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Völlig aufgelöst und noch immer unter Tränen verlasse ich langsam den Stall und begebe mich zurück zu Lina und dem Polizisten.

"Er ist nicht hier." flüstere ich nur. Lina schluchzt ebenfalls auf und umarmt mich zitternd.

"Entschuldigen Sie, dass ich sie bei diesem traurigem Moment unterbreche, aber wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um ihren Wallach zu finden. Ich habe selbst zwei Pferde und kann sie sehr gut verstehen, Miss Summer." unterbricht uns der Polizist mitfühlend und legt eine Hand auf meine Schulter. Ich wische mir die Tränen von den Wangen und lächele ihn dankend an.

Kurz darauf verabschiedet er sich und man hört die Sirenen der Polizeiautos, die immer leiser werden. Als es ganz still am Hof ist, komme ich erst zur Erkenntnis, dass nicht nur Black Champion hierher entführt wurde.

"Lina, was ist mit all den anderen Pferden? Wieso hat die Polizei nichts über die Restlichen gesagt?"

"Oh Mann, du hast Recht. Was tun wir jetzt? Wir können sie doch nicht einfach hier lassen."

Kurzerhand beginne ich die Boxentüren einzeln aufzuschieben und die Pferde hinauszutreiben. Lina hilft mir natürlich, da sie nun weiß, was ich vorhabe. Als alle Pferde im Hof versammelt stehen und unruhig mit den Hufen scharren, trete ich ebenfalls aus dem Stall.

Ich atme tief durch und bereite mich auf das kommende vor. Obwohl ich das noch nie ausprobiert habe und es auf die weite Entfernung garnicht funktionieren dürfte, bin ich mir sicher, dass alles nach Plan läuft. Denn sie ist nie wirklich weit von mir entfernt.

Kräftig hole ich Luft und pfeife einmal so laut ich kann, obwohl mir sogar dies zu leise vorkommt. Einige Augenblicke ist es still. Es scheint, als würden sogar die Pferde gespannt darauf sein, was jetzt kommt. Und obwohl es für manche lächerlich erscheinen möge, ist es für mich etwas ganz besonderes, als Tracy wenige Augenblicke später in den Hof gestürmt kommt.

Sie hält vor mir und schnaubt erleichtert in mein Haar. Ich lobe sie freudig und grinse meine beste Freundin an, die uns mit leicht offenem Mund zugesehen hat. Ich schwinge mich auf Tracys Rücken und helfe Lina hinter mir hinauf. Meine Stute versteht sofort was ich von ihr will als ich einmal schnalze, wiehert kurz und trabt dann los. Da Pferde ja Herdentiere sind, folgen die anderen uns brav.

Bald kommt unsere Gruppe auch schon auf dem Hof meiner Eltern an, welcher anders als sonst nicht ganz leer ist. Ein glänzender, schwarzer Audi und zwei Polizeiautos stehen auf dem Hof. Undeutlich kann ich noch erkennen, dass aus dem Audi ein schmieriger Mann im Anzug steigt und meine Eltern begrüßt, welche gerade aus dem Wohnhaus kommen. Dann versperren mir einige Pferde die Sicht. Ich führe die geretteten Pferde auf unsere größte Weide und schließe hinter dem letzten das Gatter. Einige Tiere galoppieren sofort los, wogegen sich anderen, warscheinlich ältere erschöpft auf der Wiese niederlassen. Wir müssen sie wohl alle später nach großen Verletzungen und möglichen Krankheiten untersuchen. Zum Glück ist meine Mutter Tierärztin.

Lina rutscht von Tracys Rücken und ich bringe mein Pferd schnell in den Stall und versorge sie. Dann rennen wir schon fast auf meine Eltern und den Anzugträger zu und machen beide gleichzeitig eine Vollbremsung, was dem schnöselhaften Mann wohl nicht entgeht, denn er schaut uns einmal abschätzig an, bevor er einfach weiterredet. Und was dann kommt, hätte ich im Leben nicht erwartet.

"Sie haben 3 Wochen. Dann verwandle ich ihren Ponyhof in ein Luxusimperium."

Während bei mir eine Welt zusammenbricht, steigt der Mann mit einem zufriedenen Grinsen in sein Luxusauto und braust vom Hof. Als er weg ist, drehe ich mich fassungslos zu meinen Eltern, aber beide meiden meinen Blick.

"Ich wusste, dass es bei uns knapp wird. Aber ihr habt mir nie gesagt, dass wir alles verlieren könnten oder sogar werden."

Mein Vater schaut hoch und ich bemerke, dass auch er Tränen in den Augen hat. Meine Mutter stürmt heulend ins Haus. Papa folgt ihr sofort. Aufgelöst und wiedereinmal heulend fallen Lina und ich uns in die Arme und verbringen so einige Zeit. Aber wir werden auch dieses Mal von meinem Handy unterbrochen. Als ich auf den Display schaue, bekomme ich ein mulmiges Gefühl im Bauch und als ich die zitternde Stimme von Annika, der freiwilligen Helferin im Zucht-und Fohlenhof höre, bestätigt sich dies.

"Hallo?"

"Emma...Royal of Dream hat ihr Fohlen bekommen. Ich versuche schon so lange dich zu erreichen."

"Oh Gott, tut mir so leid. Ich komme sofort. Ist mit Dream und dem Fohlen alles okay?"

"Nein...Ich meine...Ja, das Fohlen ist kerngesund und munter. Aber Dream hatte....innere Blut..ungen und der...Tierarzt konnte....konnte nichts mehr tun.....es tut mir so leid, Emma. Dream ist tod." stottert sie unter Heulkrämpfen und ich lasse augenblicklich das Telefon fallen. Mir wird schwindelig und ich stürze auf den Boden. Dann wird mir schwarz vor Augen und ich höre nur noch Linas panisches Geschrei.



Reitinternat Sunshine 2-Pferde fliegen ohne FlügelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt