Kapitel 8

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Ich verspürte nicht das Bedürfnis wieder rein zu gehen. Also entschied ich mich dazu, das Gelände zu erkunden. Von der Hütte meines Vaters aus, ging ich nach rechts, wo man weiter hinten einen kleinen Wald erkennen konnte. Natürlich war es gefährlich einfach so in einen fremden Wald zugehen, aber das war mir gerade egal. Die Luft war angenehm kühl und es wehte ein schwacher Wind, der meine Haare in der Luft tanzen ließ. Obwohl das Feuer überwiegend in mir schlummerte, fühlte ich mich schon immer bei Kälte wohler.
Der Wald, in dem ich mich jetzt befand, sante Ruhe und Frieden aus. Wenn ich normalerweise einen Wald betrachtete, dachte ich immer gleich an die Wälder aus den ganzen Horrorfilmen. Aber dieser Wald erinnerte mich an gute Märchen. Die Nadelbäume strahlten in einem satten grün und das Gras sah weich und gemütlich aus. Selbst der kleine Trampelpfad, auf dem ich mich befand, wirkte friedlich. Dann öffnete sich der Wald und ich starrte mit offenem Mund die Landschaft vor mir an. Das Wasser des Sees war klar und rein, sodass man davon hätte trinken können. Die Oberfläche lag so still und ruhig da, dass ich ihn als Spiegel benutzen konnte. An dem gegenüberliegendem Ufer grenzte ein größerer Felsbrocken, von dem man in den See springen könnte, an. Alles in einem war es das wunderschönste, was ich je gesehen hatte. Am liebsten wäre ich jetzt von diesem Fels gesprungen, um anschließend ein paar Runden zu schwimmen. Aber ich hatte weder Badesachen dabei, noch war es warm genug. Also begnügte ich mich damit, mich ans Ufer zu setzen und meinen Gedanken hinterher zu hängen.

