was Stella jetzt dachte. Bitte sag es nicht! Bitte sag es nicht! Bitte sa- "Ich glaube, Cassy ist bisexuell", sagte Stella. Ich schlug mir auf die Stirn. Na toll! Stella musste natürlich mal wieder die komplette Situation durcheinander bringen. Wenn das stimmte, dann würde es einfach alles ändern!

"Was denkst du?", fragte sie mich. "Das kann ich nicht glauben", gab ich zu. "Das würde alles nur viel komplizierter machen."

Stella grinste. "Tja, und jetzt kommt der Überhammer." Sie tippte mir auf die Stirn. "Du bist nämlich genauso bi."

Ich sah sie trocken an. "Das hätte ich aber mitgekriegt, oder?" Meine Freundin verdrehte die Augen. "Nein, eben nicht, du Dummchen. Dafür brauchst du mal wieder mich."

Jetzt verdrehte ich die Augen. "Du kannst doch nicht einfach behaupten, ich sei bi. Ich stehe doch gar nicht auf Frauen."

"Tust du sehr wohl!", entgegnete Stella. "Du stehst auf Cassy." Ich wollte etwas sagen, doch sobald ich den Mund aufmachte, legte sie mir ihre Hand drauf und fuhr fort: "Du liebst sie nicht, aber du stehst auf sie." Ich schloss den Mund. Meine Augen weiteten sich. Stella ließ ihre Hand an ihrem Platz. "Du weißt, dass ich recht habe. Wenn du nicht zumindest auf sie stehen würdest, dann würdest du doch niemals das alles hier mitmachen." Ich nickte. Ihre Hand lag immer noch auf meinem Mund und das nervte. Ich schnaubte.

"Hör mir zu. Wenn du Interesse - und sei es auch nur rein körperliches Interesse - an einer Frau hast, dann reicht das. Du musst sie nicht lieben", fuhr Stella fort.

"Aber ich war doch immer hetero", sagte meine dumpfe Stimme hinter Stellas Hand.

Sie erklärte weiter: "Du hast einfach immer geglaubt, dass du hetero bist. Weil du nie Interesse an einer Frau hattest. Und jetzt hast du Cassy. Das ist so wie bei Kindern. Wenn man noch nie Interesse an irgendjemand gehabt hat, dann weiß man doch gar nicht, auf wen oder was man steht. Es gibt sogar Studien, die besagen, dass Frauen nur lesbisch oder bi sein können. Aber das passt doch. So ist für jeden was dabei." Das klang wie eine stark psychologisch verworrene Einladung zu einem All-you-can-eat-Buffet.

Ich seufzte. "Okay, ich bin jetzt also bi... Na juhu... So war das eigentlich nicht geplant." Stella nahm endlich ihre Hand von meinem Mund. "Sowas kann man doch nicht planen, du Doofi!"

Wow. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet...

CassyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt