vierzehn. la rue morgue

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Ihr Mund war rot, wie mein pulsierendes Blut, welches sich durch meine engen Venen wie Menschen im Großstadtverkehr presste. Die lüsternen Züge ihrer Lippen formten sich zu einem Lächeln, das man einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen konnte. Ihre Schneidezähne mit einer Lücke dazwischen kratzten lasziv über die rot angemalte Haut, ihre Ellbogen waren blutunterlaufen, weil sie sich die ganze Zeit darauf abgestützt hatte.
Sie orderte einen Martini, obwohl sie eher aussah wie ein Bourbon-Mensch.
Ein Mann unterhielt sich mit ihr, er war groß und schmal gebaut, hatte ein langes Gesicht und ein scharfes Kinn, es rundete seinen Kopf nicht im geringsten ab. Er hatte kaum Charisma, dafür einen schwarzen Mantel, welcher meine Vermutung vollkommen unterstrich. Stillos. Doch ich sah ihn stehen, in schwarz an der Bar, und ich sah den Blick, den er dir zuwarf. Als du deine Augen mit einem eleganten Wimpernaufschlag öffnetest, verließ eine Flut aus Blut sein Gehirn und fand sich wo anders wieder. Nun pulsierte die rote Flüssigkeit in ihm, sowie in mir, nur eben auf eine andere Weise. Ich hoffte inbrünstig, dass du dich von ihm nicht um den kleinen Finger wickeln ließt, denn du warst viel zu gut für so einen schmächtigen Typen wie ihn. Er war deiner nicht würdig.
Niemand war auf deinem Niveau.

Du lachtest, er hatte irgendeinen schlechten Witz erzählt, doch auch nicht so schrecklich, dass man genervt hätte sein können. Es war nichts weltenbewegendes, so wie er eben. Oh gott, er sah so langweilig aus. Zumindest wollte ich gerne, dass es so war. Deine Wangen waren nicht so rot, wie wenn wir zwei uns trafen und deine Hände zitterten nicht. Und während sein Mund sich immer wieder öffnete, er dir etwas über seinen Job bei der Polizei und den tollen Alarmsirenen erzählte, wanderte dein Blick zu mir. Jener war so elitär und doch so aufopfernd, dass ich das Gefühl bekam, ihm nicht Stand halten zu können. Deine Augen rutschten über meinen Körper, welcher sich in der dunklen Ecke nahe der Jukebox verborgen hatte, es lief "Sweet Dreams" und es hang dort ein Plakat mit einem Frosch, der sich erhang, über mir, oberhalb meines dummen Kopfes. Der Kontrast des Bildes war irgendwie falsch, es war viel zu stechend. Umso länger ich an den Frosch dachte, desto mehr fiel mir auf, dass ich der Frosch war, und dein Blick der Strick um meinen Hals.
Ich schluckte schwer und du hast zu lächeln begonnen. Er bemerkte nicht, dass du schon lange nicht mehr Ohr warst, also hast du einen letzten Schluck deines Martinis genommen, zischtest, und meintest: "Entschuldigung, ich muss dringend wo hin." Perplex legte er seinen Kopf schief, nickte dann und folgte dir mit seinen kleinen Augen sehnsüchtig. Du wusstest, dass er in Gedanken schon Hochzeit plante, doch du hattest eine ganz andere Intention. Als du dich schlangenartig anpirschtest und dich auf das rote Sofa neben mich platziertest.

"Schön dich hier anzutreffen.", grinstest du frech und hast nach meinem Getränk gegriffen. Es war nicht einmal Alkohol, aber du trankst es dennoch als gäbe es kein Morgen. Du legtest deinen Kopf in den Nacken, dein Kehlkopf spielte Seilhüpfen. "Wasser, unfassbar." Die Hitze der Peinlichkeit stieg in mir auf und ich fühlte mich als würde auf den Frosch Sonne scheinen. Du fuhrst mit deiner Hand über mein Knie und zeichnetest dort kleine, unregelmäßige Kreise, welche aufgrund meiner Strumphose leicht rau wirkten. "Du weißt hoffentlich, dass ich keinerlei Interesse an jemand anderen, als dir besitze."
Es sollte eine Aussage sein, doch es klang eher nach einer Frage. Ich gab dir devot zu verstehen, dass du dich in Recht wogst und luchste zu dem Mann, jener ließ uns noch immer keinen Moment aus den Augen, während seine plumpen Lippen am Getränk nippten. Er wollte dich so unbedingt, doch in mir war kein Mitleid. Mitleid bekam, wer Mitleid verdiente. Doch auch für mich kam jede Rettung zu spät, als du aufsprangst, mir zärtlich die Haare vor die Augen strichst und wispertest, du würdest nur kurz das Lied ändern, da dieses zu langweilig sei. Sweet dreams war zwar ganz und gar nicht langweilig, aber nach dem 10. Mal war es eintönig. Also gab ich dir recht. Du wähltest "Jeanny" aus und hast mitgetanzt, so als würde dir niemand zusehen. Bei den ersten Tönen strecktest du die Hände in die Höhe, bei der ersten Zeile schütteltest du deinen Kopf im Takt, sodass deine Haare hinter dir nachzogen, und bei der Stelle, in der er "jeanny, life is not what it seems. such a lonely little girl in a cold, cold world. There's someone who needs you" sang, waren deine Augen nur mir gewidmet. Nur mir, keinem anderen, und meine auch nur dir. Ich hatte das Gefühl die anderen Menschen würden nur so vor Neid sterben, ich redete mir ein dass sie neidisch waren, weil diese schöne Frau zu mir gehörte. Zumindest irgendwie.

Du schlossest deine Augen und durch dein gesamtes Fleisch zuckte der Strom der Musik. Du sangst nicht mehr, du summtest, und erlagst der bittersüßen Sinfonie.
Du sagtest: "Lass dich fallen und gib dich einfach hin." Du zogst dich an mich, mein Herz tanzte Tango in meiner Brust. "I do, I do.", hast du gegen meine Lippen gemurmelt, und ich hätte meine Augen vor Lust nur so verdrehen können.
Dieser Ort war perfekt, diese Luft war perfekt, dieser Song war perfekt, doch du warst es nicht. Dein sanfter Druck gegen meinen Mund ließ meinen Puls sofort erfrieren, mein Herz schien wie ein Klumpen aus loderndem Eis zu sein. Jede Seele, die sich auf dich eingelassen hatte, war, wenn sie wieder auftauchte, nie mehr die selbe. Es schien, als wärst du ein Seelenfresser, als würden alle spurlos verschwinden und nie wieder gesehen werden. Du hast Menschen verändert. Ich dachte noch einmal nach, ob ich das ebenfalls wollte, krallte mich entschlossen in deine Schultern. Gewarnt war ich, und dennoch wagte ich es. Auch wenn ich der Frosch sein sollte.

dies also ist lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt