Kapitel 124: Bin ich jetzt wieder Schuld?

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Es dauerte eine gefühlte halbe Ewigkeit, bis die Türklingel unsere Stille unterbrach und Luis sofort aufstand, um dorthin zu gehen. Ich sah ihm erst hinterher, wechselte dann mit meinem Blick aber wieder zu Tim, den wir mit seinem Kopf auf meinem Schoss abgelegt haben. Seine Augen waren erneut geschlossen, er atmete sehr langsam, aber dafür gleichmäßig und seine Stirn war von vereinzelten Schweißperlen übersät. Fast schon wie von alleine legte sich meine Hand in seine Haare und strich vorsichtig dadurch. Dabei spürte ich wie sich meine Kehle erneut zuschnürte und sich schon wieder Tränen in meinen Augen sammelten. Ich versuchte zwar sie irgendwie zu unterdrücken, nur war der Klos und somit auch der Schmerz in meiner Kehle so groß, dass ich dann doch beobachten konnte, wie zuerst wenige und dann immer mehr Tränen, die erst über meine Wangen rannen, auf Tims Haare tropften. Es verletzte mich einfach viel zu sehr ihn so bewusstlos vor mir liegen zu sehen und nicht zu wissen, was ich tun sollte. Vor allem konnte ich nicht verstehen, wie er sich selber so etwas antun konnte!

Wie von ganz weit weg hörte ich die mir so bekannte Stimme von Dennis, die sich gerade nicht so entspannt wie sonst, sondern aufgeregt, hektisch und auch ein wenig ängstlich anhörte. Im Wechsel hörte ich dann auch Luis reden, der Dennisgrob die Situation noch einmal schilderte.
Ich hingegen sah erneut zu Tim herab, wobei meine Tränen direkt wieder stärker wurden und strich immer weiter über seine Stirn und abwechselnd durch seine Haare.

"Es wird alles gut, Timi", murmelte ich mit bebender Stimme und beugte mich zu seinem Gesicht herab, um ihm einen leichten Kuss auf die Stirn zu drücken. Dann brach ich endgültig ab und weinte ohne Hemmungen, wobei ich ihn versuchte so sehr zu mir zu ziehen, wie nur möglich. So viele Gefühle vermischten sich miteinander. Ich hatte Angst davor, dass Tim es nicht schaffen würde, denn der Anblick gerade war schon sehr beängstigend. Außerdem machte ich mir selber Vorwürfe, dass ich nicht gemerkt hatte, wie schlecht es ihm gegangen sein muss, dass er überhaupt zu solchen Drogen greifen musste. Vor allem wusste ich ja davon, dass er sie besaß, ahnte, dass er gelogen hatte, als er mir vor Wochen versichert hatte, dass sie nicht ihm gehörten und habe trotzdem nichts gemacht. Hab trotzdem nicht weiter reagiert, obwohl ich doch eigentlich wusste, dass er bei unseren Treffen nicht immer nüchtern war. Im Endeffekt hatte ich es einfach ignoriert und jetzt lag er bewusstlos vor mir. Dass er zu solchen Auswege greifen musste, machte mich so traurig und ich wünschte mir einfach nur so sehr, dass ich ihm irgendwie helfen konnte!

Es kam mir vor wie Stunden, in denen ich alleine mit Tim war, dabei handelte es sich vermutlich nur um eine, höchstens zwei Minuten. Schließlich kam Luis doch wieder rein mit Dennisim Schlepptau. Letzterer blieb einen Moment geschockt im Türrahmen stehen, sah zu mir, sah zu Tim und sah dann wieder zu mir, ehe er sich ebenso wie Luis zu uns in Bewegung setzte.

"Scheiße", murmelte er kaum hörbar, als er direkt vor dem Bett zum Stehen kam und einen Blick auf seinen Freund warf. Dann sah er wieder zu mir und sein Blick wurde direkt mitleidig. Nur kamen mir dabei erst recht wieder Tränen, sodass das nicht gerade verbessert wurde.
"Ach man, Luisa", seufzte er dann und ließ sich neben mir fallen. Mit mitleidigenden Blick schloss er mich in seine Arme und drückte mich eng an sich, wobei meine Tränen direkt noch stärker flossen.

"Dennis, was ist hier los?", schluchzte ich in sein T-Shirt und spürte wie mein ganzer Körper bebte.

"Alles ist gut, Luisa. Lass ihn schlafen, dann wird es ihm besser gehen." Er strich mir langsam über den Rücken, was vermutlich beruhigend wirken sollte, doch spätestens bei seinen Worten wurde das Gegenteil erreicht. Empört drückte ich mich von ihm weg und sah ihn verheult an.

"Alles ist gut? Ist das dein Ernst? Nichts ist gut! Was ist, wenn-" Dann musste ich aber schon wieder abbrechen, weil ich erneut weinend zusammen brach und an seine Brust sank. Dennisseufzte leise und versuchte es dann erneut mit seinen Streicheleinheiten.

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