- Epilog -

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Ich genoss die Stille.

Das Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Blätter und das Pfeifen des Windes. Es klang wie ein liebliches Orchester, das zu später Stunde spielte, während die Sonne langsam verschwand. Ellie blätterte wie gewohnt in ihrer Lektüre, während sie im Schneidersitz auf der alten Holzbank saß. Sie hatte über die Jahre langes Haar bekommen, das im Schein der untergehenden Sonne wunderschön glänzte. Auch ihre Statur hatte sich verändert. Sie war groß geworden, zwar immer noch einen Kopf kleiner als ich, doch sie glich stets einem roten, verlorenen Engel.

Selbst nach 4 Jahren.

Meine Hände griffen nach einem Blatt und ich bemerkte die herangewachsene Größe meiner Finger. Sie wirkten erwachsener und älter als je zuvor. Mit der anderen fuhr ich mir durch das kurze, blonde Haar. Es wehte nicht mehr wie gewohnt im Wind, sondern ruhte auf meiner Kopfhaut. ,,Pass auf, Alex, man sieht deine Boxershorts." ,erinnerte mich Ellie und ich stopfte sie panisch in meine Hose.

,,Gott, das ist vielleicht nervig." ,beschwerte ich mich. ,,Eines Tages ziehe ich sie dir hoch." ,scherzte sie und streckte die Zunge heraus. Ich ließ mich auf die Bank fallen, woraufhin sie ihren Kopf auf meinen Schoß legte. ,,Sehe ich aus, wie ein Kissen?" ,,Jap und gemütlich bist du auch, also halt deinen Schnabel." Ich lachte und beobachtete ihr Gesicht.

Ihre Eltern waren sehr gut mit meinen befreundet gewesen. Ab und zu benahmen sie sich zwar wie einpaar Vorschüler, wenn zum Beispiel das Lieblingsteam meines Vaters beim Sport gewann oder Ellies Mutter ihren Kuchen anders backte, als meine. Tatsächlich hatte Ellis Mutter erneut einen Patner für's Leben gefunden und diesen geheiratet, was uns alle unglaublich glücklich gemacht hatte.

Vielleicht könnte man uns als Bilderbuchfamilie bezeichnen, doch da Ellie Bilderbücher hasste, zweifelte ich an dieser Namensgebung.

Sie selbst würde demnächst auf ein College gehen und sich danach um ein Studium kümmern, was mich freute, da Ellie unbedingt ihren Traum verwirklichen und Literatur studieren wollte. Ich glaubte seit jenem Tag daran, dass sie es irgendwann schaffen würde.

Es war nicht leicht auf dem College, aber es gab Menschen, die dort versuchten, mir das Leben erträglicher zu machen, wofür ich ihnen sehr dankbar war.

,,Hey, lebst du noch?" Ellie wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum und ich erschrak. ,,Was? Achso, ja."

,,Dann lass mich dir etwas vorlesen." Ich nickte ihr lächelnd zu und sie suchte die entsprechende Seite.

Sie war meine beste Freundin geworden und nach all den Jahren immer noch an meiner Seite geblieben. Ellie glaubte stets an die unvergessliche Freundschaft zwischen zwei Menschen, wie zwei Blumen, die viele Jahreszeiten überstanden hatten und letztendlich zusammen verwelkten. Die ihre Vergangenheit und Zukunft miteinander teilten und zusammen gegen die Probleme dieser Welt ankämpften

Heute waren wir neunzehn.

Morgen vielleicht sechsundzwanzig.

Doch vergehen wird unsere Freundschaft nicht.

Sie setzte an und las ein Zitat vor, mit ihrer lieblichen und sanften Stimme und ich? Ich war glücklich.

,,Wir können nicht den exakten Moment benennen, in dem eine Freundschaft entsteht. Wie ein Krug, der Tropfen für Tropfen gefüllt wird, bis ein letzter Tropfen ihn zum Überlaufen bringt, so gibt es bei einer Freundschaft eine Vielzahl von Freundlichkeiten bis zu jener, die das Herz zum Überlaufen bringt."

Song: Heaven - The Walkmen

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