Kapitel 4 - Verbündete

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Amelie

„Kann man euch behilflich sein?", ertönt eine Stimme direkt hinter unseren Rücken.


Finn und ich wirbeln herum. Hinter uns steht ein schwarzhaariger Junge, mindestens genauso groß wie Finn, und hat die Hände locker in den Hosentaschen vergraben. Er mustert uns kurz, wobei sein Gesicht mit keinem Muskel verrät, was er von uns hält.


„Ihr scheint euch etwas verirrt zu haben", meint er mit ruhiger, tiefer Stimme, während er die Hände aus den Taschen nimmt und einen Schritt auf uns zu macht. Finn neben mir geht in eine abwehrende Haltung über und ich muss mich dazu zwingen, nicht zurückzuweichen.


Wo kommt dieser Junge auf einmal her? Und wie hat er es geschafft, so leise zu sein, dass wir ihn überhaupt nicht bemerkt haben? Er hätte uns angreifen können! Meine Gedanken überschlagen sich – mal wieder – und ich zwinge mich zur Ruhe.


„Was willst du?", frage ich ihn, darum bemüht, möglichst selbstbewusst zu klingen.


„Was ich will? Ich könnte euch warnen, nicht einfach über die Ebene zu laufen. Das würdet ihr vermutlich nicht überleben."


„Ach ja?", kommt es da schon fast knurrend von Finn. Seit wann ist er denn so aggressiv?


„Ja", der Fremde zuckt mit den Schultern. „Aber wenn ihr es ausprobieren wollt, nur zu. Wir werden euch sicher nicht verfehlen."


Während Finn neben mir die Fäuste ballt, da er anscheinend nur die Drohung wahrnimmt, fängt es in meinem Kopf an zu rattern. Wir? Er ist also nicht allein? Und mit was würden sie uns treffen wollen, das so stark ist, dass es uns töten könnte?


„Ihr habt euch in den Wolkenkratzern verschanzt", stelle ich kühl fest, und unser Gegenüber nickt. Lächelt er dabei sogar fast ein wenig beeindruckt? „Wie viele seid ihr? Und wo um Himmels Willen habt ihr Waffen her, mit denen ihr uns von dort oben aus töten könntet?", meine Neugier ist geweckt – und wenn wir ehrlich sind, habe ich mit meinen Fragen nicht viel zu verlieren. Er wird mir deshalb schon nicht gleich an die Gurgel springen. Oder zumindest hoffe ich das.


Der Junge sieht Finn direkt an. „Deine Kleine stellt dir richtigen Fragen, im Gegensatz zu dir.", dann dreht er sich zu mir. „Wie heißt du?"


„Amelie."


„Also gut, Amelie. Ich werde euch einen Weg über die Ebene zeigen."
Und ohne uns eine Sekunde der Entscheidung zu lassen – denn warum sollten wir ihm auch vertrauen? – dreht er sich um und läuft davon. Jedoch nicht, ohne uns dabei wie zufällig den Griff eines Messers an seiner Hüfte zu zeigen. Wo haben sie die nur alle her?


Ich sehe kurz zu Finn, ehe ich die Schultern zucke und dem Jungen in einigem Abstand folge. Seinen Namen hat er uns noch immer nicht genannt...


„Amy...", Finn ruft mir zögernd hinterher, aber ich lasse mich nicht beirren. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, wir sollten unsere Chance nutzen, aus dieser Lage herauszukommen. Dieser Junge scheint bereits deutlich mehr Orientierung und Halt in Search gefunden zu haben als wir. Außerdem – wo sollten wir sonst hin?

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