ZWEIUNDZWANZIG

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„Das Spiel hat noch nicht mal angefangen. Entspann dich", murmelte Harriet und legte beruhigend eine Hand auf mein Knie. „Bleib einfach ganz ruhig, sonst denken die Leute noch, du bist auf Droge oder so."

„Ich kann nichts dafür", erwiderte ich verängstigt und blickte unruhig zum Spielfeld hinunter.

Heute war das wichtigste Footballspiel der Saison zwischen der Lincoln High und den Leuten von der Liberty, den einzigen Highschools, die in Port Lincoln existierten. Schon immer herrschte zwischen den beiden Schulmannschaften diese Rivalität und das würde sich auch in näherer Zukunft nicht ändern.

Ich sah, wie Mädchen und Jungen, stolz ihre Schulfarben tragend, an mir vorbei liefen, und seufzte leise. Es waren allerdings nicht nur Schüler - auch Eltern, Lehrer, ja sogar unser Schulleiter war in Lincoln's Rot und Weiß gekleidet, und unser Schulmaskottchen tanzte ebenfalls unten auf dem Rasen herum. Es gab nahezu alles. T-Shirts, Schals, Haarbänder, manche hatten sich sogar Farbe ins Gesicht geschmiert. Ich fand diese Euphorie von Zeit zu Zeit ein bisschen übertrieben, aber vor Leo konnte ich das natürlich nicht sagen. Er würde mich umbringen. Er war auch verrückt nach Football.

Meine Augen wanderten zur gegenüberliegenden Seite. Dort saß eine blau-goldene Masse gegnerischer Fans, nicht weniger patriotisch, als wir selbst. Und ganz am Ende des Spielfelds erkannte ich die Spieler von Lincoln, darunter auch meinen Bruder und Sam. Sie wärmten sich gerade auf - dehnten sich, warfen sich gegenseitig Bälle zu, joggten von einer Linie zur nächsten.

Ich runzelte die Stirn. Irgendetwas war zwischen Sam und Leo passiert. Ich hatte sie in den letzten Tagen selten zusammen gesehen, was wirklich kaum der Fall war, weil die beiden beste Freunde waren, und auch Sam ließ sich nicht mehr bei uns blicken, obwohl er bei uns schon praktisch Zuhause war. Sie hatten vor kurzem sogar ziemlich laut vor der Sporthalle miteinander diskutiert, auch wenn ich nicht wirklich wusste, worum es dabei ging. Aber immerhin sah es so aus, als wäre Leo wütend auf Sam. Oder anders herum. Hätten Adam und Daniel die beiden nicht festgehalten, wäre das ganze womöglich noch in einer Schlägerei geendet und die Lincoln High konnte es nun wirklich nicht gebrauchen, wenn zwei ihrer Top-Spieler aus dem Team flogen, nur weil sie Streit miteinander hatten.

Ich schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Ich verstehe nicht, warum du so nervös bist. Es ist doch nur ein blödes Spiel", kommentierte Harriet irgendwann gleichgültig und ich hob meinen Kopf.

Normalerweise hätte ich ihr jetzt zugestimmt, aber nicht dieses Mal. „Hast du Leo in letzter Zeit gesehen? Er ist total aufgekratzt und fängt mit jedem Streit an."

Harriet tauschte einen Blick mit Rosie, die nur mit den Schultern zuckte und weiter seelenruhig ihr Popcorn aß. Meine Güte, die hatte vielleicht Nerven. „Mach dir keine Sorgen", sagte Harriet schließlich. „Was soll hier auf dem Feld schon groß passieren? Außerdem würden die Schiedsrichter eingreifen, bevor Blut anfängt zu fliegen-" Sie hielt kurz inne. „oder Klamotten."

Ich verdrehte die Augen und stöhnte leicht verzweifelt auf. „Soll ich mich jetzt etwa besser fühlen?"

„Was denkst du denn, was er tun wird?", fragte Harriet schließlich mit einem zweifelnden Ausdruck im Gesicht.

Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung", erwiderte ich niedergeschlagen. „Vielleicht ist Leo sauer auf Sam und wenn sich das jetzt negativ auf ihr Teamwork und das Spiel auswirkt, dann-dann-"

„Dann kannst du überhaupt nichts dafür", beendete Harriet meinen Satz und Rosie neben ihr nickte zustimmend. „Hör zu, Val, stress' dich nicht. Alles wird gut", sagte sie dann und sah mich dabei eindringlich ein. „Und selbst wenn sie das Spiel versauen, dann ist das nicht deine Schuld, kapiert?"

sweet valentineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt