Man möge mich für verrückt halten, wie ich da einfach seelenruhig stand während ein wildgewordenes Pferd auf mich zustürmte. Aber irgendetwas sagte mir, dass ich keinen Schaden davon tragen würde. Und diesem Gefühl beschließe ich in dem Moment auch nachzugehen.
Das Pferd ist nur noch wenige Meter von mir entfernt. Man merkt ihm an, dass er irritiert davon ist, dass ich mich nicht wegbewege. Er wird auch etwas langsamer, hat die Augen aber dennoch weitaufgerissen. Als er fast direkt vor mir steht, breite ich die Arme schräg in die Höhe aus und rufe ein beruhigendes "Hoo". Ein Wort, welches bei Champion immer seinen Sinn erfüllt hat.
Und auch dieses Pferd beruhigt sich sichtlich und macht schließlich vor mir eine Vollbremsung um mich nicht umzurennen. Ich schließe die Augen und neige den Kopf zu Boden. Kurz darauf spüre ich die Nüstern des Pferdes sanft über meine Haare pusten. Es fühlt sich an, als ob er meinen Duft in sich aufnehmen würde und sich damit vollkommen entspannt.Langsam neige ich meinen Kopf nach oben und blicke in karamellbraune Augen. Black Champion hatte genau diese Augenfarbe auch. Ich dachte mir immer, dass sie selten wäre.
Ich betrachte den schwarzen Wallach vor mir haargenau und prägte mir alles in seinem Gesicht ein. An seiner Stirn blieb ich stehen. An der Stelle an der die meisten Abzeichen sind, also am Haarwirbel, hat seine Stirn eine andere Schwärze wie das restliche Fell."Hast du ihn schonmal gewaschen, Mira?" frage ich das Mädchen leise.
"Nein, er hat mich nicht rangelassen. Wieso?" antwortet sie in der selben Lautstärke.
Ich antworte ihr nicht mehr und strecke behutsam die Hand nach oben, seitlich an sein Gesicht. Er schließt schon fast die Augen und genießt meine zarten Berührungen.
In sanften Bewegungen lasse ich meine Hand über sein Gesicht über seine Flanke bis zu seinem Widerrist fahren. Als ich ihn am Rücken berühre, zuckt er etwas zurück, macht aber nichts besonderes.
"Gib mir bitte mal einen nassen Schwamm und mach etwas Shampoo drauf." weise ich Mira nochmal an, betrachte den Rappen aber weiter. Gleich darauf gibt sie mir den Schwamm und ich lasse ihn langsam auf die Stirn des Pferdes sinken. Er rührt sich nicht und sieht mir weiterhin in die Augen, was ich als Bestätigung sehe weiterzumachen. Ich übe etwas mehr Druck auf der Stirn aus und fahre den Haarwirbel hoch und runter. Mein Verdacht wird wahr. Unter der etwas helleren schwarzen Schicht verbirgt sich ein strahlend weißer Stern.
"Black Champion..." flüstere ich und sehe das Pferd mit großen Augen an.
"Was?" ruft Mira erschrocken.
"Das ist mein Pferd. Er wurde mir vor ein zwei Monaten gestohlen und ich habe ihn zuletzt bei einem Pferdeschänder gesehen. Danach hat ihn jemand gekauft. Ich wusste aber nicht wer." erkläre ich ihr.
"Wie bitte? Nein, das hier ist Star. Mein Pferd. Ich habe dich hierher geholt, damit du MEINEM Pferd hilfst und ihn nicht mit deinem verschollenen vergleichst. Was soll das?"
"Hast du seine Papiere? Wir können ihn gerne vom Tierarzt anschauen lassen, dann wissen wir wer er wirklich ist."
Mira stimmt schnaubend zu und kommt dann auf und zu. Sie reißt "Star"s Strick herum und zerrt ihn förmlich wieder in die Box. Diesesmal wehrt er sich nicht. Jedoch wiehert er und sieht mich dabei die ganze Zeit an.
Ja, mein Junge! Ich erkenne dich und ich weiß, dass du mich auch erkennst. Wir müssen es nur den anderen beweisen.Mira schließt die Boxentür und will warscheinlich schon bei einem Tierarzt anrufen, jedoch halte ich sie zurück.
"Heute nicht mehr. Es wird schon dunkel und ich muss noch heimfahren. Ich bin morgen um 15.00 Uhr wieder hier. Mit den Papieren von Champion. Und du rufst deinen Tierarzt an." sage ich ihr, drehe mich um und steige in mein Auto. Bevor ich umdrehe und aus der Einfahrt fahre, sehe ich noch den Kopf des schwarzen Pferdes und seine karamellfarbenen Augen.
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Reitinternat Sunshine 2-Pferde fliegen ohne Flügel
Teen FictionDie Geschichte von Emma, Lina, Black Champion und den Anderen geht weiter. Zwei Jahre später. Der Hof von Emmas Eltern steht kurz vor dem Aus. Zu viele Schulden und zu wenig Ferienkinder und Reitschüler. Emma und ihre Freunde müssen sich etwas überl...