Kapitel 103: Die Sonne scheint für mich, denn ich bin unzerbrechlich

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"Kann ich wirklich so raus gehen? Das sieht doch irgendwie total komisch an mir aus, oder nicht?" Leicht verzweifelt stellte ich mich vor meiner Mutter hin, ließ meine Arme an meinen Seiten schwach herunter baumeln, sah so unzufrieden aus, als hätte mir mein Friseur gerade meine kompletten Haare abrasiert und seufzte hilflos auf. Meine Mutter hingegen lachte nur amüsiert auf und kam kopfschüttelnd auf mich zu.

"Also wenn du dich so hängen lasst, dann kann ja gar nichts gut aussehen!" Gekonnt legte sie ihre Hände auf meine Schultern, drückte sie sanft nach hinten und nach unten, sodass ich komplett aufrecht stand, zupfte hier und dort an meinem Kleid herum und steckte mir mit einer Haarnadel, die sie aus ihren eigenen Haaren entnahm, eine Haarsträhne nach hinten.

"Schon besser", meinte sie dann stolz und begutachtete lächelnd ihr Werk, doch ich war ganz und gar nicht zufrieden.
Tim hatte mich heute morgen nach Hause gebracht, weil er im Anschluss noch zu Dennis gegangen ist und hatte mich dann wieder total euphorisch daran erinnert, dass wir heute Abend unser - auch wenn es eigentlich echt traurig klang - erstes, richtiges Date nach drei Monaten Beziehung hatten und sofort hatte sich in mir Panik ausgebreitet. Ich hatte doch absolut keine Ahnung, was ich anziehen sollte! Also war ich, direkt als ich mich von Tim verabschiedet hatte, nach drinnen zu meiner Mutter gestürmt und hatte ihr so lange die Ohren voll geheult, bis sie mich in ihr Auto gesteckt hatte und mit mir nach Bielefeld gefahren war, um dort in der Stadt irgendwas zu kaufen. Bis jetzt war ich nämlich wirklich gut ohne sonderlich schicke Sachen ausgekommen, weshalb ich absolut gar nichts für die Situation zum Anziehen hatte.

Und nun stand ich in einem neuen Kleid vor meiner Mutter, in dem ich mich nicht wirklich wohl fühlte, und fragte mich, was das eigentlich sollte alles. Tim wusste, wie ich direkt nach dem Aufstehen aussah und etwas schlimmeres konnte es vermutlich nicht geben, warum machte ich mir dann jetzt so einen Kopf darum, wie ich aussah? Zumal das Kleid nun wirklich nicht außergewöhnliches oder besonderes war und an jedem gut sitzen würde. Es war einfach nur ein schlichtes, schwarzes Kleid, wozu ich eine lange Kette und eine Strickjacke trug, damit es nicht allzu schick war, denn ich bezweifelte, dass das Restaurant, in das wir gehen würden wirklich sehr viel Wert auf Aufstyling legte, doch das war mir sowieso viel lieber, als irgendein Schicki-Micki-Kram. Eigentlich wollte ich ja sogar gar nicht, dass Tim mich zum Essen ausführte, weil er ja wirklich nicht viel Geld hatte und es gerade mal so reichte, doch er konnte mich davon überzeugen, mich darauf einzulassen. Er hatte wohl extra etwas gespart dafür, was mein schlechtes Gewissen sogar noch größer wachsen ließ, doch ich hatte keine Chance es ihm irgendwie auszureden, weshalb ich jetzt hier stand, mein Deo schon lange versagt hatte und ich quasi nur noch darauf wartete, dass Tim anschellen würde.

"Kommst du danach noch nach Hause oder bleibst du bei Tim?" Meine Mutter fragte das völlig selbstverständlich, während sie gerade an den Ärmeln meiner Strickjacke herum zupfte. Ich zuckte bloß mit den Schultern.

"Ich weiß es nicht, ich habe nicht so wirklich einen Überblick von der Planung."

Keine zehn Minuten später klingelte es dann tatsächlich an der Tür und mein Herz schlug sofort einen Tacken schneller. Grinsend beobachtete meine Mutter mich wie ich aus dem Wohnzimmer heraus stolperte und Tim die Tür öffnete. Sein Lächeln wurde, als er mich sah, dann sogar noch größer und er ließ seinen Blick einmal staunend von oben bis unten über mich gleiten, was mir so unangenehm war, dass ich komplett rot anlief.

"Luisa", sagte er nach seiner "Musterung" schließlich und kam einen Schritt zu mir, um nach meinen Händen zu greifen und mir jetzt noch glücklicher in die Augen zu sehen. "Du siehst wunderschön aus."
Wenn ich dachte, dass ich niemals noch roter werden könnte, hatte ich mich hier getäuscht. Total verlegen und gerührt wandte ich meinen Blick ab und sah lächelnd nach unten auf unsere Hände, woraufhin Tim leise auflachte und sich zu mir beugte, um mich kurz zu küssen.

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