34. Kapitel

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Cassy blieb diese Nacht bei mir. Irgendwie traute ich mich nicht, in Stellas Zimmer zu gehen. Noch nicht... Warum war sie bloß so aufgebracht? Ich verstand überhaupt nicht, warum sie sich so aufgeregt hatte. Und überhaupt hatten Cassy und ich im Moment viel größere Probleme als eine aufgebrachte beste Freundin. Obwohl es bestimmt hilfreich gewesen wäre, zuerst meine privaten Probleme zu klären, bevor ich mich mit Cassys Arbeitsproblemen - oder eher Kündigungsproblemen - befasste. Andererseits war Cassy praktisch mein Privatleben und alles, was bei ihr passierte und sie belastete, betraf zu gleichen Teilen auch mich. Ich stand also vor einem Problem, dessen Lösung ich nicht in greifbarer Nähe vermutete. 

Nach dem Umziehen und Zähneputzen saß Cassy in ihrem kurzen rosa Nachthemd auf meinem Bett und las auf ihrem Handy eine Supernatural Fanfiction auf Wattpad. Sie war ungewohnt ruhig. "Willst du noch etwas?", fragte ich sie. "Soll ich dir einen Tee machen oder so?" Sie schüttelte den Kopf. Ihr Blick war weiterhin auf das Handydisplay fixiert. "Hey", sagte ich, nahm ihr das Handy aus der Hand und warf es aufs Bett. Ich legte ihr meine Hände auf beide Wangen und zog ihren Kopf näher zu meinem, um sie dazu zu drängen, mich anzusehen. "Hey", wiederholte ich. "Cassy. Schatz, sieh mich an." Sie sah mir müde in die Augen. "Hör mir zu." Cassy seufzte. "Ich will, dass du mir jetzt ganz genau zuhörst", sagte ich. "Wir kriegen das hin. Wir kriegen das irgendwie hin. Das haben wir bis jetzt immer und das werden wir auch weiterhin." 

Sie zog die Stirn kraus und ihre Mundwinkel senkten sich nach unten. "Ich wollte das alles nicht", murmelte sie. Dann sah sie mich endlich direkt an. "Es tut mir so leid, mein Zuckerstück. Ich wollte nicht, dass du wegen mir so viele Probleme bekommst." Ich schüttelte voll Missverständnis den Kopf. "Aber nein, nicht doch. Cassy, daran bist du nicht schuld. Ich hab doch dich geküsst. Du steckst doch wegen mir in Schwierigkeiten." 

"Nein, das meinte ich nicht", entgegnete sie sofort. "Ich meinte Stella. Sie hat recht. Alles, was sie gesagt hat, stimmt. Seitdem wir zusammen sind - und auch schon davor - ging es doch immer nur um uns. Es ging immer nur um Cassy und Leila und wie oder ob sie mal zusammenkommen werden. Die beschissene Telenovela. Weißt du noch? Und Stella hat so viel dazu beigetragen. Sie hat in deinem Namen Nachrichten an mich geschickt, hat Treffen für uns vereinbart, hat mich wegen Martin beruhigt. Sie hat dafür gesorgt, dass wir uns aussprechen und ehrlich zueinander sind. Herrgott, Leila! Wir haben Stella alles zu verdanken! Ohne ihre Hilfe wären wir doch niemals da, wo wir jetzt sind." Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und ihre Augen wurden langsam feucht. "Wir haben sie zu sehr außen vor gelassen. Es ging nur um uns. Stella hat gerade eine schwierige Zeit in ihrem Leben. Sie war lange weg und jetzt ist sie wieder zurück und muss praktisch ihr Leben wieder von vorne anfangen. Einen Job, einen Freundeskreis und alles, was dazu gehört. Du bist ein wichtiger Teil ihres Lebens und ich schätze mal, dass sie Angst davor hat, diesen Teil zu verlieren." 

"Aber warum musste sie dann dermaßen mit Schimpfwörtern um sich schmeißen?", fragte ich leicht gereizt. "Weil sie verdammt nochmal mit der Situation überfordert ist", antwortete Cassy sogleich. "Sie war in der Situation eben genervt und gereizt und wusste nicht, wie sie ihre Gefühle ausdrücken soll." Ich schnaubte. Cassy grinste mich an. "Komm schon, als ob wir beide nicht allzu gut wüssten, wie es ist, damit überfordert zu sein, seine Gefühle auszudrücken." Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. Wie recht sie doch hatte. Noch immer hielt ich ihre Wangen fest. Ich zog sie zu mir und drückte meine Stirn gegen die ihre. Wir lachten leise. Dann seufzte ich langgezogen. "Ich kann jetzt nicht mit ihr darüber reden", murmelte ich. "Natürlich nicht", stimmte Cassy mir zu. "Zumindest nicht jetzt gleich. Vielleicht morgen oder nächste Woche. Aber irgendwann redest du doch immer. " Sie zwinkerte mir zu. Ich schloss die Augen. "Lass uns schlafen gehen", sagte ich. Cassy nickte nur. Wir legten uns Rücken an Rücken ins Bett und an der Wand vor meinen Augen sah ich das Licht, das von der anderen Seite des Bettes von Cassys Handydisplay kam. Sie las das Kapitel der Fanfiction noch zu Ende.

CassyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt