Prolog

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„Detective? Können sie die Frage bitte beantworten."
„Was?", entgegnete ich, wie in Trance. Hatte mein Gegenüber denn überhaupt gesprochen?
„Meine Frage.", wiederholte der Mann der schätzungsweise Mitte 40 war und zupfte an seinem Doktorkittel herum. Sein Papierschildchen, auf dem „Dr. Maxwell, Traumatherapeut" stand wackelte im Rhythmus mit.
„Verzeihung, könnten Sie sie bitte wiederholen?", bat ich und räusperte mich, damit meine Stimme nicht brach. Meine Stimmbänder waren angeschlagen die Tage.
Der Arzt klappte ungeduldig sein Notizbuch zu und betrachtete mich mit einem Blick, den ich nicht zuordnen konnte „Hören Sie, Detective Jester, ich weiß, dass das hier nicht einfach für Sie ist. Aber Sie müssen mit mir über das reden, was passiert ist, sonst kann ich Ihnen nicht helfen."
„Ich brauche keine Hilfe.", erwiderte ich erschreckend wütend und hätte am liebsten die Arme verschränkt wie ich es sonst getan hätte. Aber ein steriler Verband machte dies unmöglich.
Ich verstand nicht, warum ich auf einmal so aggressiv war und wie aus Reflex erwartete ich eine Bestrafung bevor ich vergaß, dass ich nicht länger in seinem Gewahrsam war.
Dr. Maxwells Fuß tippte auf den Boden in einem steten Rhythmus, er schien ungeduldig
„Es ist meine Pflicht ein Gutachten über Ihren psychischen Zustand zu erstellen und dafür brauche ich von Ihnen eine ernsthafte Antwort. Also noch einmal von vorne."
Dr. Maxwell atmete tief durch „Was genau ist in der Nacht passiert, in der der Joker Sie gefangen nahm?"

Es war früher Abend, das FBI Hauptgebäude von New York war bereits halb leer. Die meisten waren in ihren verdienten Feierabend gegangen, da keiner sich wirklich freiwillig gemeldet hatte die Spätschicht für Freitag Nacht zu übernehmen. Aber da Aaron sowieso auf geschäftlichen Reisen war, erklärte ich mich bereit mit meinem Team die Schicht zu übernehmen.
Man hatte mich bereits seit einigen Monaten mit einem neuen Fall beauftragt, den ich jedoch einfach nicht mehr loswerden wollte. Ich dachte schon, dass ich ihn abgeben müsse, da ich nie im Stande wäre diesen psychotischen Massenmörder zu finden, als er an jenem Abend wieder zuschlug.
Es lief überall in den Nachrichten, dass der Joker sich in einer Bank verbarrikadiert hatte und seine Besucher und Mitarbeiter als Geiseln festhielt. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, als ich den Monitor gemeinsam mit meinem Team betrachtete.
Hätten sie uns benötigt, hätte man längst Bescheid gegeben. Die Reporterin berichtete gerade über die Lage, als sich etwas tat.
Zwei Silhouetten traten an die kugelsichere Scheibe des Bankfensters des Eingangs– als die Kamera ran zoomte war sofort zu erkennen um wen es sich handelte. Joker hielt den Direktor der größten Bank Manhattans im Schwitzkasten und richtete eine Waffe an seine Schläfe.
Der verängstigte und blutig geschlagene Mann hielt ein Schild in der Hand, darauf war eine Nachricht zu lesen: Kassia Jester gegen die Geiseln. Grüße, J.

„Sie haben sich ausgeliefert, gegen den Rat von ihrem Boss.", bestätigte Dr. Maxwell und machte sich mit schneller Hand saubere Notizen.
Ein Nicken meinerseits war überflüssig. Alle hatten es gesehen.
„Und was ist da drinnen passiert, Detective? Was hat er Ihnen gesagt?", fuhr er seine Fragen fort.
„Wir haben geredet.", murmelte ich taub. Schmerz begann in meinem Kopf zu pochen, als ich an das Gespräch dachte. Die Angst, die mich gelähmt hatte, auch wenn ich es nicht zugeben wollte, da ich immer damit prahlte nie vor irgend etwas Angst zu haben.
Nicht einmal vor dem berüchtigten Joker, vor dem jeder Angst hatte, und der von mir besessen war, mindestens genau so sehr wie ich von ihm.
Zumindest wenn es nach Aaron ging.
Dabei diente der Joker mir bis dorthin lediglich als Karriereaufstieg.
Wie sehr man mich gepriesen hätte, wenn ich dieses todessüchtige Arschloch endlich hinter Schwedische Gardinen hätte bringen können, und wie viele Menschenleben ich gerettet und gleichzeitig gerächt hätte.
„Worum ging es in dem Gespräch?"
„Es ging um mich.", antwortete ich und versuchte den Kloß der sich in meinem Hals gebildet hatte hinunterzuschlucken, „Und warum er so erpicht darauf war mich kennen zu lernen."

