Es gab Tage, an denen mich meine Schauspielkunst verließ und man mir meinen Kummer anmerkte, wenn ich 24 Stunden lang in meinem Bett lag und die Decke anstarrte. Manchmal kam es mir so vor, als würden Mütter diese Art von Kummer riechen, denn meine kam ständig mit einer Tasse Tee ins Zimmer gestürmt, die ich letztendlich nicht mal berührte. Während mir die wahre Ursache meines Kummers bewusst war, schob sie es lediglich auf den Schlag, welchen ich abbekommen hatte.
Sie strahlte vor lauter Ideen und Vorschläge, um mich am Wochenende aus dem Bett zu bekommen. Natürlich verstand meine Mutter nicht, dass ich kein herkömmliches Mädchen war, welches irgendwelche weiblichen Aktivitäten bevorzugte. Mir platzte der Kragen, als ich am Samstag in einer Umkleidekabine stand und das seltsame Stück Stoff auf meinem Oberkörper begutachtete. Es verdeckte meine Brüste und sollte anscheinend für einen tollen Wachstum oder so etwas sorgen, da ich mich, leider Gottes, in der Pubertät befand.
Lange hatte ich mich vor einem BH gedrückt und das Wort verursachte immer noch kleine Pickel, die sich nach dem Aussprechen auf meine Haut schlichen. Am liebsten hätte ich mir das Teil vom Leib gerissen und mich erneut unter meiner Bettdecke verkrochen, doch ich hörte ständig die Fragen meiner Mutter.
,,Passt's denn?"
,,Lieber rosa oder weiß?"
,,Soll ich nach einem anderen ausschau halten?"
,,Mum!" ,rief ich verärgert, während sie sich in die Umkleidekabine mogelte. ,,Ich muss doch sehen, ob es gut aussieht, oder nicht!" ,rief sie nur empört und zog an dem Stück Stoff herum. ,,Der ist definitiv zu klein und du sagst nichts?" Die Röte schoss in meine Wangen. ,,Geh sofort raus!" ,,Aber-" ,,Raus!" ,,Ich geh ja schon!" ,murmelte sie beleidigt und verschwand aus der Kabine.
Seufzend lehnte ich mich gegen die Wand rutschte auf den Boden und umklammerte verzweifelt meine Knie. Mein Spiegelbild starrte mich an. Ich sah die kleinen pickelartigen Hügel auf meinem Gesicht, die sich über meine Stirn zogen und das blonde Haar, welches eigentlich hätte geschnitten werden müssen. Mit der Pubertät würde ich mich nie anfreunden, geschweige denn ihr überhaupt eine Chance geben. Sie zerstörte meine Träume, ein für alle mal und es gefiel mir nicht. Mir gefiel die Hilflosigkeit nicht, als würde man mir die Kontrolle über meinen eigenen Körper nehmen.
Manchmal, da stellte ich mir vor, wie ich diese Maske von mir riss. Wie ich mich aus der traurigen Hülle befreite und endlich so sein konnte, wie ich es mir schon immer vorgestellt hatte und dann dachte ich darüber nach, wie ich es meinen Eltern beichtete, ihnen von all den kleinen Details erzählte, die mich schon immer unglücklich gemacht hatten. Ihre Reaktion würde mir Angst machen, nur sie stand mir im Weg.
,,Alice, hier!"
Meine Mutter streckte ihre Hand durch den Vorhang. Ich erblickte die dunkelblaue Farbe, welche mich an jene Nacht erinnerte, in der ich weinend vor dem Fenster stand und die Sterne beobachtete. Wie sie funkelten und den Himmel erleuchteten, den dunkelblauen Himmel. Der BH gefiel mir, auf eine seltsame Art und Weise und die Farbe schenkte mir etwas, von dem ich dachte, dass ich es nie bekommen würde, das Gefühl von Erleichterung, denn sie spiegelte ausnahmsweise mal nicht die 'übertriebene Weiblichkeit' eines Mädchens wieder. Mein Körper durfte die Farbe blau tragen, mit Stolz. Kein weiß oder rosa, so, wie meine Mutter es immer von mir erwartet hatte, nein, es war blau und ich sah es als eine Chance an, die ich unbedingt ergreifen musste, als würde das Stück Stoff endlich in eine Richtung einschlagen, die ich nutzen konnte.
Ich griff danach, hoffnungsvoll und lächelnd. Es war mir egal, was unsere Gesellschaft von mir erwartete. Mein Charakter war nun mal kein pink, sondern ein strahlendes blau, das vor lauter Stolz protzen sollte. Eigentlich.
Song: Simple Song ~ The Shins
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Different
Novela JuvenilNachdem die 15 Jährige Alice sich ihrer Geschlechtsdysphorie bewusst wird, trifft diese auf ein äußerst helles Köpfchen, welches ihr bei dem schweren Prozess der Selbstfindung hilft.