Kapitel 26: Je tiefer die Nacht, desto besser die Idee

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Woher kam dieses Geräusch? War da jemand? Unmöglich! Hier war absolut niemand! Bildete ich es mir vielleicht einfach nur ein? War ich schon paranoid? Offensichtlich... Ich atmete kontrolliert aus und bemühte mich dazu möglichst keinen Laut von mir zu geben. Vielleicht würde es auch einfach wieder weggehen, wenn es nicht sehen würde, dass ich hier war. Aber da war doch auch niemand! Absolut niemand war hier und es würde auch niemand hier hin kommen! Ich war komplett alleine, also- Fuck! Ich zog erschrocken Luft ein und fuhr erneut herum. Da ist es schon wieder gewesen! Okay, da war jetzt ganz eindeutig jemand! Aber wer? Vielleicht ein Serienmörder? Oder irgendein anderer Psychopath? In der Dunkelheit konnte ich nicht mehr als drei Meter weit gucken, weshalb ich absolut niemanden entdecken konnte. Und die Geräusche waren auch schon wieder weg. Das Einzige, was ich hörte war mein wie wild schlagendes Herz. Es war so laut, dass die Person es locker auch hören konnte! Voller Panik hielt ich die Luft an und kauerte mich auf meinen Knien auf dem Boden zusammen, da mir das als der einzige halbwegs sichere Ort erschien. Direkt hinter mir war der Kanal, zur Not könnte ich da reinspringen! Es sei denn der Serienmörder kam aus dem Wasser? Völlig paranoid drehte ich mich um, um erleichtert festzustellen, dass da natürlich niemand im Wasser war. Okay, Lu, es wird alles gut! Du wirst nicht gekillt, du kommst ganz normal nach Hause und gehst einfach nie wieder alleine nachts raus! Es würde alles-

"Luisa, atmen!" Ein Schrei entwich meiner Kehle, während ich völlig erschrocken herum fuhr und einen Satz nach hinten machte. Um ein Haar wäre ich im Wasser gelandet, doch eine Hand, die sich blitzschnell um mein Handgelenk legte, bewahrte mich davor und zog mich zurück. Voller Schreck blickte ich hoch und sah in das Gesicht von... Tim?
Wie versteinert starrte ich ihn an und versuchte zu realisieren, was gerade passiert war. Von der einen auf die andere Sekunde wurde mir fürchterlich schlecht, da mein Adrenalin Pegel so plötzlich in den Keller schoss und ich schloss kurz die Augen um mich zu sammeln. Alles um mich herum drehte sich für einen kurzen Moment, doch als Tims warme, klare und doch so leise Stimme - die nebenbei nicht so klang, als wäre er verdammt sauer auf mich - dirket vor mir erklang, ging es mir sofort besser.

"Ist alles okay?" Ich merkte, dass er seine Hand immer noch um mein Handgelenk geschlossen hatte, öffnete meine Augen und sah kurz dorthin, wo unsere Haut sich berührte und danach in seine Augen, die mich so groß und tiefschwarz, bei dem fast nicht vorhandenen Licht, besorgt ansahen. Ich nickte ehrlich und musste leicht lächeln, da Tim mich immer noch nicht wieder los lies.

"Warum bist du hier?", fragte ich dann leise und etwas verunsichert, woraufhin sich auf Tims Gesicht ein kleines Lächeln ausbreitete und er mich etwas von dem Rand weg zog. Ich ließ mich von ihm neben sich auf die kühlen Steine ziehen und sah ihn weiter von der Seite an.

"Denkst du, ich würde unser Ritual vergessen?", fragte er grinsend und war mir irgendwie viel näher als sonst normalerweise. In meinem Bauch drehte sich alles bei seinem Blick und ich musste, ohne es wirklich zu wollen, dauerhaft Grinsen.

"Bist du mir nicht sauer wegen heute Mittag?"
Tim wendete seinen Blick kurz ab, sah auf das Wasser vor uns und schüttelte dann leicht den Kopf, ehe er mich wieder anlächelte.

"Es tut mir wirklich leid!"

"Es brauch dir nicht leid zu tun, Luisa." Tim lächelte mich immer noch so lieb an, dass ich es ihm sofort abnahm. "Aber wer war diese aufgeblasene Barbie, mit der du unterwegs warst?"

"Ey! Was, wenn ich sie mag? Beleidige sie nicht einfach so!"

"Tust du nicht." Tim grinste mich frech an und ich senkte beschämt meinen Kopf.

"Okay, du hast recht", gab ich dann zu und wusste tief in mir drin, dass das wirklich die wahre Antwort war. Ich mochte Jenni wirklich nicht mehr. Sie hatte mir schon so viel versaut, doch dirket kam in mir dieselbe Frage, wie bei Tim hoch.

"Warum triffst du dich dann mit ihr?" Ich sah stur auf das Wasser zwischen meinen Füßen und versuchte eine Antwort zu finden. Ja, warum traf ich mich mit Jenni?

"Ich- ich weiß nicht. Sie ist halt- also, weißt du... sie und ich- wir beide- oh Gott, wie soll ich das sagen?"

"Atme und dann sprich einfach." Tim grinste mich an, wobei sein Blick ständig zu meinen Lippen ging und dort, meiner Meinung nach, viel zu lange verweilte.

"Also, wir waren halt schon immer die besten Freunde. Schon seit wir klein waren. Und dann hat sie sich verändert und ich habe mich auch verändert. Das ist ja auch alles ganz normal und da kann man ja auch nichts gegen tun, doch- Naja, irgendwie hat mir jeder immer erzählt, dass man sich gerade in den jungen Jahren so oft so stark verändert und dass man nicht einfach gute Freunde weg werfen sollte. Also bin ich bei ihr geblieben und sie auch bei mir. Manchmal haben wir Wochen- nein, Monatelang nicht miteinander geredet und dann auf einmal kam einer von uns wieder an und dann hatten wir wieder Kontakt. Es ist wirklich komisch, ich weiß, aber-" Ich zuckte mit den Schultern und wusste nicht recht, was ich weiter sagen sollte. Irgendwie hatte ich schon wieder viel zu viel geredet und ob Tim wusste, was ich meinte, wusste ich noch immer nicht. Dieser nickte jedoch gerade ziemlich verständlich und lehnte sich dann seufzend zurück, um sich auf seinen Unterarmen abzustützen.

"Warum seid ihr denn dieses Mal wieder in Kontakt gekommen?", wollte er dann wissen und sah mich von hinten aufmerksam an. Ich zuckte mit den Schultern und dachte zurück, wie lange das schon so ging.

"Wir hatten ein ganzes Jahr fast keinen Kontakt, außer in der Schule halt. Und dann plötzlich haben sie und zwei andere Freunde mich sozusagen entführt und nach Bielefeld in diesen Club mitgenommen. Und seitdem ist das wieder so."
Tim lachte auf, setzte sich dann wieder aufrecht auf und schien sich nach irgendwas umzusehen.

"Dann ist das ja quasi gut, dass du entführt wurdest, weil sonst hätten wir uns nicht wiedergesehen. Apropos, ich hab uns was mitgebracht!" Und plötzlich fischte er wie aus dem Nichts hinter sich vom Boden eine Flasche her, die er dort wohl vorher abgestellt hatte und die ganz offensichtlich kein Mineralwasser beinhaltete. Seufzend blickte ich auf das dunkle, braune Getränk in der grünen Flasche mit dem Hirschkopf vorne drauf.

"Na gut", gab ich seufzend zu, um ihn nicht noch mehr zu enttäuschen heute und beobachtete, wie Tim die Flasche öffnete.

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