„Kassia Jester.", schnurrte der Joker, als ich mit erhobenen Händen in das Bankgebäude lief.
Die Wände des Eingangs und der ganze Block wurden hell erleuchtet von duzenden Polizeiwagen, Feuerwehrautos und Helikoptern die das Gebäude umzingelt hatten.
„Wie schön, dass wir endlich die Gelegenheit haben uns Auge um Auge gegenüber zu stehen."
Seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken und ungewollt bekam ich Gänsehaut.
Sein Blick wanderte an meinem ganzen Körper hinunter und er leckte sich über die Lippen „Was für ein äußerst anreizender Anblick Sie doch sind, Detective."
Vor Ekel schüttelte es mich. Wütend fauchte ich nur „Ich bin hier, also lassen sie die Geiseln gehen."
Er kam mit langen Schritten näher, sein Körper schwankte, aber ich war überrascht wie schnell er mir die Waffe aus meinem Gürtel entfernen konnte und sie auf meinen Kopf richtete.
Es war keine neue Situation für mich und ich wusste, dass er mich nicht töten würde.
„Sie haben einen riesigen Aufstand gemacht um mich her zu holen, also halten Sie Ihr scheiß Wort und lassen Sie die Menschen gehen!", wiederholte ich lauter werdend.
Ich schätzte, dass ich schneller und stärker als er war und er wusste nicht, dass ich die Munition aus meiner Waffe genommen hatte, bevor ich hergekommen war.
„Nicht so eilig, meine Liebe, wir haben doch alle Zeit der Welt richtig?"
Seine Stimme wurde tiefer, als er grinste.
Metallene Zähne blitzten mir im Licht der Autoscheinwerfer entgegen und eine Lache, die so wahnsinnig war, dass mich erneut eine Gänsehaut überkam.
Ich beschloss schnell zu handeln, warf den kleinen neon-gelben Ball den ich in meiner Hand hielt nach links, wissend, dass er den Blick des Jokers kurz auf sich lenken würde und nutzte meine Chance.
Es gelang mir ihm die Waffe zu entreißen und ihm eine reinzuhauen.
Siegessicher, war ich diejenige die ein Lächeln unterdrücken musste und rang ihn zu Boden; sein Kopf schlug ziemlich hart auf den weißen Marmorboden, auf dem sich bereits eine gute Schicht an Ruß und Dreck gesammelt hatte.
Doch bevor ich wusste wie mir geschieht – denn ich verlor für gewöhnlich nie einen Kampf – traf mich etwas hartes am Hinterkopf und mir wurde schwarz vor Augen.
Ich verlor meinen Gleichgewichtssinn und wurde rechts zu Boden geschubst, sodass sich jetzt alles drehte, ich wusste nicht einmal mehr wo oben und unten war.
Alles was ich spürte war das Gewicht des Jokers über mir, sein Atem, der schnell und warm über meinen Hals strich und alles was ich hörte war das Klicken von Pistolen die auf mich gerichtet wurden und die Stimme des Jokers die in mein Ohr flüsterte „Das war nicht nett."

„Danach hat er mich bewusstlos geprügelt.", beendete ich meine Erzählungen, während deren mein Gegenüber mich kein einziges Mal unterbrochen, sondern nur stumm mit geschrieben hatte.
Jetzt zog er sich die schief sitzende Brille ab und rieb sich gestresst die Nasenwurzel.
In mir regte sich etwas, als ich ihn beobachtete. Ein Teil von mir verlor die Kontrolle, als ob sich die Gedanken eines Fremden in meine mischten.
Als ob der Joker aus mir heraus handeln würde, durch jede meiner Fasern und ungewollt begann ich zu schmunzeln.
Plötzlich schien mir das alles unheimlich komisch und ein mir unerklärlicher Hass auf den Therapeuten stieg in meinen Kopf.
Wie jämmerlich er aussah, und das obwohl er es nicht einmal erlebt hatte.
„Oh, sagen Sie mir nicht, dass Sie jetzt schon fertig sind, Doktor.", höhnte ich.
„W...Wie bitte?", stotterte er erbärmlich. Als könnte er nicht glauben, dass irgend jemand etwas gegen ihn hätte.
Als könnte er nicht glauben, dass das ach so arme, bemitleidenswerte gequälte Seelchen vor ihm noch etwas Biss übrig hatte und zwar mehr, als dem egozentrischen Schnösel recht war
„Das beste kommt doch erst noch, Doktor – Haha haha hahaha!"

"You're going mad"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt