Ein Tag ließ die Sonne neben der Erde schweben und diese in ein dunkles Rot tauchen.
Adaine fuhr sich derweil stupide durch die Haare, völlig abgelenkt von ihrem eigenen Erscheinungsbild. Über mehrere Minuten hinweg bohrte sie sich über den Spiegel in ihre Augen, welcher am Rand mit eleganten Rundungen geziert war, er war ein Geschenk ihres Bruders. Durch den Spalt unter der Tür drang der Geruch von der mittlerweile verspeisten Mahlzeit hindurch, Kartoffeln mit Fleisch, denn es war Sonntag, und Sonntag gab es immer Fleisch. Eigentlich mochte sie keines, um nicht zu sagen, dass sie es abartig fand jemanden sterben zu lassen, nur um sich selbst an dessen Leiche erfreuen zu können. Ihre Mutter hatte ihr stets gelehrt dankbar zu sein. Auch wenn es nicht so schien, machte sie das wahnsinnig und sie war kurz davor auszurasten. Außerdem war sie dafür nicht dankbar, keineswegs.
Ada wog sich eigentlich immer ziemlich flott in Unzufriedenheit und Wut und ließ diese auch nicht immer enthüllt.
Wenn sie sich ansah, sah sie nichts mehr von dem Mädchen, das letztens Anton besucht hatte, nachdem es mit ihrer Freundin, oder was auch immer sie zueinander waren, in ein Haus eingebrochen war. Ihre Augen schwangen zu den Büchern, die sie mitgehen gelassen hatte und zu den Papieren. Sie begann zu zittern. Ihre Mutter war, was das alles anbelangte, eine ganz andere Sorte Mensch. Sie war klein und hatte einen leicht gerundeten Bauch, stechend braune Augen thronten in ihren Augenhöhlen und ließen ihre braunen kurzen Haare in Vergessenheit geraten. Ihr Mund war viel zu sanft für ihren Charakter und ihre Hände fielen zu knochig für ihre Arme aus. Das einzige gute in ihrem Leben, so meinte sie, sei ihr Mann, Adas sturer Vater, der ihr die Sterne in die Hand reichte, ohne Mühe und Not. Zumindest sagte sie das immer vor Bekannten. Sie bezeichnete ihn gerne als Mann von Welt, und sagte somit, dass er zivilisiert und fein auftreten würde. Insgeheim wussten sie alle, dass dieser hochgewachsene, ruppige Typ mit der aggressiven Stimme und den Bartstoppeln am Kinn, nicht mehr als eine reine Fälschung seiner selbst war. Und Ada wusste, dass jedes ihrer Worte gelogen war."Adaine, kommst du? Wir müssen los!", rief ihre Mutter aus dem Vorzimmer. Ihre monotone, aufdringliche Stimme trug sich über den gesamten Flur, bis sie ihre Tür erreichte und durch diese flog. "Ja.", antwortete sie nur leise, so stumm verließen diese Worte ihre plumpen, bleichen Lippen. Ada seufzte kurz, man konnte es beinahe nicht vernehmen, wollte sie doch nicht schon wieder dorthin. Ihr Drang zu rebellieren hatte in den letzten Monaten drastisch abgenommen, nachdem sie registriert hatte, dass sich dieser alles andere als positiv auf ihren Körper auswirkte, aufgrund der daraus resultierenden blauen Flecken.
Die Wände außerhalb ihres Zimmers waren braun-beige gehalten, mit kleinen Blumen, welche sich chronologisch wiederholten. Die Siebziger ließen ihre Eltern nun mal auch nicht kalt. Ihre weißen Leinenschuhe pressten sich gegen den kalten Fließenboden, während Adaine sich immer wieder den Rock, der an ihrer Hüfte hing, zurecht rückte.
Unwohl, so fühlte sie sich in dieser Kleidung, doch nach all dem was sie sich erlaubt hatte, wie ihr Vater es liebevoll betitelte, musste sie sich wohl oder übel fügen, auch wenn sie wieder einmal eine Abneigung durchfuhr. Sie ging in kleinen Schritten in "die gute Stube", wie ihre Großmutter es immer betitelte, in der sie von Mutter mit einem gestressten Gesichtsausdruck empfangen wurde. Ihre Lippen und die Muskeln um diese zogen sich krampfhaft zusammen, sodass es für einen Moment den Anschein eines Lächelns auf ihre Tochter erweckte.
"Adaine, wir sind schon wieder zu spät wegen dir!", tadelte ihr Vater und verschränkte seine Arme vor der Brust. Er hatte ein hellblaues Hemd an, spießig wie eh und je. Die Falten auf seiner Stirn ragten hervor, als er seine Physiognomie arrogant verzog.
"Thomas, reg dich mal ab.", nuschelte ihre Mutter aggressiv. Er brummte und musterte Ada ekelhaft.
"Gehen wir.", bestimmte Thomas und öffnete die Tür, vor welcher er stand.
Die fröhliche Sommerbrise streifte ihre Wangen, sie schloss für eine Millisekunde die Augen, so kurz, dass sie sich währenddessen fortbewegen konnte und die Betonplatten unter ihren Sohlen eine Art Klopfen hinterließen. In solchen Momenten vermisste sie ihren Bruder.
Er war schon ewig nicht mehr da und irgendwie machte sich das besonders stark an ihrer Mutter bemerkbar. Er war nun mal doch der Erstgeborene und auch wenn er nie Vaters Liebling war, festigte er die Familie. Etwas, das Ada noch nie getan hatte.
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dies also ist leben
Historia Cortadinge entwickeln sich so schnell, und ehe man sich versieht, vergisst man wie es funktionierte sich zu erinnern. eigentlich will ada nur, dass man ihre geschichte erzählt. dass man sie nicht vergisst. doch wer erinnert sich schon noch an einen, wenn...