Sarah
Nachdem ich aus den Tunneln zurückgekehrt bin und unser kleines Haus betrete, das den anderen Mal wieder bis aufs Haar gleicht, finde ich Yahiko schlafend vor. Er hat sich zusammengerollt, den Kopf auf seinen eigenen Arm gebettet und die Knie angezogen. Ich bleibe in der Tür stehen und beobachte ihn. Seine Gesichtszüge sind entspannt, friedlich, von dem spöttischen Zug, der sonst so oft seine Lippen umspielt, ist nichts mehr zu erkennen. Es lässt ihn jünger wirken und irgendwie auch schutzlos.
Doch im Gegensatz zu Gestern, macht mir das heute nichts mehr aus. Ich weiß jetzt, zu was er fähig ist, dass er keineswegs schutzlos und hilfsbedürftig ist, sondern tut, was auch immer getan werden muss, um unser Ziel zu erreichen.
Ich setze die Vorräte, die ich aus den Tunneln mitgenommen habe, vorsichtig auf dem Boden ab und lasse mich dann neben ihm an der Wand entlang zu Boden gleiten, die Knie an die Brust gezogen und den Kopf nach hinten an die Wand gelehnt, sodass mein Blick an die Decke gerichtet ist.
Ich kneife die Augen fest zusammen und versuche, an gar nichts zu denken. Natürlich klappt das keine 3 Sekunden, denn die Ereignisse des Tages schwirren mir im Kopf herum wie nervige, kleine Fliegen – darunter leider nicht nur Eintagsfliegen –, denn auch unsere gestrigen Erlebnisse lassen mich nicht so ganz los:
Erst das Erwachen und die Platzangst, dann die Verfolgung und der Zusammenschluss mit Yahiko, die Falle im Tunnel und der Angriff auf die Blonde und ihren Freund – was nur darin endete, dass ich Yahiko das Leben rettete und er wenige Sekunden später mir. Keine besonders gute Bilanz.
Dann der auf wundersame Weise verschwundene Riss in meinem Oberteil, die Entdeckung des Lebensmittellagers, Mare und ihr mysteriöses Messer, Yahiko, der mir langsam vertraut und die leuchtende 1 vor meinem inneren Auge, unsere Trennung und schließlich die Projektion im Tunnel, bei der mich immer noch eine Gänsehaut überkommt. Ein Trugbild aus Luft und Licht sollte mich nicht so sehr aus der Fassung bringen können. Doch welche Projektion kann schon reden, geschweige denn kämpfen?
Ich lasse mit einem Seufzen meinen Kopf nach vorne fallen und versuche meine verkrampften Schultern zu lösen, doch es bringt nichts. Die Anspannung sitzt mir einfach zu tief in den Knochen, zusammen mit der Frage, wie wir nur hier rauskommen sollen.
Wie sollen wir je das Ziel finden, wenn wir so weitermachen? Von einem Kampf in den nächsten zu rennen und Mitspieler auszuschalten erhöht zwar die Wahrscheinlichkeit unter den Ersten im Ziel zu sein, doch die beste Methode ist es sicher nicht. Und die Bevorzugte erst recht nicht.
Ich lasse erneut die Schultern kreisen, als eine Stimme die Stille durchbricht.
„Soll ich dich massieren?", das Grinsen ist Yahiko anzumerken, ohne dass ich den Kopf drehen muss.„Was bist du überhaupt wach? Schlaf lieber, damit ich mir nicht umsonst die Nacht um die Ohren haue", tadle ich ihn und kann das Lächeln dabei nicht ganz so erfolgreich unterdrücken, wie gedacht. Seine Frage ignoriere ich dabei absichtlich, was er seinem belustigten Blick nach zu urteilen durchaus registriert.
„Naja, ich könnte aber auch was Nützliches machen", antwortet er spöttisch und spielt dabei wohl wieder auf die Massage an.
„Schlafen und dafür am nächsten Tag wach genug zu sein, um im Kampf nicht zu sterben, ist auch nützlich."
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SEARCH - Das Spiel der Seelen
Science FictionWenn du 18 wirst, musst auch du dich entscheiden. Wir befinden uns in der Zukunft. Jedem wird an seinem 18. Geburtstag die Seele genommen, und somit die Persönlichkeit, der Wille und die Möglichkeit zu rebellieren, zu planen und zu träumen. Dein...