14. Falls ...

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PoV Manuel


»Du hättest sein Gesicht sehen sollen.«
Dario lachte leise und drehte den Kopf im Gras zu mir herüber.
Wir lagen bei meinem besten Freund im Garten auf der Wiese und ließen die letzten Tage Revue passieren. Michael hatte mich die ganze Woche über in Ruhe gelassen.
»Mann, Manu, du glaubst gar nicht wie mich das für dich freut.« Dario streckte breit grinsend die Arme aus, um sie hinter seinem Kopf zu verschränken. Ich konnte nicht anders als ebenfalls zu lächeln. Bei dem Wetter fiel es einem schwer, keine gute Laune zu haben.
»Lass uns irgendwas machen«, sagte Dario nach einer Weile.
Fragend sah ich ihn an. »Tun wir doch. Rumliegen, atmen, leben ...«
»Mann, Manu«, lachte Dario. »Ich mein' in die Stadt gehen. Was unternehmen.«
»Eis essen?«
»Zum Beispiel.« Dario grinste breit.
»Nö, mag ich nicht«, sagte ich und drehte gespielt gleichgültig den Kopf weg.
»Och Maaann, Manu, was soll das denn jetzt?«
Ich unterdrückte ein Grinsen angesichts der leichten Verzweiflung in Darios Stimme und starrte stur wortlos in den Himmel.
»Werden wir ja sehen ob du mitkommst«, meinte Dario plötzlich mit ungewöhnlich angriffslustiger Stimme.
Die nächsten Sekunden verbrachte ich haltlos kichernd auf dem Boden unter Dario, während dieser sich über mich gebeugt hatte und mit beiden Händen versuchte, meine Frisur zu zerstören. Was zugegebenermaßen besser funktioniert hatte, als meine Haare noch länger waren.
»Okay, okay, ist ja gut«, gab ich schließlich nach, nachdem ich mich unter Dario hervorgekämpft hatte und nun ein wenig atemlos einen Meter weiter bäuchlings im Gras lag.
Ich rappelte mich auf und klopfte mir das Gras von den Händen. »Maaan, Dario, das T-Shirt war neu!«, maulte ich und begutachtete die Grasflecken. Dario grinste nur unschuldig.
Wir standen auf und ich versuchte, meine Haare zu richten. Ich stieß ein leidendes Seufzen aus, als ich mir Grashalme aus den Haaren schüttelte.
Dario lachte. »Ach, komm schon. Sieht doch ganz verwegen aus«, meinte er unbeschwert. »Kommt gut bei den Mädels an.« Er senkte gespielt verschwörerisch seine Stimme und ich musste grinsen.
»Apropos -«, fuhr er fort und mein Grinsen verrutschte ein wenig. Dario sah mich von der Seite her an. »Du ... schuldest mir glaub ich noch eine Antwort.«
Ich vergrub seufzend die Hände in den Hosentaschen und begegnete Darios Blick, der stehengeblieben war und mich mit leicht schräggelegtem Kopf aufmerksam ansah.
Ich wich seinem Blick aus und fixierte stattdessen die Amsel, die auf dem Zaun der Nachbarn hockte und munter vor sich hin zwitscherte. »Ich - ich weiß es doch selbst nicht wirklich«, begann ich zaghaft. Die Amsel flog fort und ich wandte den Blick wiederum zu meinen Füßen, setzte meinen Weg langsam wieder fort. Dario lief neben mir her. »Aber so eine Idee kommt doch auch nicht von ungefähr, oder?« Ich sah Dario unsicher fragend an.
»Was meinst du?«
»Michael zu küssen. Ich meine, er hat mich in die Enge gedrängt, welcher normale Mensch kommt da bitte auf so eine Idee?«
Dario schwieg einige Sekunden, dachte offenbar nach. »Hat es dir denn ... gefallen?«, fragte er schließlich zögerlich.
Ich blieb stehen. »Gefallen? Mann, das war doch kein richtiger Kuss! Das war -«
»Notwehr, ich weiß«, sagte Dario milde lächelnd und hielt mir das Gartentor auf.
»Ich - ach, keine Ahnung. Ich hab einfach keine Ahnung«, schloss ich schließlich, nachdem ich wieder zu Dario aufgeschlossen hatte. Wir liefen nun auf der Straße. »Ich meine, ich hab davor auch noch nie 'n Typen geküsst.«
Eine Weile herrschte Schweigen, bis Dario zögerlich die Stille brach.
»Das ... das klingt jetzt wahrscheinlich ziemlich blöd, aber wenn - ich meine, falls du ... naja ...«, er holte tief Luft, »einen zweiten Versuch starten möchtest ...«
Ich sah ihn mit großen Augen an.
»Okay, nein, das war wirklich dumm, ich dachte nur - tut mir leid.« Dario sah ein wenig zerknirscht zu Boden, ein leichter Rotschimmer hatte sich über seine Wangen gelegt.
»Was?«, fragte ich einigermaßen verwirrt, nicht sicher, ob ich hier gerade etwas absolut missverstand.
»Ich will das hier nicht nochmal sagen«, erwiderte Dario gequält. »Ich wollte nur, dass du weißt ... naja ... ich wäre da. Für dich.«
Einigermaßen sprachlos setzte ich meinen Weg fort, mein Gehirn schien die soeben erlangten Informationen viel zu langsam zu verarbeiten.
»Danke«, meinte ich schließlich mit erstaunlich fester Stimme.
Dario sah mich an. »Wirklich?«
»Ja, wirklich, ich ... weiß das echt zu schätzen, ich war nur ... überrumpelt.«
Dario lächelte unsicher. »Bekommt man nicht jeden Tag, so ein Angebot, was?«
Ich lachte ehrlich auf. »Nein, wirklich nicht.«

Ich war wirklich froh darüber, dass die Stimmung sich so schnell wieder auflockerte, auch wenn mich der Gedanke noch eine Weile beschäftigte.
Als wir schließlich am Rhein saßen, jeder mit einer großen Waffel Eis in der Hand, war ich vollkommen glücklich mit der Welt und mir, und das kam selten genug vor.
Es war richtig schön draußen, die Sonne schien warm vom Himmel, es war Freitag, und ich saß hier mit meinem besten Freund am Rhein und musste mir zur Abwechslung mal über gar nichts Sorgen machen.
Wir blieben den ganzen Nachmittag über am Rhein, und so liefen wir schließlich kurz vor Sonnenuntergang an der Promenade entlang und aßen Crêpes zu Abend.
Die ruhigen Wellen des Rheins spiegelten das Licht wider und schwappten sanft gegen das Ufer zu unserer Linken.
Ich blickte hoch in die tiefer sinkende Sonne. »Lass uns noch was machen.«
Dario sah mich an. Grinste. »Tun wir doch. Rumlaufen, atmen, leben ...«
»Oh Gott, Dario«, sagte ich mit gequälter Stimme, musste aber doch lachen. »Lass uns ins Kino.«
Dario schüttelte den Kopf. Ich sah ihn überrascht an. Er grinste. »Ich hab 'ne bessere Idee ...«


It's never too late - ZomGerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt