#108 - Diva-Alarm

71.9K 3.5K 289
                                    

Ich hatte es noch in der Hand uns sah hinunter auf das Display.

‚Samantha, wenn du dich nicht SOFORT bei mir meldet, dreh ich durch und lauf Amok!!!!'

Sorry, Caro, Blut ist dicker als Wasser, also musst du noch ein wenig warten, dachte ich, während ich als Antwort tippte:

‚Sorry, Schnuffi, ich bin vor sieben Sekunden zur Haustür reingekommen, und jetzt stehen da zwei Wachhunde vor mir, die erst informiert werden wollen. Aber dann, ok :*'

Ich weiß, es war bisschen blöd, sie so hinzuhalten, aber was sollte ich denn tun? Wenn ich jetzt schreiben würde: ‚Oh mein Gott, wir haben uns geküsst!' und mehr nicht, weil ich erst mit Mom und Leo reden würde, würde Caro durchdrehen. Und das wollte ich weder ihr noch mir antun, um ehrlich zu sein.

Ich sah wieder auf und grinste immer noch so dämlich vor mich hin, wie ich es schon die letzte dreiviertel Stunde tat.

Ich sah zwischen Mom und Leo hin und her, die beide die Augenbrauen erwartungsvoll hochzogen.

Leo sah mich ernst an, aber Mom grinste jetzt ebenfalls, weil sie meinen Gesichtsausdruck wohl gleich richtig deutete.

„Oh-oh...", sagte sie schmunzelnd, trat zwei Schritte nach vorne und umarmte mich.

Ich erwiderte ihre Umarmung und drückte mich ganz fest an sie.

„Ja, schön, dass ihr euch wortlos verständigen könnt, aber falls ihr vergessen habt: ich bin auch noch hier und ich bin keine Frau, weswegen ich grad absolut nichts checke!", kam von meinem etwas angepissten Bruder und ich musste lachen.

Mom zog mich mit in die Küche, wo ich mich selig lächelnd auf einen Barhocker fallen ließ.

Leo zog immer noch die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich an die Küchenarbeitsplatte lehnte.

Mom ließ sich auf dem anderen Barhocker nieder.

