EINS

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Wir verbrachten den Freitagabend in Rosies Zimmer.

Ich lag auf dem Fußboden, die Beine an der Wand und die Arme unter dem Kopf verschränkt, während Harriet sich auf Rosies säuberlich zusammengefalteter Bettdecke lümmelte und ihre Fingernägel lackierte und Rosie irgendeinen Aufsatz für Englisch in ihren Computer eintippte.

„Hab ich euch schon gesagt, wie großartig Macbeth ist?", fragte Rosie, das unablässige Klappern ihrer Finger auf der Tastatur kaum überhörbar.

„Hast du", sagte Harriet mit Blick auf die dunkelrote Farbe ihrer Nägel.

„Es ist wundervoll. Shakespeare war-"

„-ein Gott der Literaturgeschichte. Wir wissen es", unterbrach Harriet sie und warf mir einen genervten Blick zu, den ich Augen rollend erwiderte.

„Unglaublich, nicht wahr? Seine ganzen Werke, dieser Schreibstil", schwärmte Rosie verträumt.

Harriet seufzte theatralisch. „Du weißt aber schon, dass Kane und ich nicht wirklich was damit anfangen können. Hamlet und Othello sind ja so was von langweilig", sagte sie.

Ich musste grinsen und versuchte einen Blick auf Rosie zu erhaschen, die sich auf ihrem Schreibtischstuhl umgedreht hatte und uns ungläubig ansah. Ich verrenkte mir dabei fast den Hals.

„Othello ist doch nicht langweilig", sagte sie entrüstet.

Harriet hob zweifelnd die Brauen. „Ich weiß ja nicht, was an dem Mohr von Venedig so toll sein soll", bemerkte sie Kaugummi kauend.

Rosie stöhnte auf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den PC. „Also ihr habt wirklich keine Ahnung von guter Literatur", stellte sie beleidigt fest.

Ich lachte. „Oh, auch ohne diesen ganzen Scheiß weiß ich, dass Reed Peters definitiv nicht gut ist", sagte ich amüsiert und sah zu Harriet auf, die bei meinen Worten beinahe das Fläschchen mit dem Nagellack über das Kopfkissen geschüttet hätte.

„Du hast ja so Recht", murmelte sie und schraubte den Pinsel bedächtig wieder zurück in die Flasche.

Rosie runzelte die Stirn. „Wer ist Reed Peters?", fragte sie.

„Der nimmt alles, was nicht bei drei in seinem Bett ist", klärte ich sie auf und ihre Augenbrauen hoben sich so weit, dass sie in ihrem dunkelbraunen Pony verschwanden.

Harriet lachte leise und ironisch.

„Der typische Player also", stellte Rosie fest und wandte sich wieder ihrem Aufsatz über Macbeth zu.

Harriet stieß ein verächtliches Schnauben aus und ich nickte allwissend. „Ja, würde mich echt wundern, wenn er nicht schon halb Port Lincoln durchgevögelt hat", sagte ich.

Harriet warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. „Entschuldige mal!", rief sie und warf eines der rosa Kissen nach mir.

Ich wehrte ihren Angriff geschickt ab und sah sie unschuldig an. „Sorry, aber ist ja nicht gerade so, als hätte ich dich nicht gewarnt. Ich meine, der Typ ist nur Mitglied im Debattierclub, weil er Mädchen in violetten T-Shirts mit der Aufschrift Australia's next Debate heiß findet. Das hat er mir selbst gesagt", erklärte ich.

Harriet starrte mich an. „Als ob irgendjemand aus dem Debattierclub heiß wäre."

Sie sprach das Wort Debattierclub aus, als wäre es eine ansteckende Krankheit.

„Freundlich wie eh und je, was Harriet?", sagte ich lieblich und sie grinste mich daraufhin zynisch an.

Ich war übrigens im Debattierclub. Nur so zur Info. Nicht, dass es irgendwen interessieren würde.

sweet valentineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt