#22 - Schwarzer Strudel

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„Fuck, was sollte das?!" Er ließ sofort von mir ab.

Ich war stolz auf ihn, er tat nämlich genau das, was in meinem Drehbuch a.k.a. Teufelsplan stand, was er als nächstes tun würde.

Er ließ mich los und ich plumpste nach unten. Da ich aber damit gerechnet hatte, landete ich auf meinen Füßen und nicht auf meinem Allerwertesten.

Er kam nicht einmal dazu, noch etwas anderes zu lallen, da ging ich schon zu meinem nächsten Schritt über.

Ich trat ihm mit voller Wucht in seinen ‚heiligen Bereich', wie er selbst zu sagen pflegte.

Er heulte auf und knickte ein.

Das war meine Chance.

Blitzschnell griff ich nach meiner Tasche, die vorhin auf den Boden gefallen war, suchte in Rekordgeschwindigkeit meinen Schlüssel raus und rammte ihn hektisch ins Türschloss.

Als ich die Tür aufgeschlossen hatte, drehte ich mich zu meinem beschissenen Exfreund um und sah, dass ich mich gar nicht so beeilen hätte müssen. Ich hätte auch alles gemächlich machen können und dabei noch dreimal ums Haus laufen können.

Er lag nämlich immer noch auf dem Boden und wälzte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hin und her. Wäre er nicht so ein skrupelloses, herzloses Arschloch, hätte ich wirklich Mitleid. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie weh das tat.

Ich ging noch zwei Schritte auf ihn zu, kniff meine Augen zu funkelnden grünen Schlitzen zusammen und zischte durch meine Zähne: „Tja. Wer nicht hören will, muss fühlen. Selber Schuld. Du fühlst gerade wahrscheinlich nicht einmal halb so viel Schmerz, wie ich empfunden habe, als ich deine wunderbaren Fotos sehen durfte. Na, Schuldgefühle?"

Ich kniete mich neben ihn und er zuckte weg von mir. Ich musste ein Lachen unterdrücken.

Ich sah ihn nur an und stand wieder auf.

An der Tür blieb ich nochmal stehen, drehte mich um und meinte: „Ach, und falls es immer noch nicht in dein Hirn reingegangen ist, wir sind nicht mehr zusammen. Such dir eine andere, die deinen Scheiß mitmacht. Auf Nimmerwiedersehen."

Und damit knallte ich die Tür hinter mir zu.

Meine Beine zitterten wie verrückt, aber ich wollte nicht stehen bleiben, sondern mich möglichst weit von der Haustür entfernen. Als ich in meinem Zimmer ankam und die Tür hinter mir zuschlug und mich mit dem Rücken dagegen lehnte, knickten mir die Knie ein und ich rutschte an der Tür hinunter und blieb auf dem Boden sitzen.

Ich begrub mein Gesicht in meinen Armen und versuchte mich zu beruhigen. Was aber nicht klappte.

Der Rand meines Sichtfeldes wurde schon wieder dunkel. Ich war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen.

Plötzlich riss mich etwas aus dem schwarzen Strudel, in den ich hineingezogen wurde.

Mein Handy.

Rihanna fing wieder an zu singen.

Ich atmete zitternd ein und suchte in meiner Tasche nach meinem Handy. Ich hatte sofort gewusst, wer gerade anrief.

Ich hob ab, wollte mich gerade melden, als schon vom anderen Ende der Leitung tönte: „Sam? Sammy? Alles okay bei dir??"

Ich stockte eine Sekunde lang und sofort rief Caro panisch: „Samantha, sag was!!"

„Mir geht's gut", flüsterte ich.

„Das kannst du deiner Oma erzählen, ich glaub dir kein Wort! Ich hatte gerade ganz plötzlich das schreckliche Gefühl, dass bei dir irgendwas passiert ist, stimmt das??", bohrte sie nach. Sie klang immer noch höchst alarmiert.

Ja, da wären wir wieder bei der altbekannten Caro-Sam-Telepathie.

„Ja, das stimmt", sagte ich tonlos. Ich starrte vor mich auf den Boden und konnte mich keinen Millimeter bewegen.

„Okay, wo bist du?", fragte sie.

„Zuhause", antwortete ich wieder tonlos. Ich klang wie eine Horrorpuppe.

„Ich bin in zwei Minuten da", hörte ich sie noch schnell sagen, bevor es tuut-tuut-tuut machte. Sie hatte mal wieder einfach aufgelegt, typisch Caro.

Sie machte ihr Versprechen wahr und stand wirklich innerhalb zwei Minuten vor meiner Tür. Sie hatte geklingelt, das hatte ich gehört, aber ich war immer noch unfähig, mich zu bewegen.

Sie hatte sich daraufhin wohl kurzer Hand den Haustürschlüssel aus unserer Garage geholt und ist die Treppe nach oben gehastet. Aber natürlich hat sie meine Zimmertür nicht aufgekriegt, weil ich ja von innen dagegen lehnte. Als sie sie zentimeterweise aufgeschoben hatte und mich damit über meinen Teppich schob, quetschte sie sich durch den Spalt und ließ sich neben mich auf den Boden sinken. Ohne ein weiteres Wort nahm sie mich in den Arm, aber ich konnte ihre Umarmung nicht erwidern. Ich starrte einfach nur weiterhin auf eine Stelle auf den Boden.

Caros Körperwärme löste meine Starre und nach ein paar Minuten war ich wieder imstande, mich zu bewegen und zu reden.

Wortlos sah ich sie an.

„Scheiße, Sammy, was ist passiert?", fragte sie besorgt und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Nico", sagte ich schlicht.

Caro riss die Augen auf und ihr klappte die Kinnlade nach unten. Sie hatte mit allen möglichen Antworten gerechnet, aber auf keinen Fall damit.

Ich erzählte ihr alles. Während ich das tat, taute ich wieder auf und im Nachhinein musste ich irgendwie über meine Aktion lachen.

„Beißt sie ihm da einfach in die Zunge! Du böses, böses Mädchen, Samantha!", lachte auch Caro ein wenig. Wir saßen inzwischen auf meinem Bett.

„Tja, good girl gone bad. Damit hat er wohl nicht gerechnet. Ich bin nicht mehr sein Püppchen, wie ich es früher war", sagte ich bitter. Was hatte ich mir für den Kerl schon den Arsch aufgerissen.

„Aus Fehler lernt man, hinterher ist man echt immer schlauer", sagte Caro altklug.

„Ich hab nur ein bisschen Angst davor, wie das weitergehen soll", sagte ich und runzelte die Stirn.

„Wieso, was meinst du?"

„Naja", sagte ich langsam und zerdrückte mein Kuschelkissen zwischen meinen Händen, „was passiert, wenn wir uns das nächste Mal begegnen?"

„Ach, scheiß auf den Kerl. Der soll noch einmal kommen, dann.... Aber das traut der sich eh nicht, schließlich ist er jetzt dank dir zeugungsunfähig!" Caro brach in Lachen aus und ich konnte nicht anders als selber ein wenig lächeln.

„Okay, Themawechsel." Sie sah auf meine Uhr an der Wand. „Wir haben noch zwei Stunden, dann musst du dich in deinen kleinen Flitzer setzen und zur Olympiahalle düsen."

Sie sah mich mit glänzenden Augen an.

Ich erwiderte ihren Blick und konnte in diesem Augenblick nicht beschreiben, wie aufgeregt ich war.

Sämtliche Schmetterlinge dieser Welt befanden sich gerade in meinem Bauch und spielten verrückt.

Ich würde ihn wiedersehen.

In weniger als drei Stunden.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt