PoV Manuel
»Hast du alles?«
»Ich denke schon«, sagte ich, während ich den Reißverschluss meiner Sporttasche zuzog. Ich warf mir die Tasche über die Schulter und blickte hoch zu Dario, der soeben von meinem Fensterbrett herunterrutschte.
»Dann lass uns gehen.«
Während Dario im Flur seine Schuhe anzog, ging ich in die Küche und schrieb einen Zettel:
Bin übers Wochenende bei Dario.
Manu
Als schließlich auch ich Schuhe und Jacke angezogen hatte, verließen wir die Wohnung. Ich zog die Haustür hinter uns zu und gemeinsam liefen wir die Treppen hinunter. Unsere Schritte hallten im hohen Treppenhaus wider.
Schließlich traten wir durch die Tür des Mehrfamilienhauses nach draußen, die nur wenige Sekunden hinter uns zufiel.
Die Septembersonne schien uns warm ins Gesicht, als wir zur nächsten Bushaltestelle liefen. Dario war gut gelaunt und er steckte mich damit an.
Die Viertelstunde Fahrt kam mir mit Gesellschaft viel kürzer vor als sonst. Doch nicht einmal Darios Anwesenheit konnte mich davon abhalten, immer wieder nervöse Blicke zu den Türen zu werfen, wenn neue Menschen einstiegen.
Als wir schließlich wieder bei Dario angekommen waren, verstaute ich meine Tasche in einer Ecke und half Dario dabei, eine zweite Matratze in sein Zimmer zu zerren.
Wenige Minuten später landeten wir beide auf der Couch und Dario drückte mir grinsend einen Controller in die Hand. Die nächsten paar Stunden verbrachten wir nebeneinander vor der PlayStation.
Es war Dario, der gegen fünf das Spiel pausierte, denn wir hatten die Haustür gehört. Wir sprangen beide auf und ich folgte Dario aus seinem Zimmer.
»Mama?«, rief Dario und lief mir voran die Treppe hinunter. »Manu ist hier.«
Darios Mutter, die gerade eine Tüte mit Einkäufen im Flur abstellte, lächelte herzlich.
»Hallo, ihr beiden.«
»Manu!«
Darios dreijährige kleine Schwester umarmte mich stürmisch etwa auf Hüfthöhe.
»Hey ...«
Ich beugte mich zu ihr hinunter und wuschelte ihr durch die rotbraunen Locken. Sie streckte die Arme aus und tat dasselbe bei mir. Sie liebte meine Haare.
Dario beobachtete uns lächelnd, dann wandte er sich wieder an seine Mutter:
»Ist es in Ordnung, wenn Manu übers Wochenende bleibt?«
»Natürlich, kein Problem«, erwiderte sie und begann damit, die Einkäufe in die Küche zu tragen und dort auszupacken. »Aber morgen Abend bin ich nicht da, da müsst ihr euch selbst versorgen.«
»Okay, alles klar«, sagte Dario und wandte sich um.
Wir waren bereits auf halbem Weg die Treppe hoch, als Darios Mutter noch einmal im Türrahmen erschien.
»Jungs, in einer Stunde gibt's Abendessen.«
»Alles klar«, sagte Dario erneut.
Wie versprochen wurden wir, zwar mit etwas Verzögerung, einige Zeit später zum Abendessen gerufen.
Darios Mutter schaufelte uns Nudelauflauf auf die Teller.
»Was möchtest du zu trinken, Manu?«, fragte sie mich.
»Nur Wasser, danke«, sagte ich im gleichen Moment als Dario »Cola« antwortete.
»Wasser reicht wirklich«, murmelte ich und senkte meinen Blick auf den Teller vor mir.
»Na, wenn du meinst ...«, sagte Dario und stand auf. Ich blickte auf; ich war mir sicher, ein Schmunzeln aus seinen Worten herausgehört zu haben. Als Dario zurückkam, stellte er mir grinsend ein Glas Cola hin.
Seine kleine Schwester kiekste.
»Und, wie war die Schule heute bei euch beiden?« fragte Darios Mutter munter.
Ich verschluckte mich und hustete. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen traten, doch ich war mir nicht sicher, ob es nur an den verschluckten Nudeln lag.
»Eigentlich nichts Besonderes«, erwiderte Dario, während er mir auf den Rücken klopfte.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nichts Besonderes«, widerholte ich mechanisch und mit leiser Stimme.
»Manu, komm schon. Vergiss die Sache doch einfach mal.«
Ich ließ mich auf die Matratze sinken.
»Ich ... ich kann nicht.«
»Manu.« Er setzte sich neben mich und legte mir die Hände auf die Schultern. »Denk einfach nicht mehr daran.«
Ich blickte zweifelnd zu ihm hoch. Ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Okay?«
»I-ich -«
»Und sag jetzt ja nichts Falsches ...«
Sein Lächeln schwang in ein Grinsen um, während er mit einer Hand hinter sich tastete.
Ich blickte meinen besten Freund verwirrt an. Im nächsten Moment hatte ich ein Kissen im Gesicht. Überrumpelt klammerte ich mich an das Kissen und kippte nach hinten um. Dario lachte und griff bereits nach dem nächsten, während ich ihm mein Kissen an den Kopf warf.
»Oh, na warte ...«
Mit diesen Worten stürzte sich Dario auf mich.
Nach einer kleinen Rangelei fand ich mich lachend auf dem Fußboden zwischen der Matratze und Darios Bett wieder.
Dario, der quer über meinen Beinen lag, stemmte sich lachend hoch und streckte mir seine Hand entgegen.
»Lass uns zocken.«
Ich ließ mich von Dario auf die Beine ziehen und warf mich auf die Couch. Dario tat es mir gleich und warf mir meinen Controller zu.
Wir zockten bis tief in die Nacht. Mit der Zeit wurde ich unkonzentrierter, und stürzte mich immer häufiger in dämliche Tode, ebenso wie Dario, was vermehrt zu Lachanfällen führte. Irgendwann stupste Dario mich an. Ich hob den Kopfhörer an - wir hatten irgendwann darauf zurückgegriffen, da Darios Schwester bereits schlief - und wandte mich ihm zu.
»Bist du auch so müde?«, fragte er.
Ich nickte und unterdrückte ein Gähnen. Kein Wunder - es war weit nach Mitternacht.
»Lass uns schlafen.«
Während Dario das Spiel beendete und die PlayStation ausschaltete, zog ich mir meine Jogginghose und meinen Schlafpulli an.
Dario lief zu seinem Schrank und kramte in einer der unteren Schubladen, bis er eine kuschelige Wolldecke herauszog. Er warf sie mir zu, zusätzlich zu meiner normalen Bettdecke. Er wusste, wie verfroren ich war.
»Danke ...«
Ich kuschelte mich in die Decken und nachdem Dario das Licht ausgemacht hatte und wir gemurmelte »Gute Nacht«-Wünsche ausgetauscht hatten, schlief ich fast sofort ein.
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It's never too late - ZomGer
FanfictionMichael ist der Grund dafür, dass Manu die Schule hasst. Michael ist der Grund dafür, dass Manu mit aufgeschürften Knien und aufgeschlagener Lippe nach Hause kommt. Doch was, wenn Manuel plötzlich der Grund dafür ist, dass Micha sich schlecht fühl...