Kapitel 1.3

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Amelie


Die Stunden nach dem Gespräch ziehen sich wie Kaugummi.
Wir befinden uns in einem kleinen Hotelzimmer, das weit vornehmer ist als alles, das meine Schwester und ich je zuvor gesehen haben. Wir sollen uns ausruhen, etwas essen und abwarten, bis die Verkündung beginnt. Doch stattdessen sitzen wir beide angespannt auf dem nachtblauen Sofa und starren an die Wand, an der später der Bildschirm erscheinen wird. Mein Blick fällt auf Ailene. Sie ist blass wie ein Laken und ihr Gesichtsausdruck erinnert mich daran, wie wir zum ersten Mal die volle Wahrheit über Search erfuhren.


Mit Sechs Jahren schon erzählten sie uns von einem Spiel. Sie sagten, es sei eine Ehre daran teilnehmen zu dürfen und nur die besten kämen ans Ziel. Wer gewann, der käme zur Elite und würde alles bekommen, was er sich erträumte. Natürlich begannen wir alle sofort mit dem Training.


Erst mit 12, und somit 6 Jahre des Trainings später, bekamen wir die volle Wahrheit zu hören. Sie gestanden uns, dass nur die Wenigsten von uns überhaupt die Chance dazu bekamen, teilzunehmen. Die meisten von uns - wenn nicht sogar alle - würden schon vorher ausgesiebt werden, oder sich von selbst gegen Search entscheiden.
Und sie sollten Recht behalten.


Spätestens als dann noch die Tatsachen ans Licht kamen, dass Spieler, die nicht ans Ziel kamen, entweder an einer der Gefahren, oder schon vorher im Kampf mit einem der anderen Teilnehmer sterben würden, sprangen die Ersten ab. Wir hatten gedacht, dass wir alle es schaffen könnten, doch in Wahrheit gab es nur eine begrenzte Anzahl von Siegerplätzen. Wer zu spät kam, der wurde in der Arena, dem Spielfeld, eingeschlossen.


So schufen sie eine Konkurrenz zwischen den Spielern, die uns alle zu Gegnern machte. Ab diesem Zeitpunkt trainierten wir nicht mehr miteinander, wir versuchten besser als unsere Mitschüler zu sein. Ein Wettkampf entstand, bei dem nur die engsten Freundschaften bestehen blieben.


Das einzige, das mich und Ailene dazu brachte, weiter zu trainieren, war, dass wir wussten, was sonst mit uns geschehen würde: An unserem 18. Geburtstag würden sie uns die Seele nehmen, und somit unsere Persönlichkeit, den Willen und alles, was uns ausmacht.


Einige von uns nahmen diesen Preis in Kauf, dafür, dass ihnen ein Leben in Sicherheit geboten wurde, in dem sie weder Kummer, noch Leid erfahren würden. Die Vorstellung hatte etwas, keine Frage, doch ohne wirklich wir selbst zu sein, war es das einfach nicht wert.
Und so entschieden Ailene und ich uns dafür, weiter zu kämpfen. Wir wollten das Risiko eingehen.


Ich war im Gegensatz zu Ailene immer fest entschlossen gewesen, hatte immer gewusst, was ich wollte. Doch jetzt, wo die Teilnahme an Search so kurz bevorsteht, habe ich ein ungutes Gefühl im Magen. Vielleicht war es ein Fehler, denn meine Schwester und ich sind nicht gerade die körperlich stärksten und sportlichsten Teilnehmer. Aber jetzt ist es zu spät. Die Entscheidung der Jury ist vermutlich schon gefallen und ich schiebe meine Zweifel auf die Nervosität.


Ailene scheint meine Unruhe zu spüren und lächelt mir aufmunternd zu. Sie ist einfach großartig. Obwohl ich weiß, dass sie bereits lange vor mir Zweifel hatte, hat sie sich nie von mir abgewandt. Sie stärkt mir den Rücken, obwohl sie sich selbst keine Chancen ausrechnet. Doch das ist Schwachsinn. Ich werde mit ihr durchs Ziel gehen, und wir werden gemeinsam wir selbst bleiben.


Als es endlich 21:00 Uhr ist, schalten wir den Fernseher an. Nur uns Anwärtern ist es möglich, diesen Kanal zu benutzen, und vermutlich kleben nun 200 Gesichter vor fast genau so vielen Bildschirmen.


Guten Abend, liebe Anwärter", schallt uns eine monotone Frauenstimme aus den Lautsprechern in diesem Zimmer entgegen. Ailene hat sich eines der cremefarbenen Kissen geholt und krallt nun ihre Finger hinein. Ich dagegen kaue nervös auf meiner Unterlippe.


Wie jedes Jahr beginnt nun eine neue Runde von Search, dem Spiel, bei dem ihr alles gewinnen könnt, oder alles verliert. Die Hälfte von euch wird schon in wenigen Tagen antreten, der Rest bis zum 18. Geburtstag nach Hause zurückkehren."


Ich nicke ungeduldig während sie spricht. Das wissen wir schon alles, und meinen Nerven geht es nicht gerade gut.


Kommen wir nun also zur Verkündung. Nacheinander werden hier nun die Bilder und Namen derjenigen erscheinen, die als Teilnehmer die Chance auf ein neues Leben erhalten."


Und genauso plötzlich, wie die Stimme zu sprechen begonnen hat, hört sie auch wieder auf. Einige Sekunden später erscheint das erste Bild.


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soo, im nächsten Kapitel werdet ihr noch die letzte Sichtweise kennenlernen :D diesmal allerdings handelt es sich um einen Jungen ^^

Findet ihr es eigentlich besser, wenn der Text in Abschnitte gegliedert ist, oder würde euch ein mehr zusammenhängender Text mit weniger großen Abständen besser gefallen? :)


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