"Du hast mich nicht enttäuscht"

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 „Noch mal!", rief Matt, der verschwitzt den Medizinball zurück zu mir warf. 

Es war anstrengender so zu tun, als wäre ich kein bisschen in Form, während sich der 3 Kilo Ball in meiner Hand anfühlte wie ein Kieselstein.
Du bist ein Feigling. Sie werden es sowieso herausfinden.
Das musste aber nicht jetzt sein.
Und was ist mit J? Denkst du er weiß es? Er hat dich zu dem gemacht, vielleicht ist er verwirrt?
War mir egal.
Ich warf den Ball frontal vor meiner Brust so schwach wie möglich zu Matt, der gute 10 Meter von mir entfernt mir gegenüberstand.
Er fing ihn auf und obwohl ich ein Minimum an Kraftaufwand genutzt hatte, flog der Ball recht kräftig in seine Arme.
„Ihr macht das nun seit Stunden und sie ist noch immer so mobil wie eine humpelnde Schildkröte.", ließ J genervt von sich hören.
Er saß auf der erhöhten Plattform der Trainingshalle und ließ seine Füße baumeln, während er uns beobachtete.
Ob er wusste, dass ich log? Konnte er mich durchschauen? Ich wusste es nicht. Aber alles worauf ich hoffen konnte, war, dass zumindest ein Schauspiel mir gelang „Wir brauchen deine Kommentare nicht.", antwortete ich nüchtern.
Innerlich tat es mir unendlich leid.
Das sollte es auch.
„Anstatt dort herum zu sitzen und dämliche Bemerkungen abzulassen, könntest du auch deinen gebleichten Hintern hier herunter bewegen und deiner Liebsten helfen.", rief Jenna mit in die Hüfte gestemmten Armen zu Joker hoch.
Da mag ihn wohl jemand besonders gerne.
Jenna war schon immer eine der tolerantesten im Team. Sie würde auch meine Entscheidungen Joker gegenüber nie in Frage stellen.
„Liebend gerne."
J sprang ohne zu zögern von der gut 3 Meter hohen Plattform auf den Boden, ohne dass es ihm etwas tat und kam auf uns zu.
Delia war etwas abseits und trainierte boxen „Wie sieht es mit Nahkampf aus?", fragte Joker, als er sie ansah.
Matt stand in sein Blickfeld, zwischen die IT-Spezialistin und Joker, was dieser mit einem nicht amüsierten Blick hinnahm „Was weißt du schon darüber?", fragte er abwertend und schniefte.
„Oh, das kannst du gerne deinen Boss fragen, mein Guter.", schnurrte Joker, legte mir einen Arm um die Schulter und grinste, „Oder es selbst herausfinden. Es sei denn natürlich du hast Angst."
„Ich brauche das Training.", ging ich schnell dazwischen, legte eine Hand auf Jokers Brust um ihn zu beschwichtigen und dann sah er mir in die Augen.
Sie veränderten sich und sein amüsierter Blick wurde ernster, tiefer und dann ließ er von mir ab und ging vor zum Ring.
Matt atmete durch, sobald Joker außerhalb unserer Hörweite war, er war offensichtlich wie gelähmt als Joker ihn ins Visier genommen hatte.
Nicht eifersüchtig werden, wie du siehst hört er nur auf dich, Kassia.
„Danke, Boss.", hauchte Matt, mit einer Hand auf seiner Brust, aber ich wehrte ab.
„Ohne mich wärt ihr gar nicht erst in dieser Situation.", antwortete ich schuldbewusst.
Keine Schwäche zeigen in deinem Charakter. Denk dran, dass es der einzige Weg ist Joker nicht zu verlieren.
Das war es. Aber es hatte seinen Preis.
„Wie machen Sie das?", fragte Matt nach einer kurzen Schweigepause, „wie können Sie mit ihm zusammen sein, ihn auch nur anschauen, nach allem was er Ihnen angetan hat?"
Weil du ihn liebst.
„Glaub mir, diese Frage habe ich mir auch schon gestellt.", ignorierte ich die Stimme mal wieder und wandte mich ab.