>>Oh, Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass du hier bist.<< Hörte ich eine männliche Stimme hinter mir. >>Ich geh dann wieder. Sorry nochmal.<<
>>Das musst du nicht.<< Sagte ich zu Phil. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Phil mich nachdenklich musterte. Dann gab er sich einen Ruck und setzte sich neben mich.
>>Wunderschön, oder?<< Fragte mich Phil.
>>Ja. Das Schönste, was ich je gesehen habe.<< Schwärmte ich. >>Kaum zu glauben, dass ich das hier erst nach knapp drei Wochen entdeckt habe.<<
>>Ich hatte es schon in der ersten Woche gefunden. Seitdem hielt ich mich oft hier auf.<< Erklärte er.
>>Deshalb warst du also nie auffindbar.<< Stellte ich überrascht fest.
Phil nickte.
>>Du hast geweint.<< Das kam so plötzlich, dass ich ihn verwundert an sah.
>>Wie kommst du darauf?<<
>>Deine Augen sind etwas gerötet und geschwollen. Außerdem hast du auf deinen Wagen ein paar Tränenspuren.<<
Beschämt blicke ich zur anderen Seite von mir. Ich sah bestimmt furchtbar aus. Da es allerdings nichts brachte es zu leugnen, nickte ich leicht meinen Kopf.
>>Darf ich wissen wieso?<<
Nachdem ich ein paar Minuten nur schweigend auf das Wasser geschaut hatte, sagte er: >>Entschuldigung, logisch das du nicht darüber reden willst.<<
>>Nein, ist schon gut. Irgendwann hättet ihr es sowieso erfahren. Also zumindest einen Teil des Grundes.<< Ich erzählte ihm von meinem Traum, von der Prophezeiung und dass sie sich auf mich bezog und von den Gespräch mit meinem Vater. Phil war ein guter Zuhörer. Er schaute mich die ganze Zeit aufmerksam an und unterbrach mich kein einziges Mal. Nachdem ich geendet hatte, schwiegen wir eine Weile.
>>Ich könnte jetzt sagen, dass es mir leid täte, aber das ist doch sowieso nur eine Floskel, die keine wirkliche Bedeutung hat.<<
>>Ich kann es auch nicht leiden, wenn Menschen das zu mir sagen.<<
>>Du solltest morgen wieder mit deinem Vater sprechen.<<
>>Ja, das hatte ich vor. Es fällt mir dennoch sehr schwer. Ich meine, ich habe zehn Jahre geglaubt er sei tot. Und jetzt erfahre ich, dass er die ganze Zeit hier gelebt hat.<<
>>Weißt du was du jetzt brauchst? Ablenkung.<< Phil stand auf und hielt mir seine Hand hin. Nach einem skeptischen Blick ergriff ich sie und ließ mich von ihm hochziehen.
>>Und was soll das für eine Ablenkung sein?<<
>>Wir gehen jetzt schwimmen.<<
>>Warte, was?<< Phil war gerade dabei sein T-shirt auszuziehen. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um nicht seinen muskulösen Oberkörper anzustarren. >>Also erstens habe ich keine Badesachen und selbst wenn ich welche hätte, es ist doch viel zu kalt, um baden zu gehen.<< Meine Versuche ihn davon abzubringen, scheiterten kläglich. Denn Phil stand schon längst bloß in Boxershorts vor mir. Mein Gott, wie kann man bloß so gut aussehen?
>>Du hast doch Unterwäsche an. Das ist doch im Endeffekt dasselbe wie ein Bikini. Außerdem macht mir die Kälte nichts aus. Träger für Wasser und so. Und du kannst dich mit dem Feuer von innen heraus wärmen.<<
Nach langem hin und her stand ich nun doch in Unterwäsche vor ihm. Da sie schlicht und schwarz war, konnte sie sehr gut als Bikini durchgehen. Trotzdem war es mir unangenehm. Phil ließ seinen Blick flüchtig über meinen Körper fliegen, ehe er verlegen den Blick abwandte und ins Wasser trat. Er schien zu merken, dass ich immer noch unschlüssig am Ufer stand.
>>Na los. Trau dich.<< Ermutigte er mich und hielt mir die Hand hin. Zögernd nahm ich sie. Sanft aber bestimmt zog er mich in Wasser.
>>Ach du scheiße ist das kalt!<< Jammerte ich, als meine Füße das Wasser berührten.
>>Denk an warme Dinge. Denk an das Feuer.<<
Ich schloß also meine Augen und versuchte mich von innen heraus zu wärmen.
Nachdem ich schon sagen wollte, dass es nicht klappt, merkte ich, dass ich schon bis zur Hüfte im Wasser stand. Vorsicht öffnete ich meine Augen wieder.
>>Siehst du, so schwer war das doch gar nicht.<< Lächelte mir Phil zu. >>Und jetzt...<< Ehe ich auch nur irgendwie reagieren konnte, befand sich mein Kopf auch schon Unterwasser. Mit einem empörtem Blick tauchte ich wieder auf und Phil bekam einen Schwung Wasser ins Gesicht.
>>Du weißt, dass mich das nicht stört?<< Grinste er.
>>Ach halt doch die Klappe.<< Ich versuchte ernst zu klingen, aber das misslang mir gewaltig. Ich konnte mir ein fettes Grinsen einfach nicht verkneifen.
>>Ich werde jetzt schwimmen.<< Also schwamm ich los.
Da der See nicht sehr groß war, erreichte ich das andere Ufer schon nach ein paar Minuten. Ich wusste, dass Phil mir gefolgt war und wollte mich schon siegessicher umdrehen, da ich schneller als er war. Nur da hatte ich die Rechnung nicht mit Phil gemacht. Ich bekam eine Menge Wasser ins Gesicht.
>>Weißt du was? Das stört mich überhaupt nicht.<< Ich wollte ihm nicht die Genugtuung geben, mich über ihn aufzuregen. Also verließ ich den See und ging auf den Felsen zu.
>>Was hast du vor?<< Fragte Phil, der mir gefolgt war, unsicher.
>>Nach was sieht es denn aus?<< Erwiderte ich und fing an den Felsen hoch zu klettern. Er war nur vier bis fünf Meter hoch und hatte viele Steine, an denen man sich gut festhalten konnte. Nach dem ich oben angelangt war, sah ich nach unten. Phil hatte schon drei Meter zurück gelegt. Nur stellte er sich nicht sonderlich geschickt an. Doch schließlich stand er schweratmend neben mir.
>>Also im Wasser bist du wesentlich geschickter.<< Neckte ich Phil.
Auf den grimmigen Blick von ihm ging ich gar nicht erst ein. Ich stellte mich an den Rand des Felsen und schaute auf das Wasser runter.
>>Du..du willst doch nicht wirklich springen? O.. oder?<< Phil stand immer noch in der Mitte des Felsen.
>>Doch, natürlich.<< Ich sah wie Phil schwer schluckte. >>Du hast doch nicht etwa Höhenangst, oder etwa doch?<<
Der peinliche Blick von Phil war mir Antwort genug.
>>Das muss dir doch nicht peinlich sein. Jeder hat vor etwas Angst. Aber wieso bist du dann mit hoch geklettert?<<
>>Ich.. keine Ahnung.<< Murmelte er.
>>Okey weißt du was? Ich helfe dir. Du hast mir auch geholfen ins Wasser zu gehen. Jetzt werde ich dir helfen hier runter zu springen. Denn glaub mir, dieses Gefühl, das du dabei verspürst, ist unglaublich.<<
Ich ging auf Phil zu und nahm seine Hand. Doch er entzog sie mir wieder und senkte den Blick. Den sonst so selbstbewussten Phil jetzt so zu sehen war eigenartig.
>>Phil, bitte lass mich dir helfen.<< Sagte ich sanft und griff wieder nach seiner Hand. Diesmal entzog er sie mir nicht. Er lächelte mich sogar leicht an. Ich nahm auch noch seine zweite Hand in meine.
>>Okey. Schau mir jetzt in die Augen und stell dir etwas vor, was du ganz doll magst. Zum Beispiel ein Gemälde, da du ja Künstler bist.<< Erklärte ich.
Er nickte. Vorsicht ging ich Schritt für Schritt rückwärts und ließ mir von Phil sein lieblings Gemälde beschreiben.
Da ich sehr langsam lief, merkte ich erst nach ein paar Minuten die Kante an meiner Ferse. Vorsicht ließ ich eine Hand los und drehte mich zum See um. Phil stellte sich neben mich, den seine Augen immer noch auf mich gerichtet.
>>Schau doch, wie schön das von hier oben aussieht.<<
Ganz langsam schaute er auf den See. Sein Blick sprach Bände.
>>Siehst du? War doch gar nicht so schwer.<< Grinste ich. >>Und jetzt... <<
Und ehe Phil reagieren konnte, sprang ich und zog Phil mit.

Die Nacht der Elemente *abgebrochen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt