„Leo, verzieh dich."
Stöhnend drehte ich mich von ihm weg und zog mir die Decke über den Kopf.
„Ich wünsche dir auch einen wunderschönen guten Morgen, mein allerliebstes Lieblingsschwesterchen", hörte ich seine Stimme amüsiert durch meine Decke. „Ich hab hier ein wunderbares Frühstückstablett mit den leckersten Sachen zusammengestellt und eigentlich war es ja für dich gedacht, mein Herzblatt, aber wenn du nichts davon möchtest, sondern wenn ich aus deinem Zimmer verschwinden soll, dann ist das auch kein Problem..."
Ich schlug die Decke zurück und musste unwillkürlich grinsen. Er lächelte zurück und ließ sich neben mir auf meinem Bett nieder. Schwungvoll setzte ich mich auf und er legte das Tablett auf meinem Schoß ab.
„Du bist so süß", sagte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Ich weiß", gab er frech zurück und zuckte nur mit den Schultern.
Ich streckte mich einmal kurz und merkte, dass ich wirklich total ausgeschlafen war. Mal was ganz Neues. Ich hatte mich auch gestern Abend sofort schlafen gelegt und nur noch das Foto von Harry und mir angestarrt. Irgendwann sind mir dabei wohl die Augen zugeklappt und ich habe bis vor einer Viertelstunde wie ein Stein geschlafen. Immerhin hatte ich eine Viertelstunde Ruhe gehabt, in der ich einfach nur herumgelegen und an nichts gedacht hatte, bis Leo vor ein paar Sekunden hereingekommen ist, aber ehrlich gesagt freute ich mich total darüber, dass er jetzt hier war und mir so ein süßes Frühstück ans Bett brachte.
Während ich aß und Leo sich neben mir lang ausstreckte, unterhielten wir uns über alles Mögliche. Ich erzählte ihm von dem Geld und dem neuen Job, was ich beides gestern von Wayne bekommen hatte, (das Foto hatte ich ihm natürlich gestern noch gezeigt) und er staunte nicht schlecht.
„Richtig geil, Sam!"
„Aber ich hab Schiss vor morgen", sagte ich und lenkte das Gespräch nun auf das Thema, das wir beide die letzte halbe Stunde extra vermieden haben.
Er seufzte und sah mich mitfühlend an. „Ich weiß, Sammy, ich weiß... Ich kann den Kerl einfach überhaupt nicht einschätzen, deswegen kann ich dir auch nicht sagen, was das Beste wäre, was du machen kannst. Das ist einfach nur frustrierend, dass wir hier sitzen und nichts tun können..."
„Ja, das kannst du laut sagen", murmelte ich und steckte mir ein neues Stück Orange in den Mund.
„Sag mal, Sammy...", fing Leo an und sah mich ein wenig nachdenklich an. „Was würdest du machen... Also, rein hypothetisch gesehen, wenn Harry kommen würde und sich entschuldigen und sagen würde, dass das mit Taylor ein Ausrutscher war und so weiter – würdest du ihm verzeihen?"
„Rein hypothetisch gesehen", wiederholte ich seine Worte. Ich sah ihn an und seufzte. „Ehrlich, Leo, ich hab keinen blassen Schimmer. Du kennst mich, ich bin ein Bauch-Mensch. Ich tue das, was mir der Bauch sagt, und nicht was der Kopf von mir will. Denn im Endeffekt wird man auf längere Sicht gesehen nur glücklich, wenn man sich auf den Bauch verlässt und nicht immer alles logisch hinterfragt und kritisch denkt und so. Ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren würde. Was mein Bauch sagen würde. Rein hypothetisch."
„Hm...", machte er und starrte grübelnd mit finsterem Gesichtsausdruck an die Decke.
~~~
Ein paar Stunden später lagen wir nebeneinander auf der Couch und mein Kopf lag an Leos Schulter, während wir Iron Man 1 und 2 anschauten. Leo und ich waren beide totale Marvel-Superhelden-Freaks, angefangen bei Iron Man über Black Widow und Hawkeye bis hin zu Thor und Loki. Ich liebe diese Figuren.
Plötzlich klingelte es an der Haustür.
„Ich wette, das ist Caro", grummelte ich und bewegte mich keinen Zentimeter.
„Ja, da stimme ich dir zu", meinte Leo. Er kannte diese besondere Verbindung zwischen Caro und mir natürlich bestens.
„Willst du ihr nicht aufmachen?"
„Nö, ich hab kein Bock auf ihre Hyperaktivität."
Leo schnaubte. „Na, du bist ja 'ne tolle beste Freundin."
„Ich weiß", gab ich unbeeindruckt zurück und zuckte mit den Schultern.
Leo schüttelte ungläubig den Kopf und schob meinen Kopf zur Seite, damit er aufstehen konnte. Ich hielt ihn am Ärmel fest, aber er machte sich los und warf mir einen strengen Blick zu.
Er verschwand durch die Tür und nach zehn Sekunden stand eine aufgebrachte Caro vor mir, die ihre Hände in die Hüfte stemmte und mich böse ansah.
„Ist ja wundervoll, dass du deinen Hintern nicht mal hochbewegen kannst, wenn deine beste Freundin vor deiner Haustür steht, sondern dass dein Bruder laufen und mir aufmachen muss", sagte sie als Begrüßung, und wenn ihre Blicke Dolche wären, würde ich jetzt mausetot und blutüberströmt auf dem Boden liegen. Halleluja.
„Du weißt doch, wo der Schlüssel in der Garage ist", meinte ich nur und sah wieder auf den Fernseher.
Caros Mund klappte auf, aber ihr fiel wohl nichts als Entgegnung ein.
„Woah, Sam, jetzt fahr mal einen Gang runter!", mischte sich Leo ein und sah mich ziemlich sauer und ungläubig an. „Was bist du denn heute so garstig? Jeden motzt du nur an! Wir haben dir nichts getan, falls du dich erinnern kannst."
„Ja, habt ihr auch nicht, aber sorry, mein Leben ist halt einfach nur scheiße, da kann ich nicht immer total nett und freundlich und süß und gutgelaunt sein", zischte ich und verengte meine Augen zu Schlitzen. Mit einem Ruck stand ich von der Couch auf und verschwand ohne ein Wort die Treppe nach oben in mein Zimmer.
Ich ließ mich auf meinem Bett nieder und starrte wütend und frustriert an die Wand.
Ich war nicht wütend auf Caro oder Leo, nein, ich war wütend auf mich selber. Wütend, weil ich mich so bescheuert benahm und ich eigentlich kein Recht dazu hatte, sie so anzufahren.
Ich hörte, wie die Tür hinter mir leise aufging und wieder geschlossen wurde.
Im nächsten Moment schlangen sich zwei Arme von hinten um meine Taille und ein paar blonde lange Strähnen kitzelten sanft an meiner Wange.
Ich schloss die Augen, aber das konnte meinen Tränenfluss nicht stoppen.
„Nicht weinen, Sammy...", murmelte Caro in mein Ohr und drückte mich noch enger an sich. Sie wiegte mich sanft hin und her, um mich zu beruhigen. „Wir sind dir nicht böse, und sei nicht sauer auf dich selber. Du bist das tapferste und stärkste Mädchen, das ich kenne, und ich bin so stolz auf dich. Gib dich selber nicht auf und lass dich von dem Kerl nicht kaputt machen."
Ich schniefte einmal und wischte mir mit dem Handrücken über die Wangen. Ich löste Caros Arme von mir und drehte mich zu ihr um.
„Es tut mir trotzdem Leid", murmelte ich mit schwacher Stimme.
„Ich weiß, Süße. Aber weißt du was? Wir gehen heute Abend erst mal Paaarty machen!" Begeistert sah sie mich mit strahlenden Augen an.
„Oh nein, niemals", antwortete ich stöhnend. Nein, da würde sie mich nicht mitschleppen können. Nicht einmal für meine beste Freundin würde ich das machen.
„Nein, schau mich gar nicht erst so an!" Ich hob abwehrend die Hände. „Mich kriegst du nicht in einen Club! Niemals."
DU LIEST GERADE
Heartbeat
Fanfiction~ ღ Das 1. Buch der Hearts-Trilogie. ღ ~ Ich hatte nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Wie will man sich in jemanden verlieben, den man noch nie gesehen hat? Das geht nicht, ist doch lächerlich. All das wurde jetzt üb...