J wartete bereits im Ring, er hatte seine violette Jacke ausgezogen, sodass seine Brust zu sehen war.
Sie war geblichen, wie der Rest seines Körpers und voll mit Tattoos. Am auffälligsten war das riesige „JOKER" Tattoo über seinen Bauch und die Spielkarten auf dem Schlüsselbein.
Sie machten ihn nur noch attraktiver in meinen Augen.
„Komm schon, Baby, worauf wartest du?", rief er und winkte mich grinsend zu sich.
Die anderen kamen zu uns und blieben außerhalb der Matte stehen, während ich zu ihm trat.
Ich durfte das nicht vermasseln.
Sie durften nicht herausfinden, was passiert war.
Das werden sie irgendwann trotzdem. Und wenn ich selbst dafür sorgen muss.
Nein, sie würden mich verabscheuen.
Sie würden dich endlich als die Jester sehen, die du bist.
Es gab einen gewaltigen Unterschied zwischen Närrin und Kampfmaschine.
Joker begab sich in Position, und so auch ich, aber wir bewegten uns eine Weile nur im Kreis umeinander.
„Du hast einen eleganten Gang, Jester.", schnurrte er, seine Augen dunkel wie die Nacht, „Man merkt dir deine schlechte Kondition gar nicht so sehr an, wie ich dachte."
Scheiße, er ahnte etwas.
Natürlich tut er das. Er hat dich so gemacht. Und er erreicht immer was er will.
„Vielleicht bin ich einfach nur besser als du dachtest.", konterte ich.
Joker lachte nur „Wohl kaum. Andererseits muss ich zugeben, dass ich nicht gedacht hätte, dass du so schnell nachgibst. Immerhin habe ich dich ganz anders erzogen."
Oh scheiße und wie er es wusste. Für mein Team, mochte es nur rätselhaftes Gerede sein, Anspielungen, aber er und ich wussten, dass es noch viel, viel mehr war.
Er machte einen Satz nach vorne, worauf hin ich zurückwich.
„Gute Reflexe.", murmelte er grinsend und diesmal war ich es die auf ihn losging, ebenfalls lachend.
Er wehrte meinen Schlag gekonnt ab und drehte meinen Arm auf den Rücken, sein Atem strich über meinen Nacken und verpasste mir eine Gänsehaut, als er mich festhielt „Wieso hältst du dich zurück, hm?", flüsterte er.
„Das tue ich nicht.", antwortete ich zurück, befreite mich aus seinem klammernden Griff und versetzte ihn mit einem gezielten Tritt in die Magengrube an den Rand der Matte.
Ich bemerkte gar nicht wie alles um mich herum verschwamm, als wir umeinander herumtänzelten und kämpften. Ich war ihm überlegen, das merkte ich, als er immer häufiger zurückwich und zu Boden ging.
„Okay, Auszeit.", hechelte er außer Atem, als er erneut rückwärts stolperte und auf dem harten Boden landete. Er hielt eine Hand hoch, worauf hin ich ihm aufhalf.
Er packte mich sofort, ein Arm um meine Hüfte und der andere an meinem Hinterkopf „Gott, du bist so...", begann er, aber bevor er zu Ende sprechen konnte küsste ich ihn, so wie er mich in der Zelle geküsst hatte.
Alles in mir brannte vor Hitze und ein Feuer entfachte in mir, dass ich nicht beschreiben könnte.
Sein Griff lockerte sich erst, als wir unsere Lippen wieder trennten „Du hast mich nicht enttäuscht, Jester."
Ich wich einige Schritte zurück und er strich meine Haare hinters Ohr. Als ich mich umsah, sah ich, dass sich alle anderen, Matt, Jenna, Victor und sogar Delia um den Ring versammelt hatten und mich anstarrten.
„Ich würde sagen, Sie haben uns einiges zu erklären, Boss.", sagte Matt mit verschränkten Armen.    

"You're going mad"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt