PoV Manuel
Geschockt über meine eigene Tat blickte ich zu Michael, der sich immer noch die blutende Nase hielt. Doch zu meinem Erstaunen breitete sich nach einigen Momenten ein verschwommenes Lächeln auf seinem Gesicht aus.
»Das gefällt mir«, nuschelte er, ehe er sich umdrehte und um die Sporthalle verschwand und nur ein paar Tropfen Blut auf dem Boden zurückließ.
Heillos verwirrt blieb ich sitzen und starrte ihm hinterher. Mein Blick wanderte zu der Stelle, wo Michael noch Sekunden zuvor gestanden hatte, und zu dem Blut am Boden. Langsam normalisierte sich mein Herzschlag, als das Adrenalin in meinen Adern wieder abgebaut wurde. Meine Finger kribbelten leicht und als ich die Hände hob, bemerkte ich, dass sie zitterten.
»Shit«, murmelte ich und vergrub die Hände in meinen Haaren, nur, um meine zitternden Finger nicht mehr zu sehen. »Shit!«
Mit einem Mal stieß ich mich mit von der Mauer ab und sprang hinunter. Einen Moment lang blieb ich stehen, unruhig und viel zu nervös um einen klaren Gedanken zu fassen. Ich zwang mich, ein paar Mal tief durchzuatmen, schloss die Augen und lehnte mich gegen die Mauer.
Was war nur los mit mir?Als ich zum Pausenende den Klassenraum betrat, war Michael nicht da. Und auch in den nächsten Minuten blieb der Platz zwei Reihen vor mir leer.
Die ganze Doppelstunde hindurch warf ich immer wieder Blicke zur Klassenzimmertür, doch Michael tauchte nicht auf. Und so verging der letzte Unterricht des Tages für mich ohne weitere Zwischenfälle.
Ich war ruhiger als sonst, als ich nach Schulschluss das Klassenzimmer verließ und durch die Schule und über den Pausenhof lief. Ich hatte es geschafft. Ich hatte es geschafft, mich gegen Michael zu wehren. Und nun, da der anfängliche Schock vorüber war, stellte ich fest, dass es ein gutes Gefühl war. Irgendwie ... befreiend. Doch Michaels Reaktion verunsicherte mich. Und das Grinsen auf seinem Gesicht jagte mir selbst jetzt noch einen Schauer über den Rücken.
Als ich wenig später im Bus saß und nachdenklich hinaus auf die Straßen Kölns blickte, wurde mir klar, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Ich hatte mich gewehrt, mich gegen Michael gestellt. Ich hatte die Offensive ergriffen und mich mit Michael angelegt. Ich konnte das alles nicht mehr rückgängig machen und musste nun mit den Konsequenzen leben. Und seltsamerweise machte mir diese Erkenntnis weniger aus, als ich erwartet hätte. Es war besser als die ständige Ungewissheit, das andauernde Versteckspiel, das ewige Ausweichen, Wegsehen und Hoffen.
Der Himmel draußen war bewölkt, und als ich von der Bushaltestelle nach Hause lief, begann es zu regnen. Ich zog mir die Kapuze von Darios Jacke über die Haare, senkte den Kopf und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Der Asphalt zu meinen Füßen färbte sich unter meinen schneller werdenden Schritten immer dunkler, während ich mich beeilte, ins Trockene zu gelangen.
Im Treppenhaus angekommen streifte ich die Kapuze ab und wollte mir aus Gewohnheit schon die Haare ausschütteln, da sie normalerweise trotz Kapuze vorne immer ein wenig nass wurden, doch dann stockte ich und ließ etwas wehmütig die Hand sinken.
Nachdem ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, zog ich die Jacke aus, die vor allem am Kopf und an den Schultern nass geworden war, und streifte meine Schuhe ab. Nachdem ich Darios Jacke zum Trocknen aufgehängt hatte, machte ich mich auf den Weg in die Küche, wo ich mir die restliche Lasagne vom Vorabend aufwärmte.
Es war still in der Wohnung; ich war allein zu Hause. Ich hatte nichts dagegen, es machte mir auch nichts aus, aber manchmal vermisste ich die Zeit, als meine Brüder noch daheim gewohnt hatten und es hier noch lauter zuging. Ich dachte zu viel nach, wenn ich alleine war.Als ich später in meinem Zimmer auf meinem Bett saß, sah ich, dass Dario mir geschrieben hatte. Er fragte, ob alles in Ordnung war. Lächelnd schrieb ich zurück. Und zum ersten Mal seit langem beantwortete ich diese Frage wahrheitsgemäß mit ja.
Ich legte das Handy weg, schwang meine Beine vom Bett und lief hinüber zu meinem Schreibtisch, um mich an meine Hausaufgaben zu setzen. Als ich meine Schultasche öffnete, fiel mir ein Zettel ins Auge, und ich stockte. Ich erinnerte mich an das Stück Papier, das heute Morgen in meiner Tasche gelegen hatte. Stirnrunzelnd zog ich den Zettel heraus und faltete ihn auseinander.Lass uns in der Mittagspause reden.
Michael
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It's never too late - ZomGer
FanfictionMichael ist der Grund dafür, dass Manu die Schule hasst. Michael ist der Grund dafür, dass Manu mit aufgeschürften Knien und aufgeschlagener Lippe nach Hause kommt. Doch was, wenn Manuel plötzlich der Grund dafür ist, dass Micha sich schlecht fühl...