PoV Manuel
Unruhig scharrte ich mit den Spitzen meiner Schuhe über die Pflastersteine, fuhr die Kanten der einzelnen Steine nach. Die Hände hatte ich in den Taschen meiner Jacke vergraben. Es war Anfang September und obwohl die Tage sehr warm waren, war die Luft morgens bereits kälter geworden.
Vor mir kündigte das Quietschen von Reifen den ankommenden Bus an. Ich hob den Blick, einige meiner dunklen Haarsträhnen waren mir ins Gesicht gefallen. Ich nahm die Hände aus den Taschen und stieg in den Bus, wo ich mich auf dem nächstbesten freien Platz niederließ. Ich rutschte bis ans Fenster und nahm iPod und Kopfhörer aus der Tasche.
Eine knappe Viertelstunde später hielt der Bus an der Schule an. Am liebsten wäre ich einfach sitzengeblieben. Weitergefahren, egal wohin. Schweren Herzens stieg ich aus und lief alleine die letzten hundert Meter bis zum Schultor. Der Rand des Weges war von Hagebuttensträuchern gesäumt, die über den Zaun des Schulgeländes wuchsen.
Der Himmel war von einem hellen Blau und beinahe wolkenlos. Es würde ein schöner Tag werden.
Und doch schaffte es das Wetter nicht, meine Laune zu heben. Ich ging nicht gern zur Schule. Der Grund dafür war nicht die Schule an sich. Es waren die Menschen aus meiner Klasse. Und mit jedem Schritt verschlechterte sich meine Laune.
Ich lief ich an der Aula vorbei, wohl wissend, dass dort meine Klassenkameraden saßen und steuerte stattdessen den Haupteingang des Gebäudes an. Ich lief die Treppenstufen empor, auf denen immer die Klassenfotos geschossen wurden, an meinem Stammplatz links in der Ecke vorbei, und betrat das Schulgebäude. In den Gängen war noch kaum etwas los, der Unterricht begann erst in zehn Minuten und die meisten Schüler verbrachten diese Zeit in der Aula oder vor der Cafeteria. Mir war das nur recht.
Vor dem Klassenraum, in dem wir nun Bio hatten, angekommen warf ich meine Tasche auf den Flur und ließ mich daneben an der Wand zu Boden sinken. Nach einigen Minuten trafen auch die ersten meiner Klassenkameraden ein. Unbeschwert quatschend lehnten sie an den Wänden oder standen in Gruppen zusammen. Zuerst wurde ich ignoriert, bis schließlich auch jene Klassenkameraden auftauchten, die ich am wenigsten sehen wollte.
»Junge, schneid dir die Haare, das kann sich doch keiner ansehen.«
Das musste ausgerechnet der Typ mit den grünen Haaren sagen.
Ich heftete meinen Blick auf den Boden vor mir, starrte auf die Musterung des gummiartigen Materials, die ich inzwischen wohl in- und auswendig kannte. Ich kannte solche Sprüche zur Genüge. So gut wie jeden Tag bekam ich Kommentare wie diese an den Kopf, beziehungsweise an die Haare geworfen.
Es tat immer noch weh. Jedes einzelne Mal. Ich mochte meine Haare, doch die Worte meiner Mitschüler hatten mich bereits mit dem Gedanken spielen lassen, sie einfach abschneiden zu lassen.
»Also ich an deiner Stelle würde mich ja nicht mehr aus dem Haus trauen«, sagte nun eine andere, verächtliche Stimme.
Und ein weiterer Stich. Ein weiterer Stich mitten in mein Herz. Ich wusste, ich durfte mir solche Sprüche nicht zu nahe gehen lassen. Doch ich schaffte es nicht.
Ich versuchte, meine Mitschüler zu ignorieren. Versuchte, ihre Worte zu überhören.
Stattdessen versuchte ich, mir die letzte Biostunde in Erinnerung zu rufen und mich mit aller Kraft darauf zu konzentrieren, die Definition von Autotrophie und Heterotrophie gedanklich herunterzurattern.
Doch ich schaffte es nicht. Die Worte meiner Mitschüler fraßen sich in meinen Kopf, schlichen sich in meine Gedanken und brannten sich in mein Gehirn.
Als endlich unser Biolehrer den Klassenraum aufsperrte, sprang ich auf und drängte mich an einigen Mädchen vorbei in das Zimmer. Ich lief zu meinem Platz. Vorletzte Reihe, hinten links. Ich warf meine Tasche unter den Tisch und ließ mich auf meinen Stuhl fallen.
Nach und nach trudelten auch die letzten Schüler ein, während der Lehrer vorne seine Unterlagen sortierte.
Pünktlich eine Minute vor Unterrichtsbeginn wurde die Tür erneut aufgerissen und der Hauptgrund für meine unterirdische Stimmung betrat den Raum.
Michael.
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It's never too late - ZomGer
FanfictionMichael ist der Grund dafür, dass Manu die Schule hasst. Michael ist der Grund dafür, dass Manu mit aufgeschürften Knien und aufgeschlagener Lippe nach Hause kommt. Doch was, wenn Manuel plötzlich der Grund dafür ist, dass Micha sich schlecht fühl...