Kapitel 17

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Das Gespräch mit meinem Bruder hatte mich unglaublich gestärkt und mir auch Hoffnung gemacht. Ich will Jacob auf keinen Fall verlieren und, wenn man Ethan Glauben schenkt, werde ich das auch nicht. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich mich ausfühlich bei ihm entschuldigen und alles erklären. Erst wollte ich ja zu ihm ins Spiegelsystem, aber dann wurde mir klar, dass er ja vor mir dorthin geflüchtet ist.

Und jetzt bin ich wieder mal im Bett und versuche einzuschlafen. Das funktioniert natürlich erst mal nicht, da so viele Gedanken in meinem Kopf umherschwirren. Was wenn wir uns eben nicht wieder vertragen? Was wenn zwischen uns alles gut läuft, aber wir mit unserem immer näher rückenden Angriff versagen? Leila hat zwar noch nichts öffentlich verkündet, aber es sind Gerüchte im Umlauf, das wir unsere Umlaufbahn schon innerhalb der nächsten Tage ändern. Das ist auch das einzig logische, wenn man bedenkt wie schnell unser Essensvorrat schrumpft. Dank meiner Abreit weiß ich, dass wir morgen genügend Masse an Bäumen zusammen hätten, um uns in den gewünschten Kurs zu schleudern. Dann dauert es gerade mal vier Tage und wir treffen auf Team 11. Also könnte ich in einer Woche tot sein. Oder Ethan oder Jacob oder Liam oder meine Mutter oder mein Vater oder Leila oder Jessica oder ... Unser Angriff könnte komplett scheitern und wir wären alle dem Präsidenten ausgeliefert.

Andererseits könnten wir auch Team 11 befreien von der Kontrolle der Arche und uns mit ihnen verbünden. Wir könnten siegen und etwas von ihrem Wasservorrat abzweigen. Wir könnten bis zu Team 2 kommen und dort dann endlich den Präsidenten absetzen. Dann würden wir neue Regeln bestimmen und .. was würden wir dann eigentlich machen? Mein Ziel war es immer, den Präsidenten loszuwerden, aber wie würden wir das Regim verbessern?

Nach Stunden des Hin - und Herwälzens fallen meine Augen zu und ich in einen unruhigen Schlaf.

Piep. Piep. Piiieeeep.

Stöhnend wache ich auf und blinzle gegen das spärliche Licht, welches unser Zimmer beleuchtet. Anscheindend sind meine Zimmergenossinen schon auf. Ich reibe mir die schmerzenden Augen und schnalle mich von der Wand ab. Dann stoße ich mich ab und drifte in Richtung Badezimmer. Auf dem Weg schaffe ich es fast noch einmal einzuschlafen, aber dann drückt sich mein Körper gegen die Tür. Nach einer kalten Dusche und Haarebürsten kann ich meine Augen normal offen halten und sehe auch ganz passabel aus. Zwar habe ich dicke Augenringe, die darauf hinweisen, dass ich letzte Nacht nur wenig geschlafen habe, und blasse Haut, weil es mir einfach schlecht geht, aber ansonsten ist alles in Ordnung. Denke ich.

"Mia, nicht geschlafen?", "Mia, leg dich doch einfach noch mal hin", "Oh Gott, Mia, alles in Ordnung? Du siehst grauenvoll aus" Letzteres stammt von Ethan, aber heute sprechen mich wirklich viele auf mein Aussehen an. Da wir auf so engem Raum leben, kennen wir uns natürlich alle relativ gut, aber ich bin eigentlich mehr Einzelgänger, deshalb verwirrt mich das total. Aber ich finde es toll, dass wir zu so einer tollen Gemeinschaft zusammengewachsen sind und sich so viele Leute Sorgen um mich machen.

Ich gehe trotzdem zur Arbeit und schaffe auch einiges bis zum Mittagessen. Dort sehe ich Jacob. Ihm scheint es auch nicht gerade blendend zu gehen. Augenringe zieren sein Gesicht und seine Haare sind noch mehr verstrubelt als sonst. Ich sehe überall Leute, die von mir zu ihm und wieder zurück schauen und entweder grinsen oder betroffene Gesichter machen.

Ihnen muss klar sein, dass zwischen uns etwas vorgefallen ist, nur was, das wissen sie nicht. Ich stelle mich hinter ihm an und begrüße ihn leise.

"Hey, wie geht's?", frage ich vorsichtig.

Er wirft mir nur einen traurigen Blick zu. Mehr brauch es aber auch gar nicht, da ich sofort weiß, wie schlecht es ihm wegen mir geht.

"Jacob, können wir bitte reden?"

"Du redest doch schon."

"Du weißt, was ich meine. Unter vier Augen?"

"Morgen, ich brauch noch ein bisschen Zeit."

"Okay. Du weißt aber, dass ich dich nie verletzen wollte. Es war einfach zu viel. Und es tut mir unendlich leid, das musst du wissen."

"Ich sagte doch, wir reden morgen"

"Und ich dachte wir reden jetzt schon"

Das entlockt ihm immerhin ein kleines Lächeln. Wir warten schweigend, bis wir unser Essen haben und ziehen uns dann zurück zu unserer Arbeit. Überall sehe ich jetzt mitleidige Blicke auf mir. So langsam regt es mich echt auf. Können die sich nicht um ihren eigenen Kram kümmern? Ja ich weiß, dass ich es heute morgen noch toll fand, aber jetzt ist es einfach nur noch nervig. Es geht sie einfach nichts an und selbst wenn, könnten sie fragen anstatt nur über mich zu flüstern und mir Blicke zuzuwerfen.

Ich versuche sie so gut wie möglich zu ignorieren, aber am Abend beim Essen platzt mir der Kragen. Gerade hat hinter mir Emelie, eine der Mechanikerinnen, etwas ihrer besten Freundin zugeflüstert. Und zwar ziemlich laut. Und definitiv über mich. Und definitiv eher negativ. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich glaube so etwas wie rücksichtslos, gemein und ähnliches herausgehört zu haben.

Dabei dachte ich echt, sie würden sehen, dass es mir auch scheiße geht.

Ich drehe mich zu ihnen um und schnauze sie an.

"Ihr wisst noch nicht mal, was passiert ist und warum! Also könnt ihr bitte. einfach. aufhören. über. mich. urzuteilen?! Das KOTZT mich SO WAS VON an!!! Halt einfach einmal deine schei* Fresse!"

Ich bin von mir selbst erschrocken und schlage mir die Hand vor den Mund. Alle blicken mich geschockt an.

Ich halte das nicht mehr aus!

Kräftig stoße ich mich ab und saue weg. Einfach nur weg von dem Ganzen.

Irgendwann finde ich mich vor Liams Zimmer.

Ich muss nicht lange überlegen, nur einmal tief durchatmen, dann komme ich rein zu ihm.


Sorry, dass gestern nichts kam. Dafür ja heute.

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