Kapitel 99: Will mich nicht schämen für ein bisschen Glück

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Als ich das nächste Mal wach wurde, brauchte ich einen Moment, um zu realisieren, wo ich gerade war und sofort zog sich ein Lächeln über mein Gesicht. Ich wusste zwar nicht, wie viel Uhr es war, doch es schien schon etwas Licht durch die Jalousien und da meine Augen ja sowieso an die Dunkelheit gewöhnt waren, konnte ich realtiv gut im Raum sehen.
Da ich gerade auf der Seite lag und spürte, wie Tims Arm von hinten um mich geschlungen war und seine sich langsam hebende und senkende Brust ganz nah an meinem Rücken lag, drehte ich mich so vorsichtig wie möglich in seinem Arm um, um ihn nicht aufzuwecken. Und tatsächlich hatte er seine Augen noch geschlossen und schlief tief und fest. Das Einzige, was ich hörte, waren seine zum Glück relativ leisen Atemgeräusche und so kuschelte ich mich wieder etwas an seiner Brust an, um die Augen erneut zu schließen und fast schon genießerisch aufzuseufzen. Es gab wohl keinen schöneren Ort, als den jetzt gerade in Tims Armen und ich konnte mir nicht vorstellen jemals wieder aufzustehen.
Doch gerade als ich das dachte, machte meine Blase mir einen Strich durch die Rechnung. Einen Moment blieb ich noch liegen und war mir sicher, dass ich nie wieder in meinem Leben so eine gemütliche Position zum Schlafen bekäme, bevor ich mich dann leicht genervt aus dem Bett rollte und auf Zehenspitzen zur Tür tapste. Ich versuchte wirklich so leise wie möglich zu sein und als ich mich dann an der Tür nochmal umdrehte, um einen lächelnden Blick auf meinen Freund zu werfen, stellte ich auch erleichtert fest, dass er noch zu schlafen schien und nicht wach geworden war.

Erst als ich die Tür dann öffnete und die Luft aus den Flur wahrnahm, erkannte ich, wie warm und stickig es in Tims Zimmer gewesen ist, also ließ ich die Tür einen ganz kleinen Spalt auf und schlich zur Toilette. Dort sah ich mich eine ganze Zeit lang im Spiegel an und versuchte irgendwas an meiner äußeren Erscheinung zu ändern, doch es klappte nicht so wirklich. Meine Augen waren total klein und müde, meine Augenringe groß, meine Lippen von der Kälte draußen trocken und über meine Haare wollte ich erst gar nicht reden. Es brachte alles nicht so wirklich etwas und so putzte ich mir nur schnell die Zähne und wollte dann wieder zu Tim zurück, als ich an der Küche vorbei kam, wo Luis am Tisch saß und ganz gemütlich einen Kaffee trank. Ich hatte ihn vorher gar nicht gesehen.
Auch er hob seinen Kopf jetzt und sah mich lächelnd an.

"Morgen", begrüßte er mich freundlich, legte seine Zeitung, die er gerade wohl gelesen hatte, zur Seite und lächelte mir freundlich entgegen.

"Morgen", erwiderte ich und blieb unschlüssig in der Tür stehen.

"Willst du auch einen Kaffee?", fragte er dann direkt und stand auf, um, bevor ich überhaupt antworten konnte, eine Tasse für mich aus dem Regal zu holen und mir zu bedeuten, mich zu setzen. Höflichkeitshalber sagte ich dann auch nicht mehr 'nein' und so saß ich keine zwei Minuten später Luis gegenüber am Tisch und fragte mich, worüber in alles in der Welt ich mit ihm reden sollte. Ich hatte ihn zwar bereits kennengelernt und öfter mal mit ihm geredet, doch nur so flüchtig und kurz. Jetzt saß ich mit ihm an einem Tisch und schlürfte etwas verloren an meinem Kaffee.

"Gut geschlafen?" Luis lächelte mich freundlich an und trank einen Schluck seines Kaffees.

"Total", erwiderte ich und ertappte mich dabei, wie ich bei meinen Gedanken an Tim sofort wieder wie ein Honigkuchenpferd strahlte und dachte im selben Moment, dass Luis jetzt bestimmt was komplett falsches denken musste.
Er zog mich jedoch direkt in irgendein Gespräch über die Schule, obwohl ich viel lieber wieder bei Tim gelegen hätte.

Obwohl Luis ein ganzes Jahr jünger war als ich, wirkte er total reif und viel erwachsener, als ich es vermutlich je sein würde, was ich echt bemerkenswert fand. Wie ich erfuhr, machte auch er Musik, aber er sang wohl nicht. Stattdessen entwickelte er Beats, die Tim teilweise auch für seine und Dennis' Lieder nahm und mischte irgendwelches Zeug zusammen, was im Endeffekt, wie er sagte, total gut klang.

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