„Tja...", seufzte ich und grinste – Überraschung! – immer noch.

~~~

„Mein Gott, wie süß", kam von Leo, der jetzt (ebenfalls) breit grinsend auf der Arbeitsplatte saß und mich aus seinen braungrünen Augen ansah.

Ich hatte Mom und ihm erst das Konzert genau geschildert und dann das im Backstage-Bereich.

Was danach in der Dunkelheit passiert war, hatte ich nur grob zusammengefasst. Es war genau so, wie Jana es gesagt hatte. Es war einfach unser kostbarster Moment, und den wollte ich – so egoistisch es auch klingen mag – für mich behalten. Das war mein wertvollster Schatz.

Denn wer weiß, wann ich Harry jemals wiedersehen werde...

Ich schluckte schwer, als mir das in den Sinn kam, und lenkte meine Gedanken sofort wieder woanders hin.

Ich sah auf die Uhr und bemerkte, dass ich eigentlich wirklich nur kurz gebraucht hatte, um das zu erzählen. Wow, das war ja mal ein Wunder, dachte ich grinsend.

Mein Handy, das vor mir lag, vibrierte jetzt und ich nahm den Anruf entgegen, während ich mit einem Lächeln zu Mom und Leo aus der Küche ging.

„Hey Caro", sagte ich und ließ mich ein paar Augenblicke später auf mein Bett fallen.

Doch zum Erzählen kam ich gar nicht, denn mein Handy kündigte trotz des Telefonats sofort eine Nachricht an.

„Warte mal kurz, Caro, ich hab eine Nachricht gekriegt..." Ich nahm das Handy vom Ohr und sah die Benachrichtigung von einer Nummer mit einer 0044-Vorwahl... Verwirrt runzelte ich die Stirn ... Häää.....

...OH MEIN GOTT!

Mir fiel mein Handy aus der Hand auf mein Kopfkissen und ich griff mit zitternden Fingern danach.

Wieder ging in mir ein riesengroßes Feuerwerk los und ich konnte kaum noch atmen.

„Caro, ich kann jetzt nicht weitertelefonieren", sagte ich ein wenig atemlos und biss mir auf die Unterlippe. Sofort hatte sich wieder ein total breites Lächeln auf meine Lippen geschlichen.

„Waaas, willst du mich eigentlich verarschen?!", kam ziemlich laut und sauer vom anderen Ende der Leitung.

„Sorr-"

„Ganz ehrlich, Sam, ich hab keinen Bock mehr", fuhr sie mich scharf an und ich klappte meinen Mund vor Erstaunen wieder zu.

Was hatte ich denn jetzt falsch gemacht..?

Aber sie gab mir nicht einmal die Gelegenheit, nachzufragen.

„Ich bin immer nur dein Fußabstreifer und sonst nichts. Immer bin ich nur Kummerkasten und für was Anderes bin ich nicht gut. Das pisst mich so an! Was ist das bitte für eine Freundschaft?!"

Bitte WAS?!?

Okay, das wurde mir jetzt ebenfalls zu blöd.

Ich richtete mich auf und setzte mich aufrecht auf mein Bett.

„Sag mal, willst DU mich verarschen?!" Mein Tonfall war zwar scharf, aber er war weder so unfreundlich noch so sauer wie Caros. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. „Ich kutschiere dich nachts durch die Gegend, wenn du feiern gehen willst – du könntest ja selber fahren, aber nein, die liebe Sam fährt ja immer –  ich hole dich immer überall ab, aber hey, macht ja nichts, dass ich für dich meinen Sprit verfahre! Ich bin IMMER für dich da, wenn du nachts anrufst oder wenn du weinst, weil Carlos ein Arschloch ist. Ich bin immer für dich da, und dann schmeißt du mir sowas an den Kopf?! Caro, jetzt lass dir mal etwas gesagt sein: Es dreht sich nicht immer nur alles um dich. Weder mein Leben noch das Leben von allen anderen. Tut mir Leid, dass ich erst mit meiner Mutter und meinem Bruder rede, wenn ich nach Hause komme. Aber die sind nun einmal meine Familie und sind hier bei mir. Es dreht sich nicht immer alles um dich!" Ich holte tief Luft. Bleib ruhig, Sam. Verbissen schluckte ich die Tränen hinunter, die mir in die Augen steigen wollten. „Soll ich dir verraten, wieso ich jetzt keine Zeit habe? Weil ich gerade eine Nachricht von Harry gekriegt habe und ich die lesen möchte. Wer hat denn gesagt, dass ich dir nicht erzählen will, was passiert ist? Ich hab einfach keinen Bock, dass ich immer von dir angemault werde! Ist dir noch nie aufgefallen, wie oft du mich anmaulst? Ich weiß echt nicht, wieso du das immer machst, aber ich lasse es immer wortlos über mich ergehen, weil du einfach meine beste Freundin bist und ich nicht will, dass wir uns streiten! Aber jetzt hab ich die Schnauze voll! Such dir doch jemand Anderes, der deine divahaften Launen mitmacht!"

Mit diesen Worten legte ich auf.

Stille.

Stille in meinem Kopf.

Ich starrte für ein paar Momente auf mein Handy und rührte mich gar nicht.

Ich hasste es, wenn ich mich mit jemandem stritt, aber das Fass war jetzt wirklich übergelaufen. Langsam hatte ich ehrlich keinen Nerv und keinen Bock mehr auf Caros schwieriges Verhalten.

Und dann warf sie mir vor, dass sie mein Fußabstreifer war.

Ich konnte es wirklich nicht glauben und es machte mich einfach nur unendlich traurig, dass sie mir das allen Ernstes an den Kopf geworfen hatte.

Ich entsperrte mein Handy und öffnete Harrys Nachricht.

‚Ich weigere mich, ohne dich irgendwo hinzugehen.
Ich stehe jetzt wieder hier in der Dunkelheit unter den Bäumen und warte auf dich. '

Ich schnappte nach Luft und stützte mich vor mir auf dem Kissen ab.

Mein Herz pochte schmerzhaft in meiner Brust und mein Atem zitterte.

Das Lächeln, das mich bisher den halben Abend begleitet hatte, schlich sich wieder auf meine Lippen und ich fuhr mir durch die Haare.

